Wo bleiben die Frauen?
Kommentar von Hermann Käbisch
Wenn nichts dazwischen kommt, wird in einem halben Jahr in Ingolstadt ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Der Amtsinhaber Christian Scharpf geht bekanntlich (und vermutlich vorzeitig) nach München, steht jedenfalls nicht mehr zur Verfügung.
Es muss ein Nachfolger gewählt werden und das könnte eine Frau sein. Dafür spricht zunächst, dass seine bisherigen Stellvertreterinnen, also die Zweite und die Dritte Bürgermeisterin bereits Frauen sind und somit über einen großen Bekanntheitsgrad verfügen. Dorothea Deneke-Stoll (CSU) und Petra Kleine (Grüne) muss man also zu den möglichen Kandidatinnen zählen.
Petra Kleine könnte vom “Wahlbündnis-Scharpf” nominiert werden. Das besteht aus SPD Grünen, der Linken, ÖDP und UWG. Diese Parteien unterstützten bei der Stichwahl im Jahre 2020 Christian Scharpf und verschafften ihm eine Mehrheit. Wie man allenthalben hört, haben die genannten Parteien die Absicht, einen gemeinschaftlichen Kandidaten beziehungsweise eine Kandidatin zu finden. Das könnte Petra Kleine sein. Die hat bereits ausreichend Wahlkampferfahrung. Ob sie aber auch Wähler der bürgerlichen Mitte für sich gewinnen kann? Daran wird wohl im eigenen Lager gezweifelt. Man sucht dort noch.
Dorothea Deneke-Stoll genießt über die Parteigrenzen hinweg im Stadtrat und bei den Bürgern hohes Ansehen. Sie hat erkennen lassen, dass sie als Kandidatin zur Verfügung stehen könnte. Die ehemalige Direktorin der Amtsgerichte Neuburg und Ingolstadt war auch Präsidentin der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Sie verfügt also über viel Führungserfahrung. Aufgrund ihrer hervorragenden Arbeit wurde ihr der Bayerische Verdienstorden verliehen. Mit dieser Kandidatin wäre der CSU bei der Wahl des Oberbürgermeisters der Sieg kaum zu nehmen. Als Frau und wegen ihres unaufgeregten, sachlichen Stils könnte sie auch bei den bisherigen Scharpf-Wählern (das waren bei der Stichwahl im Jahr 2020 knapp 60 Prozent) auf Stimmen hoffen. Sie ist aber kein typischer CSU-Hardliner (“Mir san mir und mir ham immer recht“) und das passt einigen um Albert Wittmann, dem politisch wieder erwachten Christian Lösel und der Ingolstädter Parteiführung nicht. Daher wird Lösel jetzt in der Partei von einigen der rote Teppich ausgerollt. Und Horst Seehofer, der immer öffentlich verkündet, er habe mit Politik nichts mehr am Hut, ist offensichtlich der Strippenzieher für die Männerriege um Wittmann und Lösel. Seehofer hat wohl als damaliger Bundespolitiker aus der Ferne nicht mitbekommen, wie die Ingolstädter CSU sich mit diesen Männern an der Spitze ins politische Verderben stürzte. Seine Wahrnehmung der örtlichen Verhältnisse erachten einige in der CSU als getrübt.
Dabei hätte die CDU noch eine andere Frau, die weiß, wie man Wahlen gewinnt: Christina Hofmann. Die frisch gewählte Bezirksrätin (sie wurde von ihrer Fraktion im Bezirkstag gleich zur Fraktionsgeschäftsführerin gekürt) machte bereits als Stadtratskandidatin Furore. Bei der Kommunalwahl im Jahre 2008 trat sie auf dem aussichtslosen Platz 31 der CSU-Liste an und wurde von den Wählern um 11 Plätze nach oben „gehäufelt“, so dass sie doch Stadträtin wurde. Bei der nächsten Wahl im Jahre 2014 startete sie auf Platz 19 der Liste und landete auf Rang 7 und damit wieder im Stadtrat. Als eine “Stimmenkönigin” der CSU wäre auch sie eine Kandidatin, die der CSU den OB-Sessel zurückerobern könnte. 2020 trat die stellvertretende Schulleiterin bei der Kommunalwahl nicht an. Die offizielle Begründung war Rücksicht auf die Familie. In und außerhalb der Partei verstummten aber die Gerüchte nicht, dass sie mit dem Führungsstil von Lösel und Wittmann nicht zurechtkam.
Man darf gespannt sein, wer sich im Richtungsstreit innerhalb der CSU durchsetzt: Das “Altherrenteam” um Seehofer und Wittmann mit dem Kandidaten Lösel oder die “neue”, offenere CSU mit einer vielleicht weiblichen Kandidatin.
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- Ingolstädter Rathaus: Hartmann