Schluss mit dem Schauspiel
Vorsicht, jetzt geht es um das Schauspielen. Aber nicht um Schauspieler, die sich aufregen und andere Schauspieler, die sich darüber aufregen, dass sich diese Schauspieler aufregen. Nein. Wir alle waren Schauspieler. Fast alle. Das haben britische Psychologen raus gefunden (wer ein etwas distanziertes Verhältnis zu wissenschaftlichen Erkenntnissen hat, kann jetzt aus dem Text aussteigen). Schuld an der Schauspielerei war nicht Corona, sondern das soziale Umfeld in der prä-coronalen Zeit. Denn diesem Umfeld mussten wir ständig etwas vorspielen. Wie unglaublich erfolgreich wir sind, wie gerne wir die Einladung zu dieser bekloppten Hochzeit angenommen haben, wie begeistert wir von dem völlig schwachsinnigen Kunstevent sind, wie fantastisch die neuen Klamotten an der Charity-Lady aussehen, wie extrem begabt die Kinder der besten Freundin sind und wie genial gut der selbst gebackene Kuchen geschmeckt hat. Hat er nicht. Aber er wurde runter gewürgt. Für die Show. Und all dieses Schauspiel, das sich analog wie digital zugetragen hat, hat zu Stress geführt. Das ganze Leben wurde zur Bühne, aber der Zutritt zur Künstlergarderobe blieb verboten. Da hätte man ja die ungeschminkte Wahrheit entdecken können.
Doch nun, nach der Pandemie und dem dazu verordneten Zwangsstillstand, hat sich diese Tür zur Garderobe einen Spalt geöffnet. Die Teilnehmer der britischen Studie haben sich dafür ausgesprochen, künftig „unauthentische soziale Interaktionen“ komplett zu streichen. Weil sie gemerkt haben, dass ihnen dieses Schauspiel an die Substanz geht. Ist das nicht wunderbar? Einfach so sein, wie man ist? Das macht das Leben leichter. Auf einmal wird klar: der Depp war schon immer einer, der andere hat nur so getan. Eine erfreuliche Einsicht. Aber da musste erst eine Pandemie die Welt packen, um das heraus zu finden.