50 Jahre Datenschutz
Es führt ein guter Weg vom hessischen Datenschutzgesetz des Jahres 1970 zur EU-Grundrechtcharta 1990 und zur DSGVO des Jahres 2016. Gerade Letzteres gilt bei uns als bürokratisches Monster, dass nicht nur Pfarrgemeinden, Kindergärten oder Schützenvereine in den schieren Wahnsinn treibt. Die Regeln dieser Verordnung sind aber nicht dafür da, uns zu ärgern. Vielmehr sollen sie die Selbstherrlichkeit der Datengroßwirtschaft beenden; sie soll es erschweren, dass Internetkonzerne uns Kunden durchrastern und sich die notwendige Zustimmung zur ach so notwendigen personalisierten Werbung durch Intransparenz erschleichen.
Die digitale Revolution darf nicht nur zur digitalen Inquisition werden. Man könnte aber verzweifeln, weil der Datenschutz nicht die Kraft hat, die er dafür bräuchte. Informationstechnische Systeme, betrieben von der Privatwirtschaft und von Geheimdiensten, ergreifen Besitz vom Alltag der Menschen – und der Exhibitionismus der Smartphone- und Internet-Gesellschaft sorgt für ein zugriffsfreudiges Klima. Das Internet ist zum Entblößungsmechanismus geworden, in dem die Verschleuderung aller persönlichen Details gang und gäbe ist. Die Nutzer von Facebook, Twitter, Instagram & Co. finden sich damit ab, dass sie diese Dienste mit ihren Daten bezahlen. So ist eingetreten, was der Datenschutz vermeiden wollte: Die Privatsphäre ist notleidend, sie schrumpft, sie verdorrt ohne das es die Betroffenen tatsächlich interessiert. Das Problem sind nicht fehlende Gesetze und Verordnungen, auch nicht unbedingt fehlende Kompetenzen der zuständigen Behörden. Das eigentliche Problem ist das fehlende Bewusstsein für den dringend notwendigen Datenschutz. Die Sensibilität für den Wert von geschützten Räumen der Privatheit ist schlicht massiv unterentwickelt. Demokratie und letztlich jeder einzelne von uns braucht diese Räume zum Schutz. Leider verkennt dies auch die Politik. Anders kann ein Verzicht auf Datenschutz als Beitrag zur Corona-Prävention nicht gesehen werden. Selbst die Unverletzlichkeit der Wohnung wird zur Disposition gestellt, um künftig Corona-Kontrollen durchführen zu können. Der Bürger wird daran gewöhnt, dass zur Krisenbewältigung die Einschränkung der Grundrechte quasi zwingend gehören muss. Hier gilt es beständig aufzuklären, den Nutzen transparent zu machen und pragmatische einfache Lösungen zu präsentieren.