Der Oktober ist eine Frau: Künstlerinnentage mit neuem Konzept
Kürzer, komprimierter und diskussionsfreudig: Die Ingolstädter Künstlerinnentage finden im Oktober an zwei Festivalwochenenden statt. Beginn ist am Freitag, 8. Oktober, das Finale „steigt“ am Sonntag, 17. Oktober.
Dieses Jahr kann sich das Publikum auf eine Neuauflage freuen. Nach wie vor steht das weibliche Kunstschaffen im Fokus, aber gleichzeitig hat das neue Konzept den Anspruch, Feminismus, Gender, Diversity und Gleichstellung in ihrem gesellschafts-politischen Kontext zu zeigen und zu diskutieren, zum Beispiel in Podiumsdiskussionen, Vorträgen und interaktiven Angeboten. „Denn noch längst nicht haben wir in unserer Gesellschaft einen fairen und gleichwertigen Umgang mit diesen Themen erreicht. Deshalb müssen wir mehr denn je darauf hinweisen, dass es hier noch viel zu tun gibt“, sagt Tobias Klein, Leiter des Kulturamts. Neben dem veränderten Konzept ist zudem neu, dass die Veranstaltungen nicht mehr ausschließlich an den Abenden stattfinden werden, sondern auch tagsüber unter anderem in Workshops.
Den Auftakt der 26. Ingolstädter Künstlerinnentage „Der Oktober ist eine Frau“ bildet die Vernissage zur Ausstellung „Was ist weiblich?“ (Freitag, 8. Oktober, 19 Uhr, Kulturhalle P3). Diese Gemeinschaftsausstellung des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler Oberbayern Nord und Ingolstadt e.V. und des Kulturamts geht der Frage über kulturell und gesellschaftlich der Frau zugeschriebene Eigenschaften nach. Sie zeigt persönliche Sichtweisen, die einen gefühlt inneren oder analytisch äußeren Blick auf die Weiblichkeit werfen. Zudem impliziert sie auch die Sichtweise auf das Gegenüber, die Männlichkeit.
Die Ausstellung dauert bis Donnerstag, 30. Oktober, die Öffnungszeiten sind von Donnerstag bis Sonntag, 11 bis 18 Uhr.
Ein Konzert mit Mira Mann beschließt den ersten Tag der Künstlerinnentage. Sie ist Gründungsmitglied der Postpunk-Band Candelilla, mit der sie drei Alben veröffentlichte. Im Herbst 2019 erschien ihre Solo-Debüt-EP „Ich mag das“, eine musikalische Interpretation ihrer „Gedichte der Angst“.
Das erste Festivalwochenende geht am Samstag, 9. Oktober, 20 Uhr, in der Kulturhalle P3 mit einer Lesung aus dem Buch „Süss“ von Ann-Kristin Tlustys, moderiert von Petra Ruda, zu Ende. Die Autorin betrachtet in ihrem Buch die inneren und äußeren Zwänge, die das Leben von Frauen auch heute prägen. Noch immer wird ihnen abverlangt, sanft die Sorgen und Bedürfnisse der Gesellschaft aufzufangen. Jederzeit sollen sie dabei auf süße Weise sexuell verfügbar erscheinen, gern auch unter feministischem Vorzeichen. Und bei alldem angenehm zart niemals zu viel Mündigkeit beanspruchen. Klug und persönlich, befreiend und neu!
Den Endspurt zum Festival (Donnerstag, 14. Oktober, 20 Uhr, Kulturhalle P3) läuten Ensemble-Mitglieder des Stadttheaters Ingolstadt ein. Sie lesen aus dem Essay „Das größte Rudel der Welt“ von Margarete Stokowski. Darin macht sich die Autorin Gedanken über sexuelle Belästigung: Was macht es so schwer über Sexismus, Missbrauch und Nötigung zu sprechen? Musiker Bernhard Hollinger schafft dafür einen experimentellen Soundtrack aus Soundscapes, Samples und O-Tönen.
Ein Filmabend steht am Freitag, 15. Oktober, 20 Uhr, Kulturhalle P3, auf dem Programm, gezeigt wird „Warum Frauen Berge besteigen sollten“. Der Film gibt einen detaillierten Blick auf das persönliche, berufliche und politische Leben Gerda Lerners, eine der inspirierendsten Frauenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Im Anschluss besteht die Möglichkeit des Austauschs mit der Filmemacherin und Regisseurin des Films, Renata Keller. Die Moderation übernimmt Petra Ruda.
