Viel Leerstand, wenig Einzelhandel – Innenstadt im Wandel
Viel Leerstand, wenig Einzelhandel
Konkurrenz wie Westpark und Village setzen der Ingolstädter Innenstadt zu – Vorsitzender von IN-City beklagt auch mangelnde Unterstützung der Politik
Die Innenstadt hat viel zu bieten. Die Häuser mit ihren gestäbten und getreppten Giebeln, Verzierungen und Ornamenten, sind noch heute ein Zeugnis aus der reichen Vergangenheit und Geschichte der Stadt. Ein Spaziergang bietet ein Mix aus Kunst, Kultur, Gastronomie und Einkaufen. „Die Innenstadt ist ein Ort der Begegnung des Verweilens und Erlebens“, sagt Thomas Deiser, Vorsitzender von IN-City. „Diese Mischung kann in meinen Augen kein steriles Einkaufszentrum oder Supermarkt bieten.“ Allerdings wird diese besondere Kombination immer weniger so gesehen – vor allem nicht von Menschen, die lediglich einkaufen wollen. „Es gibt jede Menge Anfragen hinsichtlich Einzelhandelsniederlassungen in Ingolstadt“, sagt Deiser. „Aber eben nicht in der Innenstadt.“ Gefragt sind Flächen, die rechteckig und ebenerdig seien und 200 Parkplätze vor der Türe hätten. „Die Innenstadt kann das nicht leisten“, sagt Deiser.
Vor allem die Bekleidungsindustrie tut sich in Ingolstadt schwer. Während global agierende Geschäfte, wie s’Oliver, Esprit, CCC Shoes, C&A und letztlich auch der Galeria Kaufhof schnell ihre Filialen in Ingolstadt aufgaben, waren kleinere Bekleidungsgeschäfte resilienter. „Sie sind oftmals inhabergeführt, agieren kundenorientierter und unabhängig von der Gewinnerwartungshaltung großer Handelskonzerne“, sagt der Wirtschaftsreferent der Stadt Ingolstadt, Georg Rosenfeld. „Ihre Zukunft hängt sehr davon ab, ob sie es schaffen, ihre lokale Stärke und Kundenbeziehung auch digital auf- und auszubauen und so weiterhin sichtbar für ihre Kunden zu bleiben.“
Deshalb brauche die Innenstadt auch die Politik, fordert Deiser. Aber da sieht er Defizite „Es gibt politische Bestrebungen den Autofahrern den Zugang zur Innenstadt zu erschweren, beispielsweise die Anzahl der Parkplätze zu verringern. Davor warne ich sehr“, sagt Deiser. Die Politik dürfe den Besuchern nicht vorschreiben, wie er in die Innenstadt kommen soll. Ansonsten würde das Ziel, die Leerstände zu reduzieren, nicht erreicht. „Das Thema Innenstadt steht ganz oben auf der Agenda der Stadt“, sagte Rosenfeld. Trotzdem gelte: „Die Reduktion von Parkgebühren allein führt nicht zu mehr Frequenz, wenn die Attraktivität der Innenstadt nicht gegeben ist.“
Eine lebendige und lebenswerte Innenstadt: Das hat sich der 1996 gegründete Verein IN–City zum Ziel gesetzt. Dafür wurde das Leerstandsprogramm „Cityfreiraum Ingolstadt“ initiiert. „Wir haben seit 2013 bereits über 35 Leerstände befüllt“, sagt Deiser. Vor allem im Bereich der Gastronomie fruchtete die Initiative. Künftig soll aber nach Vorstellung von IN-City der Einzelhandel gegenüber anderen Branchen noch mehr bevorzugt werden.
Die Marschroute sei laut Rosenfeld klar: „Die Innenstadt als Erlebnisraum ist das Ziel. Wohnen und Arbeiten, Gastronomie und auch Kultur in der Innenstadt können zu einer Belebung führen, die letztlich auch dem Einzelhandel nutzt.“ Die Mischung macht es also.
Ein Artikel aus der IN-direkt Print Ausgabe. https://issuu.com/in-direkt/docs/2022_kw_09_in-direkt-web