Dr. Anton Böhm: Minderbewertung ärztlicher Tätigkeit!
In einem Leserbrief beklat sich Dr. Anton Böhm, Leiter des Hausarztzentrums Ingolstadt, eine Minderbewertung ärztlicher Tätigkeit im Zusammenhang mit der Corona-Impfung:
6 Euro jeweils erhielten die Apotheker für die Herausgabe von einzelnen FFP2-Masken.
10 Euro erhalten die niedergelassene Ärzteinnen für eine ausführliche Impfberatung wenn sich anschließend die Patient*in doch nicht impfen lässt. Jeder weiß aus dem privaten Bereich wie lange solche Diskusionen dauern. Sogar diese 10 Euro werden rückwirkend wieder gestrichen also abgezogen, wenn sich die beratenen Patient*innen binnen eines Jahres doch noch impfen lassen.
18 Euro incl. Testkit erhält man, wenn man nach kurzer Belehrung einen Schnelltest durchführt.
18 Euro ist dem Staat das Ausstellen eines digitalen Impfpasses wert, wenn der Impfling nicht von der ausstellenden Stelle geimpft worden ist. Dies dauert nach öffentlicher Aussage eines Apothekers ca. 3 Min. Wir erhalten für die Ausstellung dieses digitalen Ausweises nach erfolgter Impfung 2 Euro.
20 Euro erhalten die Hausärzte*innen für die Heraussuche (Priorisierung), Einbestellung, Beratung mit Aufklärung über Impfrisiken – und Nebenwirkungen, Unterschrifteneinholung selbstverständlich inkl. Impfung, Nachbeobachtung (15 Min.), Ausfüllung des Impfheftes und namentliche Meldung an die RKI. Dies muss bei Patient*innen einzeln vorgenommen werden.
36 – 50 Euro verrechnen die arbeits- bzw. betriebsmedizinischen Unternehmen den Betrieben pro Impfung eines/r Mitarbeiters*in darunter sei es betriebswirtschaftlich nicht darstellbar erklären sie. Dabei bestellen aber die Betriebe ihre Mitarbeiter*innen zeitlich und priorisierungsgerecht ein und lassen ihnen auch vorher sämtliche Einwilligungserklärungen zum Durchlesen und Unterschreiben zukommen. Die Betriebe nehmen somit den Betriebsärzten viel Arbeit ab.
300 Euro kostet /-richtig berechnet-/, laut CSU Altoberbürgermeister Dr. Lösel Ingolstadt eine Impfung in einem unserer Impfzentren.
Nicht, dass die dort Tätigen daran schuld wären, diese üben ihre wichtige Arbeit korrekt und fleißig aus. Schuld an diesen enormen Kosten sind die von den zuständigen Politikern vorgegebenen bürokratischen Anforderungen.
Nicht, dass wir den anderen den Verdienst nicht gönnen – im Gegenteil!
Jede/r kann an dieser Aufgliederung sehen wie minder die ärztliche Tätigkeit der Hausarzt/innen von den Politikern bewertet wird, im Gegensatz zu der von ihnen extrem überhöht geschätzten Bürokratie. Wenn man noch dazu weiß, dass die Unkosten (Gehälter, Mieten, ect.) in einer Praxis die ihre Angestellten fair zahlt mindestens 55 % betragen, dann weiß man auch, dass die Coronaimpfung und schon gar nicht der lächerliche Betrag für die zeitraubende Einzelberatung kostendeckend ist. Dazu passt auch, dass unsere MfA’s natürlich von der Politik keinen Coronabonus erhalten haben, obwohl 85 % der Covidpositiven von den Hausärzt*innen und ihren Mitarbeiterinnen betreut wurden bzw. werden.
Gerade die bisher immer noch nicht geimpften Patientinnen der Priorisierungsgruppen II und III, die zum Teil an mehreren Erkrankungen leiden, verursachen, abgesehen vom persönlichen Leid, die extrem hohen Kosten auf unseren Intensivstationen. Die ärztliche Beratung hierzu wird im Niedriglohnbereich bezahlt.
Kein Landrat bzw. -rätin oder Oberbürgermeister*in darf sich mehr wundern, wenn sie für die Landbevölkerung oder die sozialen Viertel in der Stadt keine Hausärzte*innen mehr finden werden.
Jede auch nur etwas betriebswirtschaftlich aufgeklärte Ärztin wird sich in den „besseren Vierteln“ mit einem hohen Anteil von Privatpatienten niederlassen, dann haben sie es nicht mehr nötig, sich so von unseren Politikern behandeln zu lassen.
Oder glaubt man jetzt schon bei der zunehmenden Verweiblichung der Medizin (72 % der Absolventeninnen sind weiblich) diese Ärztinnen in Zukunft genauso behandeln zu können wie man es seit Jahrzenten mit Kranken- und Pflegeschwestern macht? Das wird sich rächen.
Nicht leugnen kann ich auch meine Enttäuschung über unsere Ärzteverbände, Ärztekammern und kassenärztliche Vereinigungen, die ein solches Vorgehen der Politik bisher willfährig abgenickt haben. Schon lange wäre ein Aufruf nötig gewesen, das Impfen in den Praxen einzustellen und eine gemeinsame Erholungswoche in Deutschland für unser geschundenes Praxispersonal auszurufen.
Ingolstadt, den 15.06.2021
Dr. Anton Böhm
Leiter Hausarztzentren Ingolstadt