Vor 100 Jahren: Stadttheater zwischen Erfolg und Ungewissheit
Das Stadttheater Ingolstadt ist künstlerisch äußerst erfolgreich. Dennoch ist es nicht unumstritten, wie die Ablehnung der Kammerspiele am vorgesehenen Platz bewiesen hat. Teile der Bevölkerung und des Stadtrats stehen dem Theater durchaus nicht wohlwollend gegenüber. Die Problematik ist nicht unbekannt. Bereits vor 100 Jahren, im Mai 1923, war es ähnlich. Da berichtete die „Freie Presse“ zunächst über die erfolgreiche Aufführung einer Operette:
„Die Bajadere, Operette in drei Akten von E. Kalmann. Die Spielzeit nähert sich ihrem Ende. Das Haus weist an gewöhnlichen Tagen fühlbare Lücken auf. Am Himmelfahrtstage war es allerdings bis zum letzten Plätzchen besetzt. Und die gekommen waren, hatten es nicht zu bereuen. Sie erlebten eine künstliche Tat, wie man sie freilich unter der Direktion Arnim nicht selten buchen durfte. Diesmal kam die Operette mit einem großen Erfolg heraus.
Die Operette ist im letzten Jahr in der künstlerischen Entwicklung etwas zurückgeblieben. Das lag an der Spielleitung. Matras war als Operettenspielleiter engagiert. Es erwies sich aber nach einigen Wochen, dass seine Kraft dazu bei weitem nicht ausreicht….“ Die Bajadere“ hat nun Fritz Diestel als ast in Szene gesetzt. Diestel hat in den ersten zwei Jahren der Direktion Arnim die Operette geleitet. Schade, dass er dem Ensemble nicht erhalten geblieben ist. Was sein Verlust bedeutete, trat bei der Bajadere-Aufführung wieder mit aller Deutlichkeit in Erscheinung. Das war eine ganze, abgerundete Leistung. Jede Einzelheit mit kluger Voraussicht bedacht…. Keine Konzession an lächerlicher Geschmacklosigkeit und doch ein netter, rauschender Heiterkeitserfolg vom Anfang bis zum Ende… Gansereich hat mit dieser Musik wieder eine glänzende Probe seines Könnens abgelegt. Die Art, wie er zum Beispiel die Jimmy Musik verulkte, war unbezahlbar… Das Publikum war von der „Bajadere“ entzückt. Diese Begeisterung galt nicht nur dem an und für sich sehr liebenswürdigen Werk, sondern in erster Linie wohl der Art, wie es hier herausgebracht wurde. Es ist denn wieder der Beweis geliefert, dass auch eine kleine Bühne unter zielbewusster, künstlerischer Leitung etwas Gutes bieten kann.“
Nach diesem uneingeschränkten Lob für das heimische Ensemble blickt der Berichterstatter mit sorgenvoller Miene auf die Politik, die wohl im Jahre 1923 Zweifel am Fortbestand des Stadttheaters erkennen ließ. So heißt es im Artikel weiter:
„Wie werden sich die Dinge in Zukunft auf unserem Theater entwickeln? Der Stadtrat erschöpft sich in der Theaterfrage in Geheimsitzungen. Zweckmäßiger wäre es wohl, er würde alle unmöglichen Kombinationen aus dem Auge lassen und daran denken, was seit dem Jahr 1920 aus unserem Theater geworden ist.“
Das ist ein Artikel aus der aktuellen Print-Ausgabe…
Bildinformationen
- Herz der Stadt: Stadttheater: Claus Woelke