„Wir wollen die gleichen technischen ÖPNV-Standards in der Region schaffen wie im Stadtgebiet“
INVG-Geschäftsführer und Geschäftsleiter der VGI, Robert Frank, über die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs
Herr Frank, die „Ingolstädter Verkehrsgesellschaft“ (INVG) geht in diesem Jahr in die „Verkehrsverbund Großraum Ingolstadt“ (VGI) auf. Ist das nur ein Namenswechsel oder auch eine Zeitenwende?
Robert Frank: Es geht darum, dass wir eine Struktur schaffen, damit die gleichen technischen Standards in der Region umgesetzt werden können, welche wir bislang im Stadtgebiet und in den Umlandgemeinden schon haben.
Es fallen also beim ÖPNV die Grenzen zwischen der Stadt Ingolstadt und den Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen a. d. Ilm weg.
Frank: Genau. Wir denken über die gesamte Region hinweg und beziehen diese mit ein. Das entlastet Ingolstadt, wenn sich mehr Bürgerinnen und Bürger in den Landkreisen für die Nutzung des ÖPNV entscheiden. Es werden dadurch PKW-Fahrten vermieden. Das reduziert den Verkehr insgesamt, von dem natürlich auch die Ingolstädter einen Vorteil haben. Wenn wir den ÖPNV in der Region verbessern, dann profitiert also nicht nur unmittelbar die Region selbst, sondern alle Partner in einem Verkehrsgebiet. Das ist die grundlegende Logik dahinter.
Der Ingolstädter Oberbürgermeister und VGI-Verbandsvorsitzende, Christian Scharpf, sprach von einem Quantensprung. Landrat Alexander Anetsberger und stellvertretender Verbandsvorsitzender sprach von einer revolutionären Entwicklung. Das sind hochtrabende Worte.
Frank: Wir werden in der Tat mit den 27,8 Millionen Euro an Fördergeldern eine große Verbesserung des ÖPNV in der gesamten Region des Verkehrsverbunds VGI erzielen. Das umfasst beispielsweise eine gemeinsame Leitzentrale, Echtzeitinformation und Handy-Ticketing. Wir werden neue Linien einführen, Takte verkürzen und wollen einen On-Demand-Verkehr aufsetzen.
Wie sieht der Zeitplan des Zusammenschlusses aus?
Frank: Im Laufe diesen Jahres soll dies passieren. Der Zusammenschluss hängt von der steuerlichen Prüfung durch die Wirtschaftsprüfer und gesellschaftsrechtliche Überlegungen ab. Wir können dies nicht alles selbst beeinflussen, sondern sind zeitlich auch auf die Einschätzung Dritter angewiesen.
Wie lange wird es dauern, bis die Maßnahmen insgesamt umgesetzt sind?
Frank: Die Maßnahmen müssen auf Monate, teilweise bis zu einem Jahr, vorbereitet, europarechtlich ausgeschrieben und vergeben werden. Das sind aufwendige Vergabeverfahren, mit langen Fristen. Deshalb ist es nicht möglich, von heute auf morgen schnelle Umsetzungen auszuweisen. Das gesamte Projekt „VGI newMind“ ist auf drei Jahre ausgelegt.
Was ändert sich alles konkret für die Kunden?
Frank: Wir wollen die Qualität insgesamt erhöhen. Es sind 53 Einzelmaßnahmen, die zu einem Gesamtwerk führen. Im Kern geht es dabei um Folgendes: Die Informationen für den Kunden wollen wir im gesamten VGI-Gebiet – das heißt in Ingolstadt plus in den drei Landkreisen – deutlich verbessern. Wir wollen pünktlicher werden. Wir haben dazu Maßnahmen geplant, wie Bevorrechtigung von Bussen in Umlandgemeinden. Das wollen wir mit einer effizienten Steuerung der Ampelsysteme erreichen. Des Weiteren wird aus der INVG-App die VGI-App. Dies stellt eine App-Erweiterung dar. Dazu zählt, dass wir ab Sommer mit Bedarfsverkehren in der Region beginnen wollen, also mit On-Demand-Verkehren. Diese werden über jene App gesteuert. Dazu erhalten die Kunden eine Echtzeitinfo über die Fahrplanlage im gesamten VGI-Verbundgebiet. Wir wollen auch einzelne Takte verbessern. Dazu verkehren seit dem 20. März im Stadtgebiet Ingolstadt die Nachtlinien statt im Ein-Stunden-Takt im Halb-Stunden-Takt. Ab September wird die Linie 21 im 15-Minuten-Takt fahren, die Linie 70 erstmalig im Zehn-Minuten-Takt. Wir führen also im Stadtgebiet Ingolstadt erstmals eine Linie im Zehn-Minuten-Takt ein. Das gab es bislang noch nie.
Sie sprachen den On-Demand-Verkehr an. Was ist das genau?
Frank: Kleinbusse fahren als sogenannte Bedarfsverkehre oder „On-Demand“ dann, wenn der Kunde sie über eine App nachfragt – also losgelöst vom normalen Takt. Das planen wir dort, wo das ÖPNV-Angebot noch nicht stark ist oder noch fehlt. Fünf Pilotregionen sind geplant, die vom Förderprogramm erfasst werden: Beilngries, Ingolstädter Klinikum/Gaimersheim und Umland, Baar-Ebenhausen, IN-Campus-Gelände und Denkendorf.
Wie wird dies dann in der Realität aussehen?
Frank: Ergänzend zu bestehenden Busverkehrsbindungen kann sich der Kunden zusätzlich bei Bedarf über die VGI-App einen Kleinbus bestellen. Dieser Wunsch kommt in der Leitzentrale am Nordbahnhof an und wird dort geprüft. Anschließend wird die Bestellung dann einem Unternehmen zugeordnet, das die Fahrzeuge und den Fahrer hat und an den Ort fahren kann, wo dieser Fahrgast wartet. Diese technische Machbarkeit wird aktuell entwickelt.
