Autonom und sicher? Martina Schuß verbindet Mobilitäts- und Genderforschung
Die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs ist autonom – aber was bedeutet das für das Sicherheitsgefühl der Passagiere? Ohne Fahrer an Bord, der im Notfall eingreifen kann, stellt sich die Frage: Wer vermittelt den Fahrgästen Sicherheit? Besonders für Frauen entstehen durch automatisierten ÖPNV neue, bisher wenig erforschte Unsicherheiten. Genau hier setzt die Dissertation von Martina Schuß an.
Wie kann man dafür sorgen, dass Frauen sich in einem autonomen Shuttle wohl und geschützt fühlen? Diese Perspektive wird in der Forschung und Entwicklung solcher Technologien bisher selten berücksichtigt.
Martina Schuß, 46, User Experience Designerin und Ingenieurin, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Lücke zu schließen. Sie erinnert sich an einen Workshop, in dem sie mit einer Gruppe von Frauen über die Bedürfnisse im autonomen Nahverkehr diskutierte – vor allem über das Sicherheitsgefühl. „Wer gibt einem hier das Gefühl von Sicherheit?“, fragte sie die Teilnehmerinnen. Schnell wurde klar: Es ist nicht die Technik selbst, die Skepsis auslöst, sondern das Gefühl mangelnder Sicherheit.Nach vielen Jahren in der freien Wirtschaft entschied sich Schuß, an der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) in der interdiszplinären Human-Computer Interaction Group bei Professor Andreas Riener zu promovieren. Bei der Themenwahl ließ man ihr freie Hand – eine Freiheit, die Schuß zu nutzen wusste. Sie wollte automatisiertes Fahren und Gendertheorie zusammenbringen, eine Kombination, die es bisher kaum gab. Mit diesem Ansatz leistete sie Pionierarbeit und schloss eine Forschungslücke.
In ihrer partizipativen Forschung ging sie der Frage nach, was Frauen brauchen, um sich in einem autonomen Bus wohl und sicher zu fühlen. Obwohl die teilnehmenden Seniorinnen wenig technisches Vorwissen hatten, diskutierten sie engagiert über Sicherheit und Vertrauen im fahrerlosen Bus. Gemeinsam mit UX-Studierenden skizzierten sie in kreativen Sessions Ideen für den Fahrzeuginnenraum autonomer Shuttle-Busse. Daraus formulierte Schuß dann konkrete Vorschläge für die Gestaltung von Fahrerlebnissen, die auf den Bedürfnissen und Anliegen der Frauen basieren. Ihr Ziel: ein menschzentrierter, iterativer Designansatz, der eine Brücke zwischen Informatik und Kreativtechnik schlägt.
Für Martina Schuss war diese Schnittstellenarbeit nicht immer einfach. Als Ingenieurin in der Mensch-Maschine-Forschung mit einem besonderen Fokus auf Genderfragen und Interkulturalität hatte sie oft das Gefühl, sich zwischen zwei Welten zu bewegen, ohne in eine der beiden ganz hineinzupassen – doch gerade dieses besondere Profil machte sie erfolgreich. Auf der renommierten International ACM Conference on Automotive User Interfaces and Interactive Vehicular Applications erhielt sie für ihre Forschung einen Best Paper Award. Doch die Themen, die sie bewegen, gehen weit über technische Konzepte hinaus. Martina Schuß ist in Tschechien als Kind einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen und weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, marginalisierte Gruppen sichtbar zu machen. Ihr Anliegen ist es, Menschen mit Mehrfachbenachteiligungen im Bereich des autonomen Fahrens eine Stimme zu geben.
Jetzt, nach erfolgreicher Promotion, gönnt sie sich eine Auszeit, die sie nutzen möchte, um über ihre nächsten Schritte nachzudenken. Ihr Ziel? Eine HAW-Professur, denn die Arbeit mit Studierenden inspiriert sie: „Ich möchte junge Menschen ermutigen, neue Wege zu gehen und Themen zu verknüpfen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen“, sagt sie lächelnd. „So gestalten wir eine lebenswerte Zukunft für alle.“
BU: Promotion geschafft: Martina Schuß (r.) und ihr Doktorvater Professor Andreas Riener (Foto: THI).
Pressestelle/THI
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