Titelthema: Ein Dorf kapituliert – Zuwanderungen bleiben auf hohem Niveau
Das 650-Einwohner-Dorf Peutenhausen im Kreis Neuburg-Schrobenhausen ist in aller Munde. Bundesweit haben Zeitungen über die Gemeinde und ihr oft als solches betiteltes „Flüchtlingsproblem“ berichtet. Der Bürgermeister Alfred Lengler (CSU) hatte verkündet, vermehrt gegen die Geflüchteten in Peutenhausen vorgehen zu wollen, nachdem sich mehrere Einbrüche und Übergriffe im Ort ereignet hatten, die unmittelbar auf Geflüchtete zurückzuführen waren. In Peutenhausen leben aktuell mehr als 50 Geflüchtete in zwei verschiedenen Unterkünften. Diese möchte der Bürgermeister nun schließen und hat die im Eigentum der Gemeinde befindlichen und ans Landratsamt vermieteten Unterkünfte gekündigt. Bis zum Frühjahr 2024 bleiben sie noch bestehen. Laut zahlreichen Berichten ist die Stimmung unter der anfangs noch hilfsbereiten Dorfbevölkerung mittlerweile gekippt. Es wird berichtet, dass die Bevölkerung sich nicht mehr sicher fühle. Vergangene Woche wurden bei einer mutmaßlich rechtsradikalen Aktion vor der Gemeinschaftsunterkunft in Peutenhausen drei Tatverdächtige festgenommen, die Plakate mit ausländerfeindlichen Parolen enthüllt hatten.
Die Einwanderungszahlen nach Deutschland bleiben weiterhin auf einem hohen Niveau – so auch in Ingolstadt, wo die Zuwanderungszahlen im Jahr 2022 ein Jahrzehntehoch erreicht haben. Dass es keine Lösung ist, jetzt als Dorf die Aufnahme von Geflüchteten zu boykottieren, liegt auf der Hand. Peutenhausen ist auch bei weitem nicht der einzige Ort, in dem Behörden und Politik der Lage nicht gerecht werden können. Aber was kann getan werden?
Erstmal ein paar Grundlagen:
Wie wird überhaupt bestimmt, welche Orte wie viele Geflüchtete aufnehmen sollen? Bundesweit wird hierfür der sogenannte Königsteiner Schlüssel angewandt. Er legt fest, mit welchem Anteil die einzelnen Bundesländer sich an gemeinsamen Projekten beteiligen müssen und wird aus dem Steueraufkommen sowie der Bevölkerungsanzahl berechnet. Bayern liegt mit 15,56 Prozent hinter Nordrhein-Westfalen an zweiter Stelle. Innerhalb des Freistaats regelt die Asyldurchführungsverordnung die Verteilung.
Entwicklung der Bevölkerung in Ingolstadt
In Ingolstadt zeigt sich der bundesweite Trend der Bevölkerungsentwicklung ganz besonders. Die Statistik „Bevölkerungsentwicklung bis 2022“ vom Hauptamt Statistik und Stadtforschung Ingolstadt erlaubt einen detaillierteren Einblick. So beschreibt zum Beispiel der Wanderungssaldo die Differenz zwischen Zu- und Wegzügen. Im Jahr 2022 betrug sie unter Ausländer/innen 4.118, vergleichsweise hohe Zahlen gab es zuletzt in den Jahren 1989 und 1990, als viele Spätaussiedler nach Deutschland kamen. Deutsche zogen in Ingolstadt tendenziell eher weg, hier belief sich der Wanderungssaldo auf -1.096. Dass die Zahl im Jahr 2022 so sprunghaft nach oben schoss, ist zurückzuführen auf die große Anzahl an Geflüchteten aus der Ukraine. Vergangenes Jahr kamen 1.310 Menschen aus der Ukraine nach Ingolstadt. Da der Krieg in der Ukraine weiter andauert, ist vorerst nicht damit zu rechnen, dass die Anzahl der flüchtenden Menschen signifikant abnimmt. Auch das verheerende Erdbeben in der Türkei und Syrien am 6. Februar könnte die Zahl weiter steigen lassen, da Gebiete der Türkei, in denen bislang syrische Geflüchtete untergekommen waren, so stark zerstört sind, dass man dort nicht mehr leben kann.
Da auch jetzt schon Städte und Dörfer wie Peutenhausen an ihre Grenzen kommen und auch die Abneigung gegen Geflüchtete weiter zunimmt, muss an den Voraussetzungen geschraubt werden. Das Kriegsgeschehen ist wenig zu beeinflussen, die Gegebenheiten in Deutschland jedoch schon.
Was kann getan werden?
Als großes Problem nennen viele Ehrenamtliche die Bürokratie, die bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche, sowie beim Beantragen von Asylleistungen oder Aufenthaltstiteln eine zeitaufwändige Hürde ist. Die Zeit fehlt dann dafür an anderer Stelle: bei der Integration. Besonders wichtiger Bestandteil von Integration ist Teilhabe. Die kann zum Beispiel auch durch Arbeit erreicht werden. Ein Problem hierbei ist, dass für Personen, die während der ersten Phase des Asylverfahrens für bis zu 18 Monate verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, bundesweit ein generelles Arbeitsverbot gilt. Das erschwert die frühzeitige gesellschaftliche Integration enorm.
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Kommentar
Belastungsgrenze oft überschritten
Es gibt zu viele Geflüchtete für zu wenig Raum und Personal und das wenige Personal arbeitet auch noch vermehrt ehrenamtlich. An dieser Stelle kann und sollte angesetzt werden. So sehr die freiwillige Hilfe auch zu schätzen ist, sie sollte auch entlohnt werden, gerade wenn man bedenkt, wie viel Zeit und Energie die Helfer/innen investieren. Mittlerweile mussten viele ehrenamtliche Helferkreise aus diesem Grund sogar ihre Tätigkeit einstellen, sie können der Belastung schier nicht mehr standhalten. Dieses „nicht mehr Herr der Lage sein“, mit allem, was dazu gehört, spielt auf der anderen Seite auch denen in die Karten, die das Problem gerne auf die Geflüchteten schieben, die alle über einen Kamm scheren und die gar nicht sehen wollen, dass „die Flüchtlinge“ eben keine willenlose Masse sind, sondern dahinter abertausende Individuen mit eigener Geschichte stehen.
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