Beziehungsgewalt enttabuisiert
Präventionsangebot des Caritas-Frauenhauses feiert zehnjähriges Jubiläum
„Wir wollen, dass es so früh wie möglich Angebote zur Prävention häuslicher Gewalt gibt und dass junge Menschen so früh wie möglich entsprechende Warnsignale und Handlungsmuster erkennen.“ Mit diesen Worten begründet die Leiterin des Caritas-Frauenhauses Ingolstadt, Andrea Schlicht, weshalb die Einrichtung im Jahr 2013 das Programm „Präventionsangebote an Schulen im Bereich häusliche Gewalt / Gewalt in den ersten Teenagerbeziehungen“ (PräGe) ins Leben rief. Genau genommen feiert dieses Programm heuer ihr zehnjähriges Jubiläum, denn 2020 fand es aufgrund personeller Veränderungen und dann wegen Corona nicht statt.
Bisher 4.400 Schülerinnen und Schüler beteiligt
„Bisher haben sich rund 4.400 Schülerinnen und Schüler daran beteiligt, etwa zur Hälfte jeweils Mädchen und Jungen, in allen Klassen ab der 7. Jahrgangsstufe, auch an Berufsschulen“, informiert die Frauenhausleiterin. Die Verantwortlichen stellen immer wieder eine Unwissenheit bei jungen Menschen bei diesem Thema fest. „Viele sehen es zum Beispiel als normal an, Kontrolle statt Vertrauen walten zu lassen: zum Beispiel, indem sie das Handy des Partners oder der Partnerin kontrollieren – oft aus Eifersucht heraus“, erfährt Miriam Göbbel, zuständige Mitarbeiterin für das Programm. Doch nahezu alle zeigten sich dankbar „für unser Angebot, in ihrem Unterricht bei ihnen zu sein, ihnen Wissen zum Thema Beziehungsgewalt zu vermitteln und mit ihnen dazu in einen Austausch zu kommen. Manche Klassen möchten auch, dass wir ein zweites Mal kommen, um dann nochmals andere Aspekte zu beleuchten.“
In dem Kurs geht es Miriam Göbbel zufolge vor allem darum, die Problematik zu enttabuisieren und sie als gesellschaftliches – nicht nur privates – Thema aufzuzeigen. Auch könne man den Jugendlichen vermitteln, wohin sie sich bei Gewalterfahrungen wenden können: an Beratungslehrerinnen und –lehrer sowie die Jugendsozialarbeit an der Schule, Sozialarbeiterinnen und -arbeiter im Jugend- und Stadtteiltreff, an die Polizei unter dem Notruf 110 oder auch an das Caritas-Frauenhaus unter 0841 / 309700 oder an frauenhaus@caritas-ingolstadt.de.
Diese machen die Erfahrung, „dass sich manche wirklich gegenüber uns öffnen“. Daher sind die Mitarbeiterinnen zu zweit im Unterricht, um sowohl in der großen Gruppe aufzuklären, als auch Einzelgespräche parallel führen zu können. „Wir sind davon überzeugt, dass wir für die Problematik sensibilisieren. Mädchen und Jungen werden gestärkt, Vorboten von Gewalt zu erkennen, sich vor Gewalt zu schützen und konstruktive Konfliktlösungen zu erarbeiten“, so Miriam Göbbel. In den Schulungen könnten die Beteiligten ihre eigene Haltung bezüglich Gewalt reflektieren.
Das Projekt wurde 2017 inhaltlich erweitert. Am Anfang ging es ausschließlich um häusliche Gewalt. „Nun bieten wir auch den Schwerpunkt „Gewalt in den ersten Teenagerbeziehungen“ an, weil dies die jungen Leute in ihrer Situation konkreter anspricht“, erklärt Andrea Schlicht. Im Mittelpunkt steht der Gewaltkreislauf, also wie Gewalt entsteht. Weitere Beispiele sind der Austausch über Erwartungen an den Traumpartner oder die Traumpartnerin. Schließlich geht es darum, dass jeder und jede konkret beim Vorlesen einer Beziehungsgeschichte beurteilt, bis wohin er oder sie mitgeht und wann eine Grenze gesetzt werden soll. „Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn der Partner oder die Partnerin nicht mehr erlauben, dass man sich mit Freunden trifft“, so Miriam Göbbel. Außerdem werden die verschiedenen Gewaltarten diskutiert: von der körperlichen über psychische, ökonomische und sexualisierte bis hin zur digitalen Gewalt.
Grundsätzlich machen die Schülerinnen und Schüler nach Mitteilung der für das Programm zuständigen Mitarbeiterin sehr gut mit. Die Verantwortlichen stellen fest, dass sich viele Schülerinnen und Schüler auch sehr für das Caritas-Frauenhaus interessierten sowie für die Nöte der und Hilfen für Frauen und Kinder, die dort sind. „Meistens kommt wirklich ein Austausch zustande und nur selten verbleiben wir im Vortragsstil“, erklärt Miriam Göbbel.
Zum Großteil durch Spenden finanziert
Das Angebot „PräGe“ finanziert sich laut Andrea Schlicht zum Großteil durch Spenden, und da vor allem durch den Soroptimist International Club Ingolstadt und den Verein Goals for Kids. Doch auch der Lions Club Ingolstadt habe das Projekt schon mit Spenden unterstützt. Einen festen wichtigen finanziellen Beitrag leiste jährlich zudem die Stadt Ingolstadt. Und der Caritasverband für die Diözese Eichstätt bringe einen zehnprozentigen Eigenanteil ein. „Finanziert werden dadurch vor allem die Personalkosten sowie zu einem kleinen Teil Material- und Fahrtkosten“, informiert die Frauenhausleiterin und erklärt: „Die Finanzierung ist Gott sei Dank derzeit stabil, aber wir halten das Angebot für so wichtig, dass wir es dauerhaft fortführen wollen und wünschen uns deshalb, dass es zu einer Regelfinanzierung kommt. Wir würden uns freuen, wenn es nach zehn Jahren PräGe in diese Richtung geht.“
Foto: Miriam Göbbel (links) tauscht sich regelmäßig mit Frauenhausleiterin Andrea Schlicht über die Entwicklung des Programms PräGe aus.