Einfach mal denken lassen
Immer dieses Gemurmel. Im Gottesdienst zum Beispiel. Immer der selbe Text an der selben Stelle. Gemeinsam runter geleiert. Die enthaltene Botschaft würde eigentlich dazu anregen, etwas Emotion zu zeigen oder wenigstens die wichtigen Wörter zu betonen. Hallo? Es geht um eine erfreuliche Botschaft? Aber nein. Wozu sich mit Inhalten auseinandersetzen – Hauptsache mit machen, bloß nicht auffallen und das tun, was die anderen tun. Das ist ja auch verständlich. Als Teil einer Gemeinschaft fühlt man sich sicher und geborgen. Und deshalb gibt’s dieses Phänomen auch in den sozialen Medien.
Einer postet einen halbwegs intelligenten Spruch, der selten von ihm selbst ist (auf eine Quellenangabe wird aber gerne verzichtet, wen interessieren schon Urheberrechte) und in Sekundenschnelle wird der Spruch von sonnenblume23, Huku Haka Horst oder dem Checker von gegenüber geteilt. Ganz oft geht’s da um wichtige Lebensweisheiten wie „Wer aufsteht, hat schon den ersten Schritt zum Kühlschrank gemacht“, „Ich bin wie die Sonne. Alles dreht sich um mich!“ oder „Wahre Nächstenliebe bedeutet, lieber zum Nächsten zu gehen, anstatt beim Alten zu bleiben.“ Vorgekaut und mit bunten Farben aufgemotzt oder wenigstens einem Sonnenuntergang im Hintergrund lassen sich diese Botschaften dann wunderbar an den User und die Userin bringen. Er/sie muss sie dann nur noch nachplappern, das erleichtert schließlich den mentalen Verdauungsvorgang. Will heißen: man muss weniger denken, wenn das die anderen für einen schon erledigt haben. Per Mausklick braucht man nur noch seine Zustimmung zum Fremd-Denk-Vorgang geben und auf einmal fühlt man sich ja so was von verbunden und verstanden von sonnenblume23, Huku Haka Horst oder dem Checker von gegenüber.