Der erste Workshop im Rahmen des Festivals startet am Samstag, 16. Oktober, 12, Uhr in der Kulturhalle P3. Dieser trägt den Titel „Rap ist Männersache. Echt jetzt?! Von Homofeindlichkeit, Hypermaskulinität und schöneren Dingen“ und thematisiert den Zusammenhang zwischen Männlichkeitsentwürfen und (hetero-) sexistischen Images, Texten und Performances und hinterfragt den sexistisch geprägten Mainstream im deutschsprachigen Rap. Das alles und mehr wird offen diskutiert, gleichzeitig wird an Texten, Flows und Styles gefeilt. Dieser Praxis-Rap-Workshop mit theoretischen Impulsen wird von Referentin Kaye geleitet. Sie ist Musikerin (Rapperin, Sängerin und Produzentin) aus Berlin und ist seit vielen Jahren tätig für diverse Jugendkulturprojekte, die Antidiskriminierungsarbeit und Empowerment in Jugendkultur verknüpfen. Dieser Workshop richtet sich an Teilnehmer/-innen ab 16 Jahren und ist nur mit vorheriger Anmeldung unter urbankultur@ingolstadt.de möglich. Die Workshopgebühr in Höhe von 5 Euro wird am Tag des Workshops vor Ort bar bezahlt. Dauer des Workshops sind 4 Stunden.
Der zweite Workshop „Intersektioneller Character Design Workshop“ an diesem Tag beginnt um 13 Uhr in der Kulturhalle P3 und lehrt, wie man Figuren und Charaktere diverser gestalten und zeichnen kann. Welche Dos and Don’ts beim Entwerfen neuer Figuren sind zu beachten? Auch wird über Themen wie Sexismus, Ableismus und Rassismus in Comics gesprochen. Der Workshop setzt sich aus einem Theorieteil und praktischen Übungen zusammen. Zudem bekommen die Teilnehmer/-innen Verweise zu anderen Künstlern/-innen an die Hand, falls jemand noch tiefer in das Thema eintauchen möchte. Dieser Workshop ist für alle Menschen geeignet, die gerne zeichnen und / oder Geschichten entwickeln. Referentin Lena Dirscherl arbeitet im Bereich Illustration, Comic und Sensitivity Reading. Auch hier ist die Teilnahme nur mit vorheriger Anmeldung unter urbankultur@ingolstadt.de möglich. Die Workshopgebühr in Höhe von 5 Euro wird am Tag des Workshops vor Ort bar bezahlt. Der Workshop dauert 3 Stunden.
Um 17 Uhr erwartet das Publikum in der Kulturhalle P3 eine Podiumsdiskussion zum Thema „Folgen der #MeToo-Bewegung. Wie steht es um Sexismus und Gleichberechtigung in Deutschland?” Im Oktober 2017 werfen zahlreiche Schauspielerinnen dem US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein sexuelle Nötigung und Missbrauch vor. Seitdem geht der Hastag #MeToo um die Welt. Millionen von Frauen (und auch Männer) meldeten sich zu Wort und erzählten von ihren Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen. Welchen Einfluss hatte die Bewegung in Deutschland und im deutschen Kulturbetrieb? Wie steht es hierzulande um Gleichberechtigung und Sexismus? Das Podium leitet die BR-Moderation, Podcasterin und Journalistin Brigitte Theile, die Teilnehmerinnen sind: Nicoletta Sabov und Sonsoles Perez – Gründerinnen und Moderatorinnen des Podcasts Vitamin F(emale), Barbara Deimel, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Ingolstadt, Kaye, Musikerin, Arbeit im Bereich Antidiskriminierung und Empowerment in Jugendkultur sowie Elisabeth Walderdorff, Fridays for Future, Mitglied im Jugendparlament Ingolstadt. Der Eintritt zu dieser Podiumsdiskussion ist frei, auch hier ist eine Anmeldung unter urbankultur@ingolstadt.de erforderlich.
Den Abschluss dieses Tages gestaltet ab 20 Uhr im Kulturzentrum neun ein Konzert mit Jamila & The Other Heroes (Titelbild: Carolion Saage). Nach Jahren auf Tour in Deutschland, Nahost und Nordafrika manifestiert diese Berliner Band nun ihre geballte Live-Energie auf dem von der Initiative Musik gefördertem Debutalbum SIT EL KON (The Grandmother of the Universe). Während rassistische Hetze in vielen sozialen Kreisen mehr und mehr akzeptiert wird, sehen die fünf Musiker/-innen es als ihre Aufgabe die Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte zu brechen und den Reichtum kultureller Diversität hörbar zu machen.
