Oberbürgermeister Dr. Christian Scharpf reagiert auf den offenen Brief zur Absage des Christkindlmarktes
Oberbürgermeister Dr. Christian Scharpf reagiert auf den offenen Brief der Marktkaufleute zur Absage des Christkindlmarktes
Liebe Schaustellerinnen und Schausteller,
ich verstehe Ihre persönliche Enttäuschung über die Absage unseres Christkindlmarktes und darf Ihnen versichern, wir haben diese Entscheidung schweren Herzens getroffen. Uns allen war und ist bewusst, dass die Schausteller und Marktkaufleute durch die Pandemie extrem leiden. Wir alle hätten uns endlich wieder eine normale Advents- und Weihnachtszeit gewünscht.
Die Zeiten sind aber nicht normal. Die Situation ist derzeit eine eklatant andere als noch im Oktober, geschweige denn als im September, als noch ein „Herbstfest light“ möglich war.
Die Lage hat sich in den vergangenen Tagen innerhalb kürzester Zeit dramatisch zugespitzt. In Ingolstadt haben sich die Inzidenzen innerhalb nur einer Woche verdoppelt, wir sind regionaler Hotspot. In Bayern gilt seit gestern erneut der Katastrophenfall. Eine Entspannung der Infektionslage ist nicht in Sicht, Gesundheitsbehörden gehen von weiter steigenden Zahlen aus.
Ausführlich und eindringlich wurde gestern die akute Lage durch Mediziner und Gesundheitsbehörden in der örtlichen Führungsgruppe Katastrophenschutz dargestellt und eingehend diskutiert. In der FüGK sind neben den Vertretern der Gesundheitsbehörden und des Klinikums, der ärztliche Leiter Krankenhauskoordinierung, von Katastrophen-, Ordnungs- und Sicherheitsbehörden, der Polizei und verschiedenen Dienststellen der Stadtverwaltung beteiligt.
Klinikum und alle Krankenhäuser der Region mussten sich in der Nacht auf Donnerstag von der Notfallversorgung abmelden, da alle Intensivbetten belegt waren. Das Klinikum spricht von einem „absoluten Ausnahmezustand“ und einer „Eskalation der Situation“ im Bereich der Intensivpflege. Notfallpatienten müssen kilometerweit verlegt werden, wichtige Operationen, etwa von Tumorpatienten, die eigentlich keinen Aufschub dulden, können mangels anschließender Intensivpflegeplätze nicht durchgeführt werden. Es fehlen Intensivplätze und es fehlt vor allem am notwendigen Personal. Wir haben deshalb gestern den medizinischen Dienst der Bundeswehr um Unterstützung gebeten.
Nach intensiver Betrachtung aller Aspekte war für uns als Ergebnis der Abwägung unserer Ingolstädter Situation die Absage des Christkindlmarkts zwingend. Dies geschah sicher nicht leichtfertig, denn auch dem Rathaus ist die schwierige wirtschaftliche Situation der Branche der Schausteller durchaus bewusst. In einer sorgfältigen Abwägung zwischen den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Schausteller, der Gesundheitsversorgung der gesamten Bevölkerung und der Notwendigkeit zur Eindämmung des Infektionsgeschehens war es erforderlich, eine klare Entscheidung zu treffen. Das dringende Gebot der Stunde ist die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung. Das hat oberste Priorität.
Diese klare Haltung und Entscheidung hätte ich mir im Übrigen vom Freistaat Bayern gewünscht, denn es kann nicht sein, dass einerseits seit gestern landesweit der Katastrophenfall ausgerufen wird und andererseits das Rahmenkonzept des Freistaats für Weihnachtsmärkte vom 18. Oktober weiter gilt, wonach Christkindl- und Weihnachtsmärkte dieses Jahr wieder ohne größere Einschränkungen wie genereller 3G-Pflicht und Maskenpflicht, Umzäunung der Marktfläche und Ausschankverbot von Alkohol stattfinden können. Das paßt nicht zusammen.
Selbst bei einer Einzäunung des Marktes und 2 G-Zugangsregeln bliebe zudem eine Maskenpflicht spätestens an Glühwein- und Essensständen wirkungslos. Zudem steht zu befürchten, dass der Alkohol der Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln nicht unbedingt zuträglich ist.
Es wäre im Übrigen geradezu ein Schlag ins Gesicht von Ärzten und Pflegekräften, die tagtäglich kämpfen, um überhaupt die Gesundheitsversorgung sicherzustellen, wenn an anderer Stelle fröhlich gefeiert wird und das Leben „draußen“ unbesorgt weitergeht.
Ingolstadt ist im Übrigen nicht die einzige Stadt, die ihren Christkindlmarkt absagt. Dasselbe hat heute die Stadt Neuburg getan und in den Landkreisen Eichstätt und Pfaffenhofen haben ebenfalls fast alle Gemeinden ihre Märkte abgesagt.
Um einer weiteren Verschärfung der ohnehin schon dramatischen Lage in der regionalen Gesundheitsversorgung entgegenzuwirken hat sich die Stadt Ingolstadt darüber hinaus entschlossen, über eine örtliche Allgemeinverfügung die Zugangsregeln zur Gastronomie von derzeit 3G plus auf 2G zu verschärfen (und auch die Maskenpflicht im Innenraum, außer am festen Sitzplatz) einzuführen. Hierzu laufen die Vorbereitungen und Abstimmungen.
Ich vermute, dass wir absehbar auch über weitere städtische Veranstaltungen noch diskutieren müssen. Für die Zugänglichkeit zu städtischen Museen, Theater und Konzertveranstaltungen gilt 2G, mit einer Maskenempfehlung am Platz und einer Maskenpflicht bei Verlassen des Platzes.
Die Stadt Ingolstadt hat bereits in den zurückliegenden Monaten mehrfach bewiesen, dass wir die Schausteller und Marktkaufleute wo möglich unterstützen. Deshalb prüfen wir gerade, wie wir Ihnen aktuell Möglichkeiten bieten können, beispielsweise dadurch, dass sie gekaufte verderbliche Waren an anderer Stelle (Viktualienmarkt, leerstehende Ladengeschäfte, etc.) verkaufen können.
Persönlich bedauere ich es sehr, dass wir den Christkindlmarkt nicht durchführen können. Leider befinden wir uns weiterhin in einer sehr schwierigen Ausnahmesituation, die oft harte Entscheidungen nötig macht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christian Scharpf
Oberbürgermeister