Stadtrat „abspecken“ ja – virtuelle Sitzungen nein
Wie kann sich der Ingolstädter Stadtrat mit all seinen Ausschüssen „verschlanken“, um angesichts der Corona-Pandemie Kontakte zu vermeiden und trotzdem beschlussfähig zu bleiben? Mit dieser Frage hatten sich die Mitglieder eben diese zu verschlankenden Gremiums zu befassen. Zwei Verwaltungsvorschläge standen zur Abstimmung.
Variante A: ein Ausschusses für Verwaltung, Personal und Recht entscheidet anstelle der Vollversammlung (wobei die Themen vorher in den Fachausschüssen diskutiert werden).
Variante B: die Fachausschüsse selbst werden bei Angelegenheiten des Stadtrats zum Beschluss fassenden Gremium.
Dazu galt es zu entscheiden, ob diese Beschränkung der Rechte der Stadträte grundsätzlich bis Ende April 2021 gelte oder nur bei einem Inzidenzwert von über 100.
Oberbürgermeister Christian Scharpf meinte, er tendiere zu Variante B, weil die Fachpolitiker in den Ausschüssen das am besten einschätzen könnten. Die Koppelung an den Inzidenzwert hielt Barbara Leininger (Grüne) für problematisch, weil dieser schwanke: „Wir brauchen eine einheitliche Regelung bis Ende April. Einschränkungen der Rechte des Stadtrats sind bis dahin hinnehmbar.“ Dr. Anton Böhm (SPD) sah das Hauptproblem grundsätzlich in der Sitzungslänge, man sollte seiner Ansicht nach kurz und prägnant argumentieren. Hans Stachel (FW) sah keine andere Möglichkeit, als Variante B mit einer Inzidenzwertlösung von 100 zuzustimmen, nachdem eine Halbierung des Stadtrats in Ingolstadt nicht zur Debatte stehe. Er befürworte außerdem den Antrag der Linkspartei für Online-Sitzungen, sehe dafür aber keinen rechtlichen Rahmen. Die CSU sei eigentlich auch für eine Halbierung der Vollversammlung gewesen, so Alfred Grob, weil das die größtmögliche Repräsentanz ermöglicht hätte. Nun aber würde man die Variante A bevorzugen, um Beratungen in den Fachgremien, danach eine Diskussion in den Fraktionen und abschließend eine Abstimmung im Ausschusses für Verwaltung, Personal und Recht durchzuführen – und das bis 30. April ohne Berücksichtigung des Inzidenzwerts. Letztendlich entschied sich die Mehrheit des Stadtrats für Variante B (CSU und AfD stimmten für Variante A), also eine Entscheidung in den Ausschüssen. Diese gilt zunächst bis Ende April, wenn der Inzidenzwert am Tag der Sitzungsladung über 100 liegt.
„Ich möchte mich stark machen für digitale Sitzungen!“
Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Durchführung von reinen Online-Sitzungen hielt Christian Pauling (Die Linke): „Ich möchte mich stark machen für digitale Sitzungen!“ Ein entsprechender Dringlichkeitsantrag war von der Linken eingereicht worden. Aus Paulings Sicht hätte man bei den zuvor genannten Sitzungsvarianten zwischen Pest und Cholera zu entscheiden gehabt. „Ich habe das Gefühl, wir machen uns lächerlich,“ meinte der Stadtrat. Man verlange von der Industrie und von den Kindern „die kein Datenvolumen von der Stadt bekommen“ das Online-Arbeiten von Zuhause, sei aber selbst kein gutes Beispiel. Als eine Frage des Komforts und der Innovationskultur bezeichnete Pauling die Entscheidung für Online-Sitzungen. Die jungen Menschen würden angesichts der Corona-Krise zurück stecken und das sei nun auch den Parlamentariern zuzumuten: „Da würde man sich von denen, die die Parlamente dominieren, wünschen, dass man ein wenig aus der Komfortzone rausgeht.“ Man dürfe der Entwicklung nicht hinterher hängen. Eine entsprechende Experimentierklausel hätte sich Pauling von einem dynamischen SPDler wie OB Christian Scharpf gewünscht („Ich hätte gerne einen rebellischen Oberbürgermeister“) und auch an Alfred Grob als Landtagsabgeordneten schickte er den Wunsch, sich dort für Online-Sitzungen einzusetzen. Der Landtag freilich hatte laut Christian Scharpf genau das abgelehnt, insofern sei eine digitale Sitzung des Ingolstädter Stadtrats nicht möglich. Der OB verwies in diesem Zusammenhang aber auch auf zahlreiche Online-Sitzungen etwa in den Aufsichtsräten. Scharpf musste aber auch zugeben, dass (wie auch von Ulrich Bannert kritisiert) z.B. die letzte Ältestenratssitzung, die als Videokonferenz durchgeführt wurde, eine „Katastrophe“ war. So wurde über den Antrag der Linken nicht abgestimmt, aber OB Christian Scharpf erklärte sich bereit, in Sachen virtueller Sitzungen noch einmal nach zu haken: „Ich trete nochmal an den Freistaat Bayern heran. Es ist ja auch in meinem Interesse, dass wir uns stärker digitalisieren.“