Experiment geglückt!
Was für ein Erlebnis! Unter dem Titel Club Indépendence – ein audiovisueller Traum mit Musik von Philip Glass spielte das Ensemble Kontra.Punkt im Kulturzentrum neun im Rahmen der Ingolstädter Jazztage zwei Streichquartette von Philip Glass in Zusammenarbeit mit dem Lichtkünstler Esteban Nûnez.
Überraschend gefühlvoll beginnt der Abend mit dem Quartett Nr. 3, zarte, warme Töne bestimmen Glass`s Minimal Music, die Visuells von Nûnez fließen und hüpfen über die Struktur der weiß getünchten Ziegelwände und lassen die Besucher mitschwimmen, mitfliegen. Dünne Notenlinien scheinen zu Wellen zu werden und fließen durch hohe Gräser, die sich im Wind bewegen oder durch filigrane geometrische Strukturen. Präzise und gefühlvoll spielen Esther Agustí Matabosch und Levan Kurashvili an der Violine, Nika Shamugia am Cello und Vadim Makhovskkiy an der Bratsche, lassen ihre Klänge anschwellen, um sie dann wieder hauchzart werden zu lassen. Die mantrischen musikalischen Muster laden uns auf eine Reise ein, der wir uns kaum entziehen können. Dann folgt ein Bruch. Mit dem deutlich anspruchsvolleren, vielschichtigen 5. Quartett von Philip Glass eröffnen sich ganz neue Welten. Die Rythmik wird schärfer, vielschichtig, spannungsgeladen mit teils dissonanten Klängen zieht die Musik uns in ihren Bann, während die Protagonisten mit den immer abstrakteren Bildern verschmelzen, selbst mehr und mehr zur Projektionsfläche werden. Mit höchster Disziplin und Konzentration agiert das Quartett bis zum Ende und verschafft den Anwesenden einen traumhaften Abend, der lange in Erinnerung bleiben wird. Esteban Nûnez schafft mit seinen Visualisierungen nie Konkurrenz oder Ablenkung, spielt sich nie in den Vordergrund, sondern Musik und Bilder fusionieren im besten Sinne zu einem faszinierenden Gesamtkunstwerk.
Donnernder lang anhaltender Applaus, bitte mehr davon!
Foto: Reinhard Dorn