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Durch eine E-Mail hat sich das wohl größte private Hilfsprojekt Ingolstadts entwickelt
Alles begann mit einer E-Mail. Ein paar Sätze, geschrieben mit einer Mischung aus Wut, Verzweiflung und verbunden mit einem Hilfeaufruf. Anna Demchenkohatte längst nicht die Welle erwartet, die sie damit lostreten würde. Doch die E-Mail, die die gebürtige Ukrainerin wenige Tage nach dem Kriegsbeginn an ihre Audi-Kollegen verschickte, stieß auf ein breites Echo. Wieder und wieder wurde die Mail weitergeleitet. Sie hatte eine Lawine losgetreten. Eine Lawine der Anteilnahme und der Hilfsbereitschaft. „Ich wurde dann auf zehn verschiedenen Kanälen angeschrieben und kontaktiert“, sagt Demchenko. Für sie war das nicht mehr zu bewältigen.
Schnell fanden sich sechs weitere Audi-Kollegen. Sie bilden das Kernteam des Bündnisses „Audianer helfen der Ukraine“. Dazu kommen noch viele freiwillige Helfer. Das Engagement zahlt sich aus. Inzwischen hat sich daraus eines der größten privaten Hilfsprojekte der Ingolstädter Region entwickelt.
Bereits vier Tage nach der E-Mail füllten die Audianer einen ersten Lastwagen. „Wir hatten 1300 Pakete gesammelt“, erinnert sich Christopher Broeker. Mit einer Menschenkette beluden sie den Lastwagen. „Wir merkten jedoch schnell, dass wir eine Lagerhalle brauchen würden“, sagt Jasmin Wehling. In der Borsigstraße 8 wurden sie fündig. Per Zufall bekamen sie dort eine Lagerhalle kostenlos angeboten.
Sowieso spielte der Zufall häufiger eine Rolle. Ein Kollege hatte Verbindungen zu „Round Table“. Dadurch wurde ihre Lagerhalle kurzerhand zum Standort Süddeutschland des Serviceclubs aufgewertet. Somit wurde Ingolstadt an das Konvoi-Netzwerk angeschlossen. Das bringt erhebliche Erleichterungen bei der Logistik der Hilfsgüter.
In der Anfangszeit fuhren wöchentlich ein bis zwei Konvois, gefüllt bis unter das Dach mit Hilfsgütern aus Ingolstadt, in die Ukraine. „Allerdings merken wir nun, dass der Spendenzufluss deutlich nachlässt“, bedauert Broeker. Dabei würden die Menschenmehr denn je dieHilfsprodukten benötigen. In erster Linie Hygieneartikel, haltbares Essen und Babynahrung. „Am wichtigsten sind allerdings Medikamente, von Schmerzstillern über Fiebersäfte und alles zur Wundversorgung. Das können sogar Inhalte abgelaufener Verbandskästen sein“, sagt Wehling. „Wir haben eine Excel-Liste online gestellt, die täglich angepasst wird. Somit können wir auf den Bedarf rasch reagieren“, sagt Broeker.
Inzwischen wurde das Projekt der Audianer auch verbessert. Die Prozesse optimiert. Auf einer Bank stehen offene Kartons, die kategorisiert und beschriftet sind. Sind diese Pakete gefüllt, werden sie verpackt, auf Paletten gestapelt. Hat diese Palette eine Höhe von rund zwei Metern, wird diese für den LKW-Versand vorbereitet. So geht nichts verloren und kommt eins zu eins in der Kriegsregion an. Wieviele Pakete wurden bislang von Ingolstadt verschickt? Broeker zuckt mit den Schultern. „Nach dem ersten Laster habe ich aufgehört zu zählen“, sagt er. Es dürften etliche Tonnen sein.
Das ehrenamtliche Engagement der Audianer zieht weite Kreise. Die Gruppe arbeitet in der Zwischenzeit mit der Stadt Ingolstadt zusammen, unterstützt bei der Vermittlung von Wohnungen und plant bereits weitere Projekte. Eine riesige Solidarität und Hilfsbereitschaft haben sie initiiert. Und alles begann mit einer E-Mail.
Das Hilfsprojekt
Die Lagerhalle des Hilfsbündnisses „Audianer helfen der Ukraine“ und damit die Annahmestelle der Hilfsspenden für die Ukraine befindet sich in der Borsigstraße 8, in Ingolstadt. Weitere Informationen und die Excel-Liste mit den aktuell benötigten Hilfsmitteln finden Sie unter www.audianerhelfenderukraine.de.
Ein Artikel der IN-direkt Print Ausgabe
Bild: Hilfsprojekt Audi Ukraine – Foto: IN-direkt