Existenz des Ingolstädter Schlachthofes akut gefährdet
Einheitliche Fleischhygienegebühren in Bayern – Existenz des Ingolstädter Schlachthofes akut gefährdet
13.10.2021
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
Unser regionaler Schlachthof ist aufgrund der bayerischen landesrechtlichen Vorschriften akut in seiner Existenz gefährdet.
Wir haben in Ingolstadt einen gewerblichen Schlachthof, in dem der regionale Fleischbedarf im Zusammenwirken mit den hiesigen Metzgern gedeckt werden kann. Das dient dem Tierwohl und der Fleischqualität: Lange Transporte werden vermieden, es wird artgerecht, qualfrei und hygienisch geschlachtet, dem Umweltschutz wird durch weniger Transportaufwand ebenso Rechnung getra- gen wie der regionalen Wertschöpfung. Kurzum: Eine nachhaltige, ökologische und am Tierwohl sowie Verbraucherschutz orientierte Lösung.
Bis Ende 2016 war mit dem Schlachthof eine vom Stadtrat beschlossene Fixgebühr pro Schwein von 1,86 Euro vertraglich vereinbart. Diese Regelung wurde vom Bayerischen kommunalen Prüfungsverband beanstandet. Seitdem sind wir gezwungen ”spitz“ abzurechnen und dem Schlachthof die tatsächlichen Kosten in Rechnung zu stellen. Mittlerweile beträgt die Gebühr mehr als 3 Euro pro Schwein. Für unseren Schlachthof ist das eine wirtschaftlich völlig inakzeptable Höhe, zu- mal etwa der Schlachthof in Ulm mit I Euro pro Schwein eine unschlagbare Konkurrenz darstellt. Ulm kann diese – europarechtlich zulässige – niedrige Gebühr verlangen, weil das Baden-Württembergische Landesrecht dies erlaubt. Ich möchte als Oberbürgermeister diesen Weg einer niedrigeren Gebühr in Ingolstadt auch gehen, werde aber an den bayerischen landesrechtlichen Vorgaben daran gehindert.
Die Schlachthofbetreiber haben gegen die städtischen Gebührenbescheide seit Juli 2018 Widersprüche eingelegt. Diese Widersprüche wurden größtenteils abgewiesen und die städtischen Be- scheide bestätigt. Dagegen führen die Schlachthofbetreiber nun Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München (Az. M 26b K 21.4545).
Als Stadt sehen wir uns im Dilemma, dass wir die Gebühren weder für die klagegegenständliche Vergangenheit noch für die Zukunft senken können, da diese nach derzeit geltendem Recht kostendeckend sein müssen. Es ist nicht gestattet, einzelne Kostenpositionen ganz oder teils außer Ansatz zu lassen. Gleichzeitig würden wir gern mit niedrigeren Gebühren den Betrieb unterstützen, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen. Vergleiche mit anderen, ohnehin nicht mehr zahlrei- chen Schlachtbetrieben wurden selbstverständlich angestellt, um Verbesserungspotenzial zu heben. Strukturelle und länderrechtliche Unterschiede erlauben aber keinen echten Abgleich. Rechts- treue andernorts bei der Gebührenkalkulation unterstellen wir zwar, wundern uns aber über die teils ganz erheblich niedrigeren Gebühren. Auf unsere Anfragen hin wurde uns nirgendwo Einblick in die Kalkulationen gestattet.
Der Bayerische Landtag hat laut seiner Drucksache 18/11800 vom 02.12.2020 (vorgehende Drucksachen: 18/10276, 18/10345 und 18/11437) beschlossen, das regionale Metzgerhandwerk zu stärken. Dazu ist der Staatsregierung aufgegeben, die Fleischhygienegebühren innerhalb Bayerns pro Schlachttier zu vereinheitlichen, sodass kleinere Schlachthöfe nicht länger, wie bisher, gegenüber großen und solchen im Niedriglohn-Ausland benachteiligt werden. Würde zumindest bayernweit ein einheitlicher Gebührensatz vorgegeben, wäre das in jeder Hinsicht zu befürworten.
Zu Recht propagiert die Bayerische Staatsregierung regionales, biologisches und artgerechtes Wirtschaften. Ein Tier ist kein Gegenstand und Fleisch ist keine Sache, womit man sorglos nach Belieben verfahren kann. Doch nicht nur die Konkurrenzsituation mit dem Ausland – auch die im Vergleich zum Landesgebührengesetz in Baden-Württemberg ohne Not strengere bayerische Gebührenregelung in Art. 21 b GDVG führt zu einer Benachteiligung der bayerischen Schlachtbe- triebe.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich möchte unseren lngolstädter Schlachthof erhalten. Die Verantwortlichen des Schlachthofs können nicht mehr abwarten, bis ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren in Bayern abgeschlossen ist. Ich bitte Sie inständig, im Sinne unserer mittelständigen Betriebe und unserer regionalen Wirtschaft auf eine schnelle Lösung zu dringen. Das sind wir unserer Bevölkerung schuldig. Ich möchte deshalb, dass es uns so schnell wie möglich rechtlich gestattet wird, mit unserem Schlachthof eine Preisvereinbarung zu treffen, die für diesen aus- kömmlich ist. Hierfür bitte ich Sie dringend um Ihre Unterstützung und um ein Signal Seitens der Bayerischen Staatsregierung.
Auf unser Schreiben an Herrn Staatsminister Thorsten Glauber vom heurigen Februar in dieser Sache darf ich abschließend ebenso Bezug nehmen wie auf unsere Gespräche mit Herrn MdL Johann Häusler. Ihnen geht ebenso ein Abdruck dieses Schreibens zu wie dem Bayerischen Landwirtschaftsministerium, dem örtlich zuständigen Kreisverband des Bayerischen Bauernverbands sowie der örtlichen Metzgerinnung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christian Scharpf