Ingolstädter Zauberkünstler Sven Catello über seinen Beruf, Auftritte und die Zaubertage
Herr Catello, können Sie selbst noch über Zauberkunststücke staunen?
Sven Catello: Natürlich. Ich bin sogar sehr gut darin, mir Sachen anzuschauen und versuche nicht sofort dahinter zu kommen, wie dieser Trick funktioniert. Aber es ist auch so, dass ich einen anderen Blick auf die Zaubereien habe. In vielen Fällen weiß ich, was abläuft. Dann konzentriere ich mich beispielsweise auf die Präsentation des Künstlers, das Licht und den Umgang mit den Zuschauern. Also periphere Sachen. Trotzdem passiert es noch oft, dass ich einfach dasitze und staune. Dieses Gefühl kann ich mir gut bewahren.
Haben Sie persönlich ein Lieblingskunststück?
Catello: Das gibt es nicht. Ich mache viele Dinge gerne. Ein paar Sachen präsentiere ich schon sehr lange. Manche Dinge sind neu – die ich aber auch toll finde.
Wann haben Sie mit der Zauberei begonnen?
Catello: Mit 14 Jahren. Ich hatte mir ein Buch über Kartenzauberei gekauft. Anschließend habe ich erfahren, dass es Zauberhändler gibt, bei denen man Requisiten kaufen kann man. Daraufhin habe ich mir einen Katalog bestellt und mir Sachen zum Geburtstag oder Weihnachten daraus gewünscht. Eines der ersten Dinge, die mir meine Oma schenkte, waren Ringe. Mit diesen zaubere ich noch heute. Auch die Präsentation ist nahezu noch dieselbe. Lediglich die Länge hat sich etwas geändert. Allerdings werde ich nun nach 30 Jahren Routine die Präsentation ändern.
Wann wurde die Zauberei bei Ihnen ein Beruf?
Catello: Das hat alles langsam und schrittweise begonnen. Mit 19 Jahren habe ich einen Kongress besucht. Vorher hatte ich noch nie einen Zauberkünstler gesehen. Das ist natürlich erschreckend, weil man lediglich im eigenen Saft sitzt. Beim Kongress war ich erst einmal erstaunt. Das hat mir eine neue Welt geöffnet. Nach und nach hat sich dann auch mein Publikum vergrößert. Anfangs habe ich nur für Familie und Freunde gezaubert. Dann mal bei einem Sportverein. Mal erhielt ich ein Essen, dann 50 Mark. Einen Teil meines Studiums habe ich später mit der Zauberei bezahlt. Allerdings habe ich zu dieser Zeit dann so viel gezaubert, dass ich mein Studium vernachlässigt habe. Insgesamt habe ich 19 Semester Mathematik studiert. Erst als die Uni mich exmatrikulieren wollte, habe ich dann tatsächlich noch ein Diplom gemacht. Ab Dezember 1996 war ich schließlich frei und hauptberuflich Zauberkünstler. Das ging so bis 2011. Da kam der Fosbos-Direktor zu mir und fragte mich, ob ich Lehrer werden möchte. Seither habe ich eine unglaublich komfortable Situation: Ich muss nichts mehr machen, woran ich keine Freude habe.
Passt das überhaupt zusammen, auf der einen Seite nüchterner Mathematiklehrer zu sein, auf der anderen Seite die Illusionen durch das Zaubern?
Catello: Total. Bei der Mathematik lernt man strukturiert zu denken. Das hilft ungemein beim Entwickeln von Programmen, Kunststücken und Strukturen. Mathematik hat nur am Anfang mit Zahlen zu tun. Je tiefer man in der Mathematik einsteigt, desto weniger Zahlen wird man sehen. Im Studium sieht man keine Zahlen mehr, nur noch Buchstaben. Somit wird also durch die Mathematik das Denken gelernt. Und das hilft auch bei der Zauberei.
Wieviel Übung erfordert das Zaubern?
Catello: Zeitlich kann man das nicht festmachen. Einerseits gibt es die handwerkliche Seite, in die man Übungszeit investieren muss. Andererseits braucht es auch Konzeptionszeit, welche man nicht genau festschreiben kann. Da geht es viel ums Nachdenken, Programme zusammenzustellen, Texte schreiben, Musik und Themen finden. Das nimmt viel mehr Zeit in Anspruch. Aber auch das ist ein Prozess. Wenn man ein Kunststück hat, probiert man es dann vor einem Publikum aus. Anschließend wird verbessert, umgestellt und Elemente herausgestellt. Man ist eigentlich laufend am Arbeiten.
Für wen zaubern Sie?
Catello: Eigentlich zu jedem Anlass; für Kinder und Erwachsene, bei Geburtstagen genauso wie bei Hochzeit- und Firmenfeiern. Ich habe schon für zwei Leute gezaubert und auch für 2.000. Dazu gibt es öffentliche Auftritte, wie das „Catello-Zaubermenü“, die Zaubertage und die „Family-Magic-Show“. Ansonsten lebe ich davon engagiert zu werden. Insgesamt trete ich etwa rund 70-mal pro Jahr auf.
Während der Corona-Pandemie waren es allerdings weniger, oder?
