Titelthema: Pisa-Schlappe für deutsche Schüler
Gerade noch Mittelmaß im Land der Dichter und Denker
Die Ergebnisse der letzte Pisa-Studie ließen aufschrecken: Deutsche Schülerinnen und Schüler fielen in ihren Leistungen gegenüber den Ergebnissen der letzten Studie weiter zurück und zeigten große Lücken. Auch wenn die erzielten Ergebnisse in Deutsch und Mathematik sich immer noch nahe am Durchschnitt bewegten, war die Verschlechterung in Mathematik um 25 Punkte deutlich höher als der durchschnittliche Leistungsabfall aller Getesteten.
In Deutsch ging es darum, die Lesekompetenz der Kinder dahingehend zu testen, ob sie in der Lage sind, die Hauptaussage eines mittellangen Textes zu erfassen. Dabei ist die Gruppe der besonders Leseschwachen von 20 auf 25 Prozent gestiegen. Bei den Schülerinnen und Schülern außerhalb von Gymnasien waren es sogar 35 Prozent, die kaum in der Lage waren den Text sinngemäß zu erfassen. Insgesamt sind die Leistungen in Deutsch bei den Getesteten um 18 Punkte gegenüber der letzten Studie gesunken. Bedenkt man, dass das Erfassen von Texten Voraussetzung für alle anderen Fächer ist, zeigt es die Misere besonders deutlich. Denn wie kann man beispielsweise Geschichte, Biologie oder Heimat-und Sachkunde lernen, wenn man nicht wirklich in der Lage ist, die Texte in den Schulbüchern zu verstehen? Insgesamt bewegen sich die Ergebnisse für Deutschland knapp am Durchschnitt der Ergebnisse der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, deren Ziel die Förderung von Wohlstand und wirtschaftlichem Wachstum zwischen den Mitgliedstaaten ist).
Mehr Basisfächer auf Kosten von Kunst, Musik und Sport
Die Pläne des Bayerischen Kultusministerium stoßen auf heftige Kritik
Das schlechteste Ergebnis deutscher Schulkinder seit Geschichte der Pisa-Studie rief auch das Bayerische Kultusministerium auf Plan. Die Gegenmaßnahmen sehen die Stärkung in den Fächern Deutsch und Mathematik in der Grundschule vor. Dafür sind mehr Stunden in den Basisfächern mit Kürzung um die entsprechende Stundenzahl in anderen Fächern vorgesehen. Wo diese gekürzt werden, obliege der jeweiligen Schulleitung. Markus Söder schränkte allerdings die Entscheidungsbefugnis sofort ein: Der Religionsunterricht bleibt unantastbar, obwohl Bayern mit drei Religionsstunden über den Durchschnitt liegt. Auch die Kirchen legten ein Veto gegen Kürzungen in Religionsunterricht ein.
Laut Hirnforschern sind Sport und Kunst die wichtigsten Schulfächer
Somit soll vor allem in Fächern wie Musik, Sport und Kunst gekürzt werden. Diese Pisa-Offensive hatte sofort heftigen Widerspruch der Fachleute zur Folge, die auf wissenschaftlich belegte Wichtigkeit dieser Fächer hinwiesen. Hirn- und Lernforscher sowie Entwicklungspsychologen belegen, dass Musik und Singen die sprachliche Verarbeitung fördere. Stellvertretend wird der Neurologe Professor Eckart Altenmüller zitiert, der auf den direkten Zusammenhang zwischen Musikunterricht und einer längeren Konzentration, aber auch weniger Rechtschreibfehler und bessere Lesekompetenz hinweist. Ginge es nach Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik, sollte man der Kunst, Musik und Sport sogar einen noch höheren Stellenwert im Unterricht einräumen. Dies seien die Fächer, in denen Kinder Kooperation und Reflexion lernen, ihre Persönlichkeit sowie Kreativität entwickeln. Damit werden wichtige Voraussetzungen für Zukunftsfähigkeit geschaffen.
Die Schulkinder im Blick
Allerdings ist es entscheidend, die Kinder nicht nur auf die Leistungen zu reduzieren, sondern sie in ihrer Gesamtheit wahrzunehmen, um sie entsprechend zu fördern.
Der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz fordert weniger Leistungsdruck: „Schule sollte ein Ort des Lernens und persönlicher Entfaltung, nicht von Angst und Stress sein.“ Auch Andreas Schleicher, Bildungsdirektor der OECD kritisiert, dass Lehrer an deutschen Schulen viel zu wenig Gelegenheit hätten, jungen Leuten zu helfen, ihren Weg zu finden, denn die Schule von heute, sei die Gesellschaft von morgen. Auch der Bildungsforscher Tobias Rahm betont: „Menschen mit hohem Wohlbefinden sind kreativer und produktiver, können besser Probleme lösen und haben höhere Widerstandskraft gegen psychische Beanspruchung.“
Schule der Zukunft: von den Besten lernen
Was machen Länder, die in PISATest Spitzenleistungen erzielten anders? Es fällt auf, dass diese den Fokus auf hohe Qualifikation und Wertschätzung der Lehrer, gute Ausstattung sowie Förderung von Kreativität legen. So beispielsweise Singapur, das sich sehr schnell auf einen Spitzenplatz hochgearbeitet hat: sie investieren viel in Qualifikation der Lehrkräfte und großzügige Ausstattung der Schulen. Jede Schule erhalte jährlich 10.000 Dollar für innovative Projekte. Damit werden beispielsweise Kreativwerkstätte ermöglicht, da man die Wichtigkeit und Potential der Kreativität für Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit erkannt hat.
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Kommentar
Beten für gute Noten
Die Notwendigkeit, am schlechten Abschneiden der Kinder etwas zu ändern, wird kein Mensch in Frage stellen. Ob allerdings alleine das Jonglieren der Stunden tatsächlich für eine grundlegende Besserung geeignet ist, darüber sollte ernsthaft nachgedacht werden. Der Schulalltag ist durch Ressourcenmangel geprägt. Dem Deutsche Schulportal der Robert-Bosch-Stiftung ist zu entnehmen, dass bei 73 Prozent der Schulkinder der Unterricht 2022 durch fehlende Lehrer beeinträchtigt war. (2018 waren es 57 Prozent).
Daran müsste gearbeitet werden, denn ohne ausreichender Anzahl gut ausgebildeter Lehrkräfte helfen keine aufgestockten Stunden. Da spielt es auch keine Rolle, wie viele Stunden der Religionsunterricht beträgt. Wenn man an den grundlegenden Voraussetzungen in Bayern nichts ändert, dann hilft wohl nur Beten für gute Noten.