Bürgerbegehren „Keine Kammerspiele an der Schutterstraße“ – offener Brief an OB
Bürgerbegehren „Keine Kammerspiele an der Schutterstraße“
Offener Brief an Oberbürgermeister Dr. Christian Scharpf
Antwort auf Ihren veröffentlichten Brief vom 14.06.22 an uns
Sehr geehrte Herr Dr. Scharpf,
zuerst einmal vielen Dank, dass Sie sich persönlich zum Thema und zur aktuellen Situation äußern. Dazu wollen wir im Folgenden Stellung nehmen.
Generell sind aus Sicht der Stadt zwei Aspekte zu berücksichtigen:
1. Pflicht zum ordnungsgemäßen Ablauf des rechtsstaatlichen Verfahrens „Bürgerbegehren/Bürger- entscheid“
2. Interesse an der Umsetzung des eigenen Stadtratsbeschlusses
Im konkreten Fall „Kammerspiele“ gab es mehrere verschiedene Möglichkeiten mit unserem Bürger-
begehren umzugehen, wobei auf drei eingegangen werden soll:
1. Akzeptieren des Bürgerbegehrens
2. Ablehnen des Bürgerbegehrens und Beschluss eines Ratsbegehrens
3 Akzeptieren des Bürgerbegehrens und Entgegenstellen eines Ratsbegehrens
zu 1. Akzeptieren des Bürgerbegehrens
Wenn sich innerhalb sehr kurzer Zeit ca. 6.000 Bürger gegen einen Stadtratsbeschluss positionieren, dann könnte man das einfach akzeptieren und einen Bürgerentscheid durchführen. Es kann mit den Initiatoren ggf. eine einfachere Frageformulierung diskutiert und vereinbart werden. Die Stadt und die Initiatoren stimmen sich dann über eine gleichberechtigte, sachliche Information in Richtung Bürgerschaft ab. Es wird ein Bürgerentscheid durchgeführt.
Es kann aber auch ein umfangreiches Gutachten erstellt werden, das von einem normale Stadtrats- mitglied nicht beurteilen kann, und als Fazit das Bürgerbegehren als unzulässig erklärt werden. Den Initiatoren wird dabei keine Gelegenheit gegeben, Stellung zu den Kritikpunkten im Gutachten zu nehmen, um den Stadtrat eine abwägende Entscheidung zu ermöglichen. Hier hätten von uns sehr gute Argumente vorgebracht werden können. Die Rechtsprechung geht im Übrigen davon aus, dass bei Bürgerbegehren normale Bürger eine Initiative ergreifen und juristisch perfekte Formulierungen nicht notwendig sind.
zu 2. Ablehnen des Bürgerbegehrens und Beschluss eines Ratsbegehrens (aktueller Stand)
Die Frage, die sich hier stellt, ist, warum wählt man diese Möglichkeit anstatt Möglichkeit 1. Die Fra- gestellung an die Bürger, ob sie die Kammerspiele an der Schutterstraße haben wollen, ist absolut inhaltlich identisch.
Durch dieses Vorgehen wird die Initiative des Bürgerbegehrens komplett aus dem rechtsstaatlichen Verfahren gedrängt. Das Bürgerbegehren hat nichts mehr zu sagen, es ist keine „Partei“ mehr im nachfolgenden Ablauf. Es darf z.B. nicht einmal plakatieren werden und es können auch bei „Regel- verstößen“ der Stadt keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden. Hier kann man berechtigterweise vermuten, dass das Interesse an der Umsetzung des eigenen Stadtratsbeschlusses der Grund ist, so vorzugehen.
zu 3. Akzeptieren des Bürgerbegehrens und Entgegenstellen eines Ratsbegehrens
Bei dieser Variante bleibt das Bürgerbegehren „Partei“ im rechtsstaatlichen Verfahren. Jedoch darf die Stadt über ihr Ratsbegehren informieren, ohne der Initiative des Bürgerbegehrens gleichberech- tigten Raum einräumen zu müssen. Die Stadt darf aber inhaltlich nicht über bloße Informationen und fachliche Bewertungen hinausgehen. Grob unsachliche, polemische oder gar falsche Sachver- haltsdarstellungen dürfen nicht enthalten sein. Die Stadt darf sich nicht mit einer eindeutigen, un- mittelbaren Abstimmungsempfehlungsich an die Abstimmenden wenden (siehe VG Würzburg, Be- schluss v. 22.07.2019 – W 2 E 19.849).
Dieses Vorgehen hat zur Konsequenz, dass – wie aktuell beim „Grünring“ – drei Fragen zum gleichen Thema gestellt werden müssen. Das ist völlig verwirrend für die Abstimmenden.
Wir sind außerdem der Meinung, dass ein Ratsbegehrens, das von der Fragestellung dem Bürgerbe- gehren her identisch ist, rechtlich nicht zulässig ist. Das Ratsbegehren muss eine eigenständige, deutlich andere Alternative sein. Ansonsten wird mit drei Fragen, die Abstimmung äußerst kompli- ziert und die Rechte des Bürgerbegehrens (siehe Alternative 1) werden bewusst ausgehebelt.
Fazit:
Warum tut sich die Stadt Ingolstadt mit direkter Demokratie so schwer? Mit ihrem Vorgehen provo- ziert die Stadt regelmäßig Rechtsstreite auf Zulassung eines Bürgerbegehrens und im vorliegenden Fall zusätzlich auch – wegen der Inhaltsgleichheit – einen Rechtsstreit wegen der Zulässigkeit des Ratsbegehrens. 6.000 Bürger, die sich demokratisch engagieren und persönlich keinen Vorteil von einem Nichtbau der Kammerspiele haben, sondern denen das Wohl dieser Stadt am Herzen liegt, werden vor den Kopf gestoßen. Politisches Engagement wird immer gefordert und dann mit Füßen getreten. Hier einfach das Interesse an der Umsetzung des Stadtratsbeschlusses in den Vordergrund zu rücken, vielleicht sogar beleidigt sein, weil der eigene Beschluss kritisiert wird, ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Lassen Sie uns einfach die Bürger auf Grundlage eines Bürgerbegehrens mit der folgenden einfachen Frage entscheiden:
„Sind Sie dafür, die Kammerspiele an der Schutterstraße zu bauen?“
Mit freundlichen Grüßen
Franz Appel, Ralf Bauernfeind und Armin Herker