Das hört sich stark nach Taxiunternehmen an.
Frank: Es gibt nicht die gleiche Punkt-zu-Punkt-Beförderung wie bei einem Taxi. Das wäre eine Konkurrenz zum Taxi-Gewerbe. Das wollen wir nicht. Wir wollen eine Ergänzung zum ÖPNV, gerade dann, wenn die Taktzeiten des ÖPNV in der Nacht, an Wochenenden oder an Tagesrandlagen nicht gut ist. Der große Unterschied zu einem Taxiunternehmen ist: Bei mehreren Fahrtenwünschen sollen Fahrten gepoolt werden, um eine wirtschaftlichere Auslastung zu haben. Es wird also keine individuelle Beförderung sein, sondern es wird immer geschaut, wo es wirtschaftliche Möglichkeiten gibt, weitere Kunden aufzusammeln, also Fahrten zu bündeln.
Wird der dezentrale Omnibusbahnhof durch dezentrale Standorte ergänzt?
Frank: Das ist nicht Bestandteil von „VGI newMind“. Das ist eine davon losgelöste Überlegung, wie man die Verkehre hier zusätzlich gestalten kann. Aus meiner Sicht ist der zentrale Omnibusbahnhof ein sehr gut gelegener, zentraler Umsteigepunkt im Stadtgebiet, der weiter seine Berechtigung hat. Ob wir aber auch zukünftig ergänzende, zusätzliche Umstiege schaffen, müssen wir prüfen. Wir haben mit dem Nordbahnhof eine weitere, gute Verkehrsdrehscheibe installiert. Der Hauptbahnhof zählt ebenfalls als dezentraler Standort für attraktive Umsteigebeziehungen. Die jüngste Verkehrsdrehscheibe, die wir nun aufgebaut haben, ist der Audi-Bahnhalt. Es kann sein, dass da noch mehr kommt. Aber, wie Sie bereits gesagt haben: Das wird ergänzend sein, nicht ersetzend.
Es gibt aktuell ein Pilotprojekt: Ein Dach einer Bus-Haltestelle soll begrünt werden. Wie ist der aktuelle Stand?
Frank: Es handelt sich dabei um ein Testprogramm einer Haltestelle im Stadtgebiet. Wir wollen das nun über einen Zeitraum mehrerer Monate analysieren. Dabei geht es im Kern um folgende Fragen: Wie hoch ist der Unterhaltungsbedarf? Wie hoch ist der Aufwand der personellen Überprüfung? Wie ist die Akzeptanz beim Fahrgast? Nach dieser Prüfungsphase werden wir alles genau analysieren und den Aufsichtsrat über diese Pilotphase informieren.
Was ist der Grund für dieses Pilotprojekt?
Frank: Es handelt sich dabei um eine zusätzliche Grünfläche, die für ein besseres Mikroklima im urbanen Umfeld sorgt. Die Begrünung bietet Insekten, beispielsweise Bienen, die Möglichkeit, in der Stadt eine zusätzliche Grünfläche zu nutzen und natürlich ist es auch ein kleiner Beitrag zum Klimaschutz.
Wieviel kostet das?
Frank: Leider kostet die Begrünung mehr als wenn man eine normale Haltestelle mit einem normalen Dach ausstatten würde. Wir schätzen ca. 5000 bis 10.000 Euro betragen die Kosten. Aber die Kosten für den Unterhalt sind aktuell noch unklar. Das können wir erst in der Testphase ermitteln. Deshalb muss bei einer Ausweitung des Projekts eine politische Entscheidung folgen. Aus meiner Sicht wären einige Standorte in der Ingolstädter Stadtmitte sehr gut für den Aufbau von Dachbegrünungen geeignet.
Das Interview führte Timo Schoch.
Zur Person
Robert Frank (52) ist INVG-Geschäftsführer seit 2007 und Geschäftsleiter der VGI.
Die INVG
Die „Ingolstädter Verkehrsgesellschaft“ (INVG) wurde am 15. November 1988 durch die Stadt Ingolstadt gegründet. Alleiniger Gesellschafter ist die Stadtwerke Ingolstadt Beteiligungen GmbH mit einem Geschäftsanteil von 100 Prozent. Die INVG ist kein Verkehrsunternehmen, kein Omnibusbetrieb, sondern der Dienstleister auf dem Gebiet des öffentlichen Nahverkehrs in Ingolstadt und darüber hinaus. Das Ziel der INVG ist, den Einwohnern der Stadt Ingolstadt, sowie den 16 Gemeinden der Landkreise Eichstätt und Pfaffenhofen a. d. Ilm, im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs eine bestmögliche Versorgung anzubieten. Umgesetzt und realisiert wird der Nahverkehr von derzeit sechs regionalen und privaten Omnibusverkehrsunternehmen. Die INVG selbst beschäftigt aktuell 32 Mitarbeiter. Mit den Bussen, die im Auftrag der INVG fahren, werden werktäglich über 50.000, jährlich circa 14 Millionen Menschen befördert.
Der VGI
Ende vergangenen Jahres hat der „Verkehrsverbund Großraum Ingolstadt“ (VGI) einen Förderbescheid in Höhe von 27,8 Millionen Euro erhalten. Hiermit soll der Ausbau und eine erhebliche Qualitätsverbesserung im gesamten regionalen und städtischen ÖPNV erreicht werden. Das Projekt umfasst neben der Stadt Ingolstadt die Landkreise Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen a. d. Ilm.