Eine Schule ohne Lehrer – Ingolstädter Eltern planen eine Freie Schule
Ein Beitrag aus der aktuellen Printausgabe der IN-direkt
Zugegeben es klingt geradezu utopisch, was Brigitte Kloess im Gespräch mit IN-direkt da erzählt: Sie und ihre Mitstreiter haben die Vision einer Schule ohne Klassen jedoch mit freier Altersdurchmischung, mit einer Schulversammlung in der sich die Schüler abstimmen, und in der es keine Lehrer geben soll, sondern lediglich sogenannte Lernbegleiter, die mehr im Hintergrund die Kinder betreuen, als die als Hauptakteure agierenden Lehrer an konventionellen Schulen.
Dass diese Idee nicht nur Begeisterung und auch große Skepsis auslöst, sind sie und ihre Vorstandskollegin Angelica Besdworny gewöhnt, läuft diese Schulidee doch so ganz konträr zu dem, wie wir alle im Normalfall Schule kennen und erlebt haben. Doch die beiden und die anderen beteiligten Eltern, Lehrer und Bildungsinteressierte meinen es ernst und verweisen auf die über 200 ähnlich konzipierten Schulen, die es bereits weltweit in dieser Form gibt. Die Idee dahinter ist die freie Entfaltung des Einzelnen. Und das bereits als Kind und nicht erst als erwachsener Mensch.
Das Team der Eltern ist bereits seit fünf Jahren am planen und seit 2017 in einem Verein in Ingolstadt aktiv. Bisher unter dem Stichwort „Demokratische Schule“ nun aber als „Freie Schule“, auf Basis des bayerischen Lehrplans. Daher muss bis März 2022 nun ein neues Konzept erstellt und bei der Regierung von Oberbayern eingereicht werden, um im nächsten Sommer starten zu können. Das ist ihr großer Plan. Verschiedene Teams mit Mitgliedern des Vereins arbeiten derzeit mit Hochdruck daran.
Schon während der Schulbildung sollen Kinder zu starken Persönlichkeiten gefördert werden, erklärt Brigitte Kloess. Besonders die eigene Selbstbestimmung und Selbstverantwortung spielen dabei eine zentrale Rolle. Auch das Thema Nachhaltigkeit, die Erfahrung und der Umgang mit der Natur stehen im besonderen Fokus. Um besondere Ideen realisieren zu können, bekommen sie ein Budget an die Hand und sollen sich gegenseitig von ihren Ideen überzeugen, es z.B. für extra Musikunterricht auszugeben. Für die Verwirklichung werden dann zusätzlich zum Lehrpersonal auch externe Kräfte engagiert. Lernzielvereinbarungen und eine enge Begleitung der Kinder durch die Lernbegleiter setzen die Rahmenbedingungen, damit sich das Kind ausgehend von seinen individuellen Stärken selbst bilden können soll.
Auch den Eltern kommt im Konzept dieser freien Schule eine ganz besondere Rolle zu: Sie sollen sich in sogenannter Elternstunden in den Schulalltag mit einbringen, sei es bei der Mithilfe bei anfallenden Aufgaben in der Schule. Generell ist die Schule als Ganztagesschule geplant mit einer Betreuungsmöglichkeit von 7.00–17.00 Uhr. Eine Kernzeit der Lerngruppen soll es ab 9.00 Uhr geben.
Doch um überhaupt starten zu dürfen, sind noch einige bürokratische Hürden und Herausforderungen zu meistern. Eine Hauptvorgabe durch den Bezirk Oberbayern als Genehmigungsbehörde ist die Grundlage des bayrischen Lehrplans für den Lerninhalt, der an der Schule vermittelt wird. Damit wurde auch die bisher verfolgte Idee einer sogenannte „Demokratischen Schule“ ohne feste Lehrplanvorgaben aufgegeben. Doch auch auf dieser nun angestrebten Grundlage der „Freien Schule“ wird die Schulform nur genehmigt, jedoch nicht anerkannt werden. Das bedeutet, dass der Schulabschluss am Ende an einer gewöhnlichen Regelschule erfolgen muss.
Geld vom Staat gibt es dabei in den ersten beiden Jahren der Aufnahme des Schulbetriebes keines. Daher steht momentan die Suche nach Förderern und Sponsoren ganz oben auf der Agenda des Vereins. Auch ein Schulgebäude und entsprechende Lehrkräfte müssen noch organisiert werden. Man rechnet derzeit mit laufenden Kosten von 15.000–20.000 Euro im Monat. Der Idealfall wäre ein Schulgebäude am Rande der Stadt mit Berührung zu Wald und Natur, so Brigitte Kloess. Das bedeutet jedoch auch, dass man um ein Schulgeld nicht herumkommen wird, um die finanziellen Herausforderungen zu stemmen. Um auch mittellosen Schülern eine Teilnahme an der Schule zu ermöglichen ist ein Solidaritäts-Topf geplant, der einkommensabhängig entsprechend Kinder unterstützt.
Derzeit plant das Team rund um Brigitte Kloess und Angelica Besdworny im Sommer 2022 mit einer Grundschule und im Jahr darauf mit einer Mittelschule beginnen zu können. 40-50 Schüler sollen es zu Beginn maximal werden. Derzeit gibt es bereits 35 Voranmeldungen, die ihr Interesse bekundet haben.
Weitere Informationen und Kontakt erhält man per E-Mail unter info@Gemeinschaft-fuer-selbstbestimmtes-Lernen.de
Foto: Freie Schule_Brigitte Kloess_Angelica Besdworny_Foto Su-Ly Kimmich-Hollaender