Der Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Ingolstadt, Franz Schabmüller, über die Krise, Herausforderungen und warum er trotz allem optimistisch bleibt
„In Summe ist die Wirtschaft sehr resilient“
Der Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Ingolstadt, Franz Schabmüller, über die Krise, Herausforderungen und warum er trotz allem optimistisch bleibt
Herr Schabmüller, die Wirtschaft befindet sich nach Meinung vieler Experten aktuell im freien Fall. Sie gelten als überzeugter Optimist. Wie geht es Ihrem Optimismus momentan?
Franz Schabmüller: Meinem Optimismus geht es grundsätzlich gut. Wir sehen zum Teil dunkle Wolken, aber die Wirtschaft hat schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie mit Hürden umgehen kann. Auch da sind die Unternehmen mit den Krisen gut umgegangen und haben die Herausforderungen gemeistert. Natürlich besteht die Unsicherheit, was in den nächsten Monaten passiert. Ich denke, dass die Wirtschaft darauf die richtigen Antworten finden wird. Ehrlicherweise muss ich allerdings sagen, dass dies pauschal nicht für alle Bereiche und Wirtschaftszweige im gleichen Maße gilt. Einer hat mehr zu kämpfen als der andere. Aber in Summe ist die Wirtschaft sehr resilient – selbst wenn momentan mehrere Dinge nur schwer beeinflussbar sind und deren vollständigen Auswirkungen wir erst noch spüren werden.
Wird die aktuelle Krise dann rückblickend in ein paar Jahren nur eine kleinere Delle sein, aus der die Wirtschaft gestärkt hervorgegangen ist?
Man kann nicht jeden Industrie- und Wirtschaftszweig über einen Kamm scheren. Aber in Summe glaube ich schon, dass die gesunden Unternehmen eine Möglichkeit finden, wie sie ihr Geschäftsmodell anpassen, auch wenn dies über die Preisstruktur an der einen oder anderen Stelle erfolgt.
Der aktuell erschienene IHK-Konjunkturindex bewertet die Aussichten der Unternehmen zunehmend pessimistischer. Ist es tatsächlich so schlimm?
Das muss man differenziert betrachten. Die Geschäftslage ist weitgehend stabil geblieben. Rund 40 Prozent der befragten Unternehmen betrachten die Lage als gut, nur 14 Prozent als schlecht. Beim Blick auf die kommenden Monate zeigt sich allerdings eine deutliche Verunsicherung und Skepsis. Da rechnen rund ein Drittel der Unternehmen mit einer Verschlechterung ihrer Geschäfte. Diese rührt vor allem aus der prekären Weltlage, auslösend vom Ukraine-Krieg. Dazu kommt die Null-Covid-Strategie Chinas. Auch das bereitet den Unternehmen große Sorgen und hat deutliche Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft.
Mit welchen Hürden kämpfen Sie bei Ihrer Unternehmensgruppe?
Wir sind ein energieintensives Unternehmen. Deshalb haben wir mit den deutlichen Energiepreissteigerungen zu kämpfen. Das tut uns aktuell weh. Da müssen wir schauen, wie wir in den kommenden Wochen und Monaten damit umgehen. Die höheren Materialpreise spielen bei uns eine untergeordnetere Rolle, weil das Material meist vom Kunden bereitgestellt wird.
Sind Ihre Schwierigkeiten deckungsgleich mit den anderen IHK-Unternehmen in der Region?
Nein. Es sind aktuell einfach eine Vielzahl von Herausforderungen, mit denen die Wirtschaft zu kämpfen hat. Neben den Energiekosten spüren die Unternehmen auch gestiegene Rohstoff- und Warenpreise, Material- und Rohstoffknappheit sowie Lieferschwierigkeiten, Inflation und die Null-Covid-Strategie Chinas. Eines eint uns alle: Die Hauptauswirkung von diesen Herausforderungen ist, dass dies die Kalkulation und Planung deutlich erschwert.
Welche Branchen haben aktuell mehr zu kämpfen als andere?
Im Grunde betreffen die Herausforderungen alle Unternehmen, die energie- und kraftstoffintensiv arbeiten, von der Spedition bis zum energieintensiven Produktionsunternehmen. Aber auch kleinere Betriebe, wie Einzelhandelsgeschäfte, Lokale oder Hotels, spüren die Preissteigerungen. Die Energiepreise beschäftigen uns aktuell am meisten, neben der Inflation, die sich indirekt auf alle Bereiche der Wirtschaft auswirkt. Denn die Inflation gilt sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Unternehmen, die dies in der Regel in Form von Preissteigerungen an den Markt weitergeben. Dazu ist der Fachkräftemangel flächendeckend in allen Bereichen angekommen.