Catello: Natürlich. Obwohl ich das „Catello-Zaubermenü“ trotzdem einmal pro Monat während der Corona-Krise veranstaltet habe – natürlich abhängig von den jeweiligen Hygiene-Regelungen. Das erste Mal ohne Auflagen habe ich erst jetzt im Mai wieder gespielt. Die Verkaufszahlen sind leider noch nicht wie vor der Pandemie. Die Leute trauen sich offenbar noch nicht oder sind träge geworden. Man merkt deutlich die Zurückhaltung. Die „Family-Magic-Show“ habe ich erstmals wieder im Januar gespielt. Diese hat besser funktioniert. Für die Kinder scheinen die Leute herauszugehen. Normalerweise spiele ich diese Show einmal im Jahr. Allerdings zeige ich diese nochmal am 29. Mai. Die Nachfrage ist da und keiner weiß, was im kommenden Winter wieder passiert.
Ist die Magic-Show ein Potpourri Ihrer Zauberkunststücke?
Catello: Nein. Ich mache mir immer sehr viele Gedanken, damit die Show für Erwachsene und Kinder gleichermaßen funktioniert. Da ich die Magic-Show einmal pro Jahr spiele, versuche ich auch immer neue Sachen zu präsentieren. Ich nehme dazu das Beste, das ich habe, plus ein paar neue Dinge, damit es für die Leute interessant wird, nochmal zu kommen. So sind mindestens 25 bis 50 Prozent der Show jedes Mal neu. Mittlerweile versuche ich auch immer mehr persönliche Dinge unterzubringen, also Geschichten aus meinem Leben. In der Show erzähle ich nun beispielsweise viele Dinge von meinen Reisen.
Ist es schwierig ein Programm aufzustellen, das Kindern und Erwachsenen gerecht wird?
Catello: Normalerweise trete ich entweder für Kinder oder für Erwachsene auf. Beiden Altersgruppen in einer Show gerecht zu werden, ist schwer. Wenn ich für Kinder zaubere, handelt es sich mehr um Mitmach-Kunststücke. Bei Erwachsenen sind es mehr Zusehen-Kunststücke, bei denen nur einzelne Leute mitmachen. Natürlich unterscheiden sich auch die Texte und Themen. Trotzdem können bei mir Erwachsene bei den Kindershows zuschauen. Bei der Magic-Show mische ich allerdings beides. Dann handelt es sich teilweise um Kunststücke, die Erwachsene mehr ansprechen, teilweise dann die Kinder. Das funktioniert, weil es Familien sind. Erwachsene können Kindern etwas erklären, wenn sie etwas nicht verstehen können. Eines eint allerdings sowohl die Kunststücke für die Kinder als auch für die Erwachsenen: Die Kunststücke sind erstaunlich. Das heißt: Staunen ist immer dabei. Die Präsentation ist aber eine andere.
Was ist das „Catello-Zaubermenü“?
Catello: Für mich ist das Zaubermenü mit die schönste Art aufzutreten. Es findet einmal im Monat statt. Ich sitze am Tisch, die Leute sind um mich herum versammelt. Alles ist eng zusammen. Maximal 50 Leute sind im Raum, wie in einer Arena. Wenn alles voll besetzt ist, ist die Stimmung gewaltig. Ein intensives Erlebnis, viel stärker als wenn ich auf einer Bühne stehen würde. Beim Zaubermenü gibt es also gastronomische Verköstigung, ich zaubere dabei und habe Zeit Geschichten zu erzählen. Dazu mache ich erstaunliche Sachen.
Höhepunkt des Ingolstädter Zauberjahrs sind aber die Zaubertage.
Catello: Wegen Corona habe ich sie in diesem Jahr nach vorne auf den Oktober gelegt. Sonst finden diese immer im November statt. In diesem Jahr veranstalte ich sie zum 25. Mal. Dem Festival liegt folgende Idee zugrunde: Früher, zu meiner Studienzeit, hatte ich mich mit anderen Zauberkünstlern getroffen, während ich an Wettbewerben teilgenommen habe. Da entstand der Gedanke, dass es doch toll wäre, wenn wir zusammen öfter auftreten würden. Diese Idee habe ich in die Tat umgesetzt. Zuerst haben wir an zwei Tagen zwei Shows in der „Neuen Welt“ gespielt. Zusammen mit dem Direktor des damaligen Hotels „NH Ambassador“ kam das Angebot zustande, dass die Künstler dort übernachten können. Daraufhin haben wir die Zaubertage ausgedehnt und spielen in unterschiedlichen Orten. Das Ziel ist allerdings gleichgeblieben: Wir wollen den Menschen in Ingolstadt zeigen, wie Zauberei aussehen kann. Diese Art von Festival war in Europa einmalig. In diesem Jahr gibt es einige Besonderheiten: Der Magische Zirkel in Deutschland veranstaltet Wettbewerbe. Der Jugendwettbewerb wird deshalb im Rahmen der Zaubertage in Ingolstadt ausgerichtet. Außerdem wird es nach mehrjähriger Pause wieder eine Galashow geben, an der sechs bis sieben Zauberkünstler an einem Abend auftreten.
Das Gespräch führte Timo Schoch.
Zur Person
Sven Catello (54) ist Mathematiklehrer und Zauberkünstler. Er lebt in Ingolstadt.