Uns sind da die Hände gebunden – Interview mit Jürgen Arnold
Ein Beitrag aus der aktuellen IN-direkt Printausgabe
Halbzeit für die Deutsche Eishockey Liga und den ERC Ingolstadt. Wir haben mit Jürgen Arnold gesprochen, der sowohl Beiratsvorsitzender des ERC als auch Aufsichtsratsvorsitzender der DEL ist.
Jürgen, der ERC Ingolstadt hat die erste Hälfte der Saison hinter sich gebracht, wie lautet dein Fazit, wie zufrieden oder unzufrieden bist du?
Ich kann die Frage in der Summe nur mit sehr zufrieden beantworten. Wir befinden uns in den letzten 20 Spielen unter den Top 3 der Liga und sind aktuell nur wenige Punkte von der Tabellenspitze entfernt, auch wenn die Tabelle wegen der unterschiedlichen Anzahl von Spielen etwas verschoben ist. Also, ich bin zufrieden. Alles Andere würde der Leistung des gesamten Teams nicht gerecht werden.
Der Saisonbeginn war eher durchwachsen, wir haben lange Zeit das attraktive Hockey der letzten Saison vermisst. Seit dem Heimspiel gegen Berlin wirkt die Mannschaft gefestigt und spielt auch offensiv wieder attraktiver. Gibt es aus deiner Sicht belegbare Gründe für diesen Umschwung?
Wir haben vor allem nicht erfolgreich gespielt. Wir haben vorne zu wenig Tore geschossen und hinten zu viele bekommen. Es wurden zu viele individuelle Fehler gemacht und korrekterweise muss man hinzufügen, dass die Torhüterleistungen der ersten Spiele nicht annährend auf dem Level waren, auf dem sie jetzt sind.
Trotz der Aussage, die Ministerpräsident Markus Söder im September beim Besuch des ERC getroffen hat, es werde keine Geisterspiele mehr geben, ist die DEL genau dort wieder gelandet. Wie sehr ärgert dich das?
Es gab offenbar aufgrund der hohen Belegungszahlen bei Intensivbetten Handlungsbedarf. Im Vordergrund muss immer die Gesundheit der Menschen stehen. Allerdings hat uns die Entscheidung schon überrascht. Wir waren der Meinung, dass wir mit unseren Hygienekonzepten, mit 2G+ und im Bewusstsein, dass nichts von einem größeren Ausbruch aus den Eishockeyarenen bekannt war, alles dafür getan hatten, um unseren Sport mit einer reduzierten Zuschauerzahl weiterbetreiben zu können. Wenn man dann sieht, dass die einzelnen Bundesländer die Maßnahmen völlig unterschiedlich handhaben, wäre es schon mein Wunsch, dass es hier zu einheitlichen Regelungen kommt.
Ab der Eishockey-Oberliga abwärts sind Zuschauer bei den Spielen in Bayern zugelassen. Am vergangenen Wochenende haben Clubs der Oberliga vor 700 Zuschauern gespielt. Wie beurteilst du diese Ungleichbehandlung?
Diese Ungleichbehandlung wurde uns gegenüber so begründet, dass unsere Teams überall in Deutschland, in der Champions Hockey League sogar außerhalb Deutschlands spielen, was bei der Oberliga nicht der Fall sei.
Wäre es nicht möglich gewesen, keine Gästefans zuzulassen? Damit hätte sich der überregionale Charakter doch erledigt gehabt?
Zu Logik oder Unlogik von Entscheidungen will ich mich nicht äußern. Uns sind da die Hände gebunden. In Anbetracht der Bestimmtheit, mit der diese Entscheidungen getroffen wurden, können wir nur darauf hoffen, dass die wirtschaftlichen Verluste, die hier entstehen, zumindest zum Teil wieder ausgeglichen werden.
Damit sind wir schon beim nächsten Thema. Noch ist nicht absehbar, wann die bayrischen und baden-württembergischen Clubs wieder vor Zuschauern spielen dürfen. Ab welchem Zeitpunkt wird das zum Problem für die Clubs?
Ich bin sicher, dass alle Clubs der DEL für diese Saison eingeplant hatten, dass wir möglicherweise ein paar Spiele ohne Zuschauer oder mit wenigen Zuschauern durchführen müssen. Bis Ende Dezember halte ich das für machbar. Sollte sich die Situation allerdings danach nicht ändern oder sollte es sogar bis zum Saisonende so bleiben, was wegen der Omikron-Variante nicht ganz auszuschließen ist, denke ich, dass es für etliche Clubs sehr, sehr schwer wird.
Gibt es wenigstens Hinweise darauf, dass die Corona-Hilfen für den Sport über das Jahresende hinaus verlängert werden?
