Stille Nacht – echt jetzt?
Keine Frage: Geschlossene Geschäfte, Absagen von Adventsmärkten und Weihnachtsfeiern, keine Konzerte oder Partys – das ist traurig und vernichtet Existenzen. Das sei vorab gesagt, weil sich jetzt gleich bestimmt jemand aufregt. Erstaunlicherweise tritt nämlich gerade das ein, was man auf kitschigen Prospektmotiven so gerne vorgaukelt: Der Advent als eine „staade“ Zeit. Die Almhütte vor Augen denkt man an einen Großvater, der Stille Nacht auf der Zither spielt, während die Enkel vor dem Kamin sitzen und sich einer Mandarine erfreuen. So schee. Aber völliger Schmarrn. In den letzten Jahrzehnten war der Advent alles, außer still. Da hatte man auf dem Weihnachtsmarkt das Gefühl, eine Art Ballermann zu erleben und die betriebliche Weihnachtsfeier artete gerne in eine derart wilde Orgie aus, dass die Anwesenden vorab eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben mussten. Und jetzt? Alles aus. Schrecklich. Ruhe. Keine Party. Kein Glühwein. Nicht mal ein Konsumrausch. Eine verdammt „staade“ Zeit ist das. Zu staad. Denn Stille ist etwas, was man im Zeitalter der rundum Beschallung so gar nicht erträgt. Immer dudelt irgendwo etwas. Es scheint das Schlimmste überhaupt zu sein, wenn sich der Mensch mit sich allein beschäftigen muss. Denn auch das Schweigen ist verlernt worden. Und wer doch die Ruhe sucht, bucht sich zum Schweigeseminar im Kloster ein. Da gibt man dann viel Geld für den Luxus aus, wenig zu haben und nichts sagen zu müssen. Verstehen muss man das nicht. Darauf einen Glühwein!