Antworten und Zweifel
Vor einem Jahr noch gehörte der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu den beliebtesten Politikern im Lande und wurde als Kanzlerkandidat gehandelt. Inzwischen fordern mehrere seinen Rücktritt. Natürlich hat er sich, was die Organisation der Tests und Impfungen betrifft, nicht mit Ruhm bekleckert. Sein hohes Ansehen vor einem Jahr und ein beträchtlicher Teil der Kritik dieser Tage resultieren aber auch daraus, dass er verkündet, was ihm Wissenschaftler gesagt haben. Er bekommt auch Prügel dafür, dass Wissenschaftler, insbesondere Ärzte, ihre Meinung geändert haben. Noch vor einem Jahr posaunte der amtierende deutsche Vorsitzende des Weltärztebundes Montgomery in die Welt hinaus, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sei lächerlich. Inzwischen hat er das als „wissenschaftlichen Irrtum“ eingeräumt.
Im Augenblick herrscht Verwirrung um den Einsatz des Impfstoffes von AstraZeneca. Zunächst wurde er zugelassen, dann hat das Paul-Ehrlich-Institut vom weiteren Einsatz abgeraten. Sieben Thrombose-Erkrankungen, davon drei (Stand Mittwoch) mit tödlichem Ausgang (bei 1,6 Millionen Geimpften) können möglicherweise durch den Impfstoff hervorgerufen worden sein. Spahn hat daraufhin, den Wissenschaftlern folgend, das Impfen mit AstraZeneca gestoppt. Die europäische Arzneimittel-Agentur erklärte demgegenüber, man sein weiterhin „zutiefst überzeugt, dass die Vorteile des AstraZeneca-Impfstoffes das Risiko überwiegen“.
Umstritten wie dieser Impfstoff-Stopp ist auch die Entscheidung, die Grundschüler nicht mehr in Gruppen aufgeteilt zu unterrichten, sondern 14 Tage vor den Osterferien dazu überzugehen, wieder alle Schüler einer Klasse gemeinschaftlich zu unterrichten. Der gebetsmühlenartig gepredigte Mindestabstand ist dabei natürlich im Klassenzimmer überhaupt nicht einzuhalten. Dabei steigen die Inzidenzzahlen erheblich und das Robert-Koch-Institut hat mitgeteilt, dass auch bei Kindern ein „sehr rasanter Anstieg“ von Erkrankungen – wohl durch die britische Variante des Corona-Virus verursacht – zu verzeichnen sei. Die Gefahr, dass in Schulen oder Kitas regelrechte Corona-Ausbrüche erfolgen können, wurde bereits mehreren Orts Realität (z.B.in Heilbronn). Selbst Eltern, die für den ungeteilten Unterricht sind, haben sich gewundert und hätten lieber bis nach den Osterferien damit gewartet. Aber auch hier gibt es Gründe für und gegen die Entscheidung. Schulpolitiker haben es nicht einfach.