Der letzte Tag des Festivals am Sonntag, 17. Oktober, beginnt um 9.30 Uhr in der Kulturhalle P3 mit dem Workshop „Von Rollen und Rollenbildern: Gender, Diversität… – Work in Progress?“. Durch theaterpädagogische Spiele und Übungen, angeleitet von Theaterpädagogin und Schauspielerin Nicole Titus, setzen sich die Teilnehmer/-innen mit dieser Thematik auseinander. Der Workshop ist für Menschen aus verschiedenen Branchen offen. Durch den Austausch können gemeinsam Parallelen betrachtet und eventuell auch Lösungsstrategien eruiert und weitergegeben werden. Vorkenntnisse im Bereich Theater sind willkommen jedoch nicht zwingend. Der Fokus des Workshops liegt auf dem eigenen Tun. Übungen aus dem „Theater der Unterdrückten“ nach Augusto Boal werden eingesetzt und helfen Missstände zu veranschaulichen sowie Lösungsansätze zu erarbeiten. Vom IST-Zustand ausgehend wird der SOLL-Zustand erarbeitet und konkrete Schritte vereinbart zur Realisierung. Auch hier ist die Teilnahme nur mit vorheriger Anmeldung unter urbankultur@ingolstadt.de möglich. Die Workshopgebühr in Höhe von 5 Euro wird am Tag des Workshops vor Ort bar bezahlt. Dauer des Workshops: 3 Stunden
Der zweite Workshop an diesem Tag beginnt um 14.00 Uhr in der Kulturhalle P3 und beschäftigt sich mit der Frage „Wer braucht Feminismus heute?“. Jasmin Mittag, Initiatorin der Kampagne „Wer braucht Feminismus?” wird im Rahmen einer interaktiven Präsentation in den Begriff des Feminismus einführen. Gemeinsamt wird erarbeitet, wie vielfältig die Themen von Feminismus sind und es werden Zahlen und Fakten rund um geschlechtsbezogene Diskriminierung angeschaut. Alle sind unabhängig von ihrem Vorwissen eingeladen, teilzuhaben und mitzumachen. Die Referentin Jasmin Mittag ist Aktivistin und Künstlerin. Sie setzt sich für gesellschaftsrelevante Themen wie Feminismus, Anti-Diskriminierung, Nachhaltigkeit und Minimalismus ein. 2012 hat sie die Kampagne „Wer braucht Feminismus?“ initiiert. Jasmin Mittag setzt eigene Projekte um, realisiert frauenpolitische Kampagnen für öffentliche Einrichtung, hält Vorträge und gibt Workshops. Auch hier ist die Teilnahme nur mit vorheriger Anmeldung unter urbankultur@ingolstadt.de möglich. Die Workshopgebühr in Höhe von 5 Euro wird am Tag des Workshops vor Ort bar bezahlt. Dauer des Workshops: 2 Stunden
Ein Vortrag zum Thema „Frauen in der Kunst“, Beginn 17 Uhr in der Kulturhalle P3, beschließt die diesjährigen Ingolstädter Künstlerinnentage. In den deutschen Kunstmuseen hängen nur zu 10-15 Prozent Kunstwerke von Frauen. Auf dem Markt erzielen ihre Werke in der Regel weit weniger als die von männlichen Kollegen. Dabei sind heutzutage 51 Prozent aller Kunstschaffenden Frauen. Warum sind Frauen in der Kunstszene immer noch so stark benachteiligt? Jasmin Mittag sucht in ihrem Vortrag Erklärungsansätze und Möglichkeiten, wie wir dem entgegengehen können.
Den musikalischen Abschluss des Abends gestaltet die bekannte russisch-deutsche Pianistin Masha Dimitrieva. In ihrem Programm richtet sie ihren Blick auf das Schaffen der Frau als Komponistin im Laufe der Musikepochen. Oft erreichten ihre Werke, obgleich kompositorisch ebenbürtig, weniger Popularität als die Werke und damit auch die Namen ihrer männlichen Kollegen. Im Konzert erklingen Kompositionen von Cécile Chaminade, Fanny Hensel, Clara Schumann, Sofia Gubaidulina, Galina Ustvolskaya und Gloria Coates. Auch hier ist die Teilnahme nur mit vorheriger Anmeldung unter urbankultur@ingolstadt.de möglich.
Tickets gibt es in der Tourist Information am Rathausplatz, im Westpark Ingolstadt, im Achtzig20 GmbH co. Schanzer Ludwig Store (Theresienstr. 13) sowie über Ticketregional.
Weitere Informationen zu den 26. Ingolstädter Künstlerinnentage finden Sie unter: www.kulturamt-ingolstadt.de
Bitte beachten Sie die aktuellen Sicherheits- und Hygienehinweise unter: www.kulturamt-ingolstadt.de