Das spätkaiserzeitliche Kammergrab von Pförring
Am Mittwoch, 11. Mai, lädt das Stadtmuseum um 16 Uhr interessierte Besucher zur Vorstellung einer archäologischen Sensation ein. Zu sehen ist nun das Kammergrab der Dame von Pförring und seine 1:1-Rekonstruktion. Mit dem reichsten Grab der Region, das zudem das älteste Grab in Bayern ist, bei dem mit guten Gründen über einen christlichen Hintergrund nachgedacht werden kann, präsentiert das Stadtmuseum Ingolstadt einen weiteren, herausragenden Schatz.
Das spätantike Kammergrab von Pförring ist einer der herausragendsten archäologischen Funde des Raumes Ingolstadt mit seine zahlreichen, international bekannten Fundplatzen. Es wurde im Mai 2016 bei Ausgrabungen in einem Baugebiet nordwestlich von Pförring entdeckt. Das Grab stammt aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. – und damit aus einer archäologisch wie historisch besonders interessanten Epoche: Einerseits sind aus dieser Zeit aus Bayern sehr wenige Gräber bekannt, andererseits handelt es sich um eine historische Umbruchsphase, nämlich die dramatischen letzten Jahrzehnte des Weströmischen Reichs.
In dem Kammergrab wurde eine Frau beigesetzt, die etwa 20 bis 30 Jahre alt war. Die Frau wurde in einer großen, aus Holz gezimmerten Grabkammer beigesetzt. Sie lag etwas erhöht, vermutlich auf einem Bett, an die westliche Wand der Grabkammer gerückt. Im mittleren und östlichen Teil der Grabkammer stand zum einen eine hölzerne, mit eisernen Beschlägen versehene Truhe. Zudem fanden sich 6 handgemachte Keramikgefäße, ein unzerbrochen erhaltener Glasbecher, ein Geweihkamm sowie ein sogenanntes Webschwert.
Am bzw. nahe beim Körper der Verstorbenen fanden sich zahlreiche Schmuckstücke sowie persönliche Ausstattungsgegenstände. Um den Hals trug sie eine Kette aus kleinen Korallenperlen, die mit zwei silbernen Schließhaken verschlossen waren. Eine weitere Kette mit großen Perlen aus Bernstein und Glas war im Brustbereich an zwei einfachen bronzenen Fibeln befestigt. Auf dem linken Becken fand sich ein sogenanntes Gürtelgehänge. Dabei handelte es sich um eine Ansammlung teils persönlicher Gebrauchsgegenstände, teils von Objekten mit Amulettcharakter, wie die Muschel einer Meeresschnecke aus dem Roten Meer sowie ein Paar bronzener Zierschlüssel. An der linken Hand trug die Frau einen goldenen Ring mit einer Steineinlage.
Am Kopf fanden sich 14 figürlich verzierte, vergoldete Pressbleche aus Silber, die möglicherweise Lämmer darstellen, eine silberne Haarnadel sowie mindestens 30 pyramidenförmige Beschläge aus vergoldetem Silber, die ursprünglich den Saum eines Stoffes geschmückt haben und zu denen bislang lediglich an fünf Fundplätzen Parallelen gefunden wurden, allesamt besonders reiche Fundkomplexe des 5. Jahrhunderts: Karthago-Khoudiat Zateur (Tunesien), Rülzheim (Rheinland-Pfalz), Untersiebenbrunn (Niederösterreich) sowie Szeged-Nagyszeksos und Dunapataj-Bödpuszta (beide Ungarn).
Das spätkaiserzeitliche Kammergrab besitzt erhebliche wissenschaftliche Bedeutung. Diese rührt einerseits daher, dass es aus einer Zeit stammt, aus der in ganz Mitteleuropa sehr wenige archäologische Quellen vorliegen. Andererseits enthielt es eine Reihe von Beigaben, die die Bestattung nicht nur in eine gehobene soziale Schicht einordnen. Sie zeigen auch zahlreiche, kulturhistorisch bemerkenswerte Kontakte auf, die ins Römische Reich, aber auch in außerhalb des Imperiums gelegene Regionen verweisen. Die mutmaßlichen Lämmer, die die Dame von Pförring gut sichtbar am Kopf trug, könnten in einem christlichen Kontext stehen.
Es gibt zum Grab von Pförring in Mitteleuropa nur wenige Vergleiche. In Bayern ist vor allem die etwa gleichzeitige Männerbestattung von Kemathen, Gde. Kipfenberg, zu nennen. Zudem wurde es wesentlich sorgfältiger ausgegraben als alle bisherigen spätkaiserzeitlichen Kammergräber, zumal sich im Lössboden von Pförring Spuren der hölzernen Grabkammer besonders gut beobachten ließen.
Nach Abschluss der Ausgrabungsarbeiten wurden die Funde aus dem Pförringer Kammergrab in die Werkstatt des Landesamts für Denkmalpflege nach München gebracht. Dort wurden bereits alle Schritte der konservatorischen Erstversorgung durchgeführt. Die weiteren Restaurierungsarbeiten bis zur Ausstellungsreife aller Funde wurde vom Markt Pförring ermöglicht.
Die umfangreichen Dokumentations- und Restaurierungsarbeiten bieten eine sehr gute Grundlage für eine 1:1-Rekonstruktion des Kammergrabes. Daher entschloss sich der Markt Pförring, die herausragenden Funde als Leihgaben an das Stadtmuseum Ingolstadt zu geben. Die Stadt Ingolstadt sagte im Gegenzug die Rekonstruktion des Kammergrabs zu. Vera Planert, die das Grab nicht nur freigelegt hat, sondern auch im Rahmen ihrer Dissertation wissenschaftlich bearbeitet, und Hans-Peter Volpert, der große Erfahrung mit archäologischen Rekonstruktionen besitzt, haben dieses ehrgeizige Projekt umgesetzt. Sie werden ihre Arbeit am Mittwoch in Kurzvorträgen vorstellen.
Mit dem reichsten Grab der Region, das zudem das älteste Grab in Bayern ist, bei dem mit guten Gründen über einen christlichen Hintergrund nachgedacht werden kann, präsentiert das Stadtmuseum Ingolstadt einen weiteren, herausragenden Schatz.
Das Grab von Pförring bietet vielfältige Möglichkeiten, wichtige Fragen zu behandeln, die auch aktuell im Hinblick auf unsere Gegenwart diskutiert werden: Die Frage nach Migration und Integration von Menschen über Grenzen hinweg; den (vermeintlichen) Zusammenhang von Migration und dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches; die Frage kultureller Austauschprozessen über die Grenzen eines wohlhabenden politischen Großraums hinweg, etc.
Es gelten die aktuellen Hygieneschutzbestimmungen des Hauses. Informationen erteilt die Museumskasse unter der Telefonnummer 0841/305-1885.