Ja, diese Hinweise gibt es, Gott sei Dank. Das Problem ist aber nicht der Zeitraum, der wohl bis zum 30. Juni verlängert wird, das Problem ist die Deckelung des Betrags. Es gibt hier eine EU-Deckelung, die von den meisten Clubs der DEL bereits ausgeschöpft wurde. Insofern hilft uns eine Verlängerung der Hilfen nichts, wenn nicht auch der Deckel erhöht wird. Ich weiß, dass es Gespräche dazu gibt, aber hier ist jetzt die neue Bundesregierung am Zug.
Siehst du eine Wettbewerbsverzerrung darin, dass viele DEL-Clubs in Deutschland vor Zuschauern spielen, andere aber nicht?
Auf Dauer kommt es für Clubs, die ohne Zuschauer spielen müssen, zu schweren finanziellen Einbußen. Auch den sogenannten Heimvorteil gibt es für diese Clubs nicht. Sollte dieses Ungleichgewicht über einen längeren Zeitraum hinweg anhalten, kann man hier durchaus von einer Wettbewerbsverzerrung sprechen.
Was erwartest du diesbezüglich von Seiten der Politik?
Eine Erwartungshaltung ist derzeit nicht angebracht. Aber mein Wunsch wäre eben, dass, wenn wir schon auf Einnahmen verzichten müssen, zumindest entsprechende Hilfen dagegen stehen und die bestehende Deckelung erhöht wird.
Zurück zum ERC. AUDI ist ein großer Partner des ERC. Der bekennende Eishockeyfan Peter Kössler ist als Beiratsmitglied und AUDI-Vorstand ein wichtiges Bindeglied für die Panther zu AUDI. Nun scheidet er beim Autobauer aus. Welche Konsequenzen hat das in deinen Augen für den Club?
Mit unserem Partner AUDI pflegen wir auf Arbeitsebene ein ausgezeichnetes und von großem Vertrauen geprägtes Verhältnis. Peter Kössler ist als Ingolstädter und großer ERC-Fan für den Club äußerst wichtig. Er wird uns im Auftrag von AUDI weiterhin als Beiratsmitglied erhalten bleiben. Das steht bereits fest und wir hoffen, dass das noch möglichst lange so bleibt.
Geschäftsführer Claus Liedy ist etwa seit Beginn der Pandemie im Amt und hat damit den denkbar schwersten Start erwischt. Wie beurteilst du seine und die Arbeit der Geschäftsstelle in den letzten 20 Monaten?
Claus Liedy ist ein ausgewiesener Finanzfachmann und war, ohne dass es so geplant war, während der Pandemie genau der richtige Mann am richtigen Ort. Er ist unwahrscheinlich fleißig und hat einerseits durch seine Kompetenz, andererseits durch seine hohe Integrationskraft ein Team geformt, das die teils schwierigen Aufgaben hochmotiviert meistert.
Du bist jetzt seit 1996 Mitglied im Beirat des ERC. Dazu hast du 2008 das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der DEL übernommen. Wie sehr haben das Eishockey und der ERC dein Leben beeinflusst und wie groß ist deine Motivation heute noch, den Club zu führen?
Das Eishockey und vor allem der ERC haben mein Freizeitverhalten natürlich stark beeinflusst, weil ich neben meinem Job und meiner Familie den größten Teil meiner Zeit dafür hergebe. Ich bin jemand, der alles, was er anpackt, mit größtmöglichem Engagement und hoher Motivation erledigen will. Solange ich aus meiner Motivation die Kraft schöpfen kann, werde ich dem ERC zur Verfügung stehen
Wie lange dürfen die DEL und der ERC noch mit deinem Engagement rechnen?
Ich bin nach wie vor mit ganzem Herzen beim ERC dabei. Ich bin aber auch so realistisch, dass ich weiß, dass ich meinen Lebensabend nicht in diesem Amt verbringen werde. Der Blick muss nach vorne gehen und ich weiß, dass die Zeit kommen wird, in der jüngere Leute mit neuen Ideen den Club führen werden.
Bei meinem Amt in der DEL bin ich noch etwas im Zwiespalt. Eigentlich hatte ich meiner Frau versprochen, dass ich nach dieser Amtsperiode aufhören werde. Andererseits verspüre ich nach wie vor eine Verpflichtung, zusammen mit meinen Kollegen im Aufsichtsrat die derzeit anstehenden Aufgaben zu meistern. Deshalb bin ich noch nicht sicher, wie ich mich hier final entscheiden werde. Und unabhängig von meiner Entscheidung muss ja das Gremium des Aufsichtsrats erst mal von den Gesellschaftern der Liga gewählt werden.
IN-direkt bedankt sich ausdrücklich bei Jürgen Arnold für das Interview
Foto: Johannes Langer