IG Metall Ingolstadt will Mitbestimmung auf Augenhöhe
Auf der letzten Delegiertenversammlung der IG Metall Ingolstadt im Jahr 2021 diskutieren die 160 Delegierten das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen und arbeiten positive wie negative Aspekte heraus. Aus Sicht der IG Metall stehen die vielversprechenden Ansätze aber unter dem großen Fragezeichen der Finanzierbarkeit.
Die letzte Delegiertenversammlung der IG Metall Ingolstadt im Jahr 2021 wurde von den Delegierten zur Generaldebatte über den Koalitionsvertrag genutzt. Bernhard Stiedl, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt, erkennt an einigen Stellen des Vertrages die politische Durchsetzungskraft der IG Metall. Bei den Instrumenten der regionalen Strukturpolitik, wie zum Beispiel den Transformations- und Qualifizierungsclustern, ist aus Sicht Stiedls, ganz deutlich die Handschrift der IG Metall zu lesen. “Die Umsetzung dieses Vorhabens wird auch für die Region Ingolstadt von großer Bedeutung sein. In der Transformation geht es darum, den Beschäftigten Sicherheit zu geben. Das werden wir als IG Metall mit Nachdruck von der Politik einfordern,“ so Stiedl. Die gezielte Cluster-Förderung in den Automobilregionen mit einem Fokus auf kleine und mittelständische Betriebe wurde von der IG Metall gefordert und hat es in den Koalitionsvertrag geschafft.
Auch die Infrastrukturmaßnahmen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur haben für Ingolstadt zentrale Bedeutung. „Elektroautos werden nur produziert, wenn die Leute sie kaufen. Und die Leute kaufen Elektroautos, wenn sie auch flächendeckend Ladepunkte finden“, ergänzt Bernhard Stiedl.
Ausdrücklich begrüßt wird die Umsetzung der Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro. Dies wird aus Sicht der IG Metall zu einer deutlichen Verbesserung vieler Beschäftigter auch in der Region Ingolstadt beitragen. Ebenso stößt das geplante digitale Zugangsrecht in die Betriebe für Gewerkschaften, das dem analogen Recht entspricht, auf breite Zustimmung. Gerade mit immer wichtiger werdenden neuen Arbeitsformen erleichtert dies die Arbeit der Gewerkschaften. Tamara Hübner, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Ingolstadt, kritisiert aber die ansonsten sehr zurückhaltenden Einlassungen im Bereich der Mitbestimmung. „Um den zukünftigen Herausforderungen in den Betrieben gerecht zu werden, brauchen wir mehr Mitbestimmungsrecht bei der wirtschaftlichen Entscheidung von Zukunftsstrategien. Dies sollten wir nicht alleine dem Management überlassen, da Arbeitnehmer*innen bekanntlich eine längerfristige Perspektive bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Es braucht eine Mitbestimmung auf Augenhöhe.“
Positiv zu bewerten ist auch die angekündigte Nachwirkung von Tarifverträgen bei Betriebsausgliederungen. Dies kann ein Instrument dafür sein, die anhaltende Tarifflucht der Arbeitsgeber einzudämmen.
Das Fazit auf der Delegiertenversammlung der IG Metall fällt daher geteilt aus. Die Ampel-Koalition formuliert arbeitsmarktpolitische Vorhaben, die klare Fortschritte bringen. Zugleich hat sie Leerstellen, etwa bei der sozialen Absicherung. Dazwischen liegt ein Spektrum an Vorhaben, bei denen zum jetzigen Zeitpunkt unklar ist, ob es zum viel beschworenen Fortschritt kommt. Dies gilt umso mehr, da die Frage der Finanzierung in den meisten Fällen völlig unklar ist. Es war den Koalitionären anscheinend nicht möglich, mutig über die Schuldenbremse hinauszugehen oder eine Steuererhöhung für hohe Einkommen in Betracht zu ziehen. Die Formulierung aus dem Sondierungspapier, dass Steuererhöhungen ausgeschlossen seien, hat es jedoch nicht in die Vereinbarung geschafft. Die Finanzierungsfrage bleibt die Achillesferse des Vertrags.
Foto: Bernard Stiedl, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt/Tamara Hübner, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Ingolstadt