Ist eine Unterscheidung zwischen dem kleinen Handwerksbetrieb und einem großen Unternehmen, wie beispielsweise Audi, dann aktuell nicht gegeben?
Die Spanne, die Sie nun nennen, ist sehr breit gelegt. Aber grundsätzlich haben alle ähnliche Probleme. Allerdings tun sich die kleinen und mittleren Unternehmen noch schwerer als Unternehmen, die breit und groß aufgestellt sind, die auch mehrere Zweige haben, in denen sie ihre Margen verdienen.
Sieht die Auftragslage aktuell auch schlecht aus?
Im Vergleich zu den Ergebnissen der regionalen IHK-Umfrage vom Jahresbeginn 2022 hat sich die Auftragslage nur leicht eingetrübt. Sie bleibt relativ stabil angesichts der äußeren Umstände. Anders sieht es bei der erwarteten Auftragslage für die kommenden Monate aus. Da zeichnet sich laut jüngster Konjunkturumfrage ein deutlicher Rückgang ab.
Inwiefern unterscheidet sich die Region Ingolstadt von anderen Teilen Deutschlands?
Im Vergleich zu anderen Regionen leidet Ingolstadt verstärkt unter den Engpässen. Das liegt daran, weil die Region eben stärker von der Industrie geprägt ist.
Wann rechnen Sie mit einer Erholung der Lage?
Klar ist, die Energie- und Rohstoffpreise werden voraussichtlich hoch bleiben. Das liegt daran, dass sich an der abgekühlten Beziehung zu Russland so schnell nichts ändern wird. Dazu wird sich der demografische Wandel deutlich mehr bemerkbar machen. Das verschärft die Lage hinsichtlich des Fachkräftemangels. Das wird das Wachstum deutlich bremsen. Die Lage bleibt also schwierig, aber sicherlich nicht unhändelbar. Vor allem bleibt nun der Blick in Richtung Herbst spannend, wie sich die Pandemie entwickelt und wie China mit der Null-Covid-Strategie weiter umgeht.
Der Fachkräftemangel bleibt die Hürde für die Zukunft.
Richtig. Da gibt es inzwischen einige Studien, wie sich die Lücke in Bayern bis zum Jahr 2030 entwickelt. Diese wird sich dann wohl im siebenstelligen Bereich bewegen. Der Mangel an Fachkräften wird also deutlich größer. Man kann diesem Trend vielleicht etwas entgegenwirken, aber sicherlich nicht aussetzen.
Was muss passieren, damit sich die Aussichten schnell wieder aufhellen?
Die Rohstoff- und Materialknappheit hängt stark mit China und deren Null-Covid-Strategie zusammen. Da hoffen wir, dass die Wertschöpfungsketten wieder reibungsloser funktionieren. Dann steht die Politik seit dem Ukraine-Krieg vor einem äußerst schwierigen Spagat. Auf der einen Seite muss sie die Versorgungs- und Wettbewerbssicherheit der bayerischen Wirtschaft sicherstellen, auf der anderen Seite muss sie die Beziehungen zu Russland im Auge behalten und die Klimaziele darf die Politik auch nicht aus dem Blick verlieren. Für uns Unternehmer ist dabei entscheidend, dass das Thema Erdgasembargo aktuell noch kein Thema sein darf, um den Druck auf die Wirtschaft nicht noch weiter zu erhöhen. Eine Entlastung bei den derzeitigen Energiepreisen wäre zudem wichtig, genauso wie der Ausbau der erneuerbaren Energien.
Wie sehen die Prognosen für die kommenden Jahre aus?
Ein Drittel der Unternehmen rechnet erst im Jahr 2023 mit einer Verbesserung der Situation. Rund die Hälfte wagt derzeit überhaupt keine Prognose. Das spiegelt die große Verunsicherung und Skepsis wider. Momentan sind Prognosen durch die äußeren Umstände besonders schwierig.
Steht uns die größte Krise noch bevor?
Da wären wir wieder beim Thema Prognosen. Ich bin grundsätzlich Optimist. Deshalb glaube ich nicht, dass uns eine große Krise bevorsteht. Trotzdem glaube ich, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten Schwierigkeiten in einzelnen Bereichen haben werden. Die Normalität, die wir verständlicherweise herbeisehnen, wird nicht so schnell eintreffen. Grundsätzlich sorgen Krisen für Einbrüche, aber nach einer gewissen Zeit auch wieder für Erholung. Dennoch sind Rückschlüsse auf die Vergangenheit sehr schwer, weil die Herausforderungen der Krisen immer andere waren. (tis)
Zur Person
Franz Schabmüller (37) ist Geschäftsführender Gesellschafter der FRAMOS Holding GmbH. Seit 2021 ist er Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Ingolstadt. Er lebt in Ingolstadt.