Lebensretter im Reanimationszentrum – Weltherztag 29. 09.
Der damals 57-jährige Peter Herzner hielt 2019 bei einer Mountainbike-Tour wenige Kilometer vor der Rückkehr wegen Unwohlsein an und kollabierte kurz darauf. Er hatte einen Herzstillstand bei Herzinfarkt und war damit klinisch tot. Eine anwesende Krankenschwester begann sofort, ihn vor Ort wiederzubeleben. Der Notarzt musste mehrfach einen Defibrillator einsetzen, um lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen zu beenden. Nach 50 Minuten schlug das Herz des Patienten wieder.
Die Ärzte im Klinikum Ingolstadt öffneten die verschlossene Vorderwandarterie und versorgten den Patienten mit mehreren Stents (Stützen, um das Gefäß offen zu halten).In der Computertomographie zeigten sich jedoch Zeichen einer Hirnschädigung durch die verminderte Durchblutung. Zum Schutz des Gehirns wurde der Patient gekühlt, weil bei niedrigerer Temperatur der Sauerstoffbedarf des Gehirns sinkt. Medikamente stabilisierten das schwere Multiorganversagen. Drei Wochen später konnte Herzner mit guter Herzfunktion und ohne neurologische Auffälligkeiten seine Rehabilitation antreten.
Herzkatheter-Team rund um die Uhr einsatzbereit
„Zu den häufigsten Ursachen eines Herzinfarkts gehört der Verschluss eines Herzkranzgefäßes wie bei Herrn Herzner. Der Blutfluss stoppt, in der Folge wird der Herzmuskel nicht mehr versorgt und das Herzmuskelgewebe stirbt ab. Deswegen ist es so wichtig, dass die Wiederbelebung z. B. durch eine Herzdruckmassage sofort einsetzt“, erklärt Prof. Dr. Karlheinz Seidl anlässlich des Weltherztages am 29. September. Am Klinikum Ingolstadt steht rund um die Uhr ein Team für die unverzügliche Herzkatheter-Untersuchung zur Behandlung des Herzinfarkts zur Verfügung, um Gerinnsel zu entfernen und die Herzkranzgefäße so früh wie möglich wieder zu eröffnen.
Gut 30 Patienten wird so jedes Jahr das Leben gerettet
Das Klinikum wurde 2020 als 4. Krankenhaus bayernweit zum Cardiac Arrest Center (Reanimationszentrum) zertifiziert, die interdisziplinäre Erstversorgung bereits 2019 neu strukturiert. Kardiologen, Notfall- und Intensivmediziner, Anästhesisten sowie erfahrene Pflegekräfte arbeiten dafür im Klinikum Hand in Hand, um schnell die notwendige Stabilisierung, Diagnostik und professionelle Behandlung zu sichern. „Gut 30 Patientinnen und Patienten retten wir so in unserem Zentrum jedes Jahr das Leben“, berichtet Seidl.
Mit der ECMO-Therapie entscheidende Zeit gewinnen
Bei einem weiteren Patienten im Klinikum gab es im Hauptgefäß am Herzen nur noch einen Hauch von Blutfluss. Durch die Blockade dieses Blutgefäßes kann sich ein tödlicher Infarkt entwickeln. Eigentlich sollte der Patient deswegen zu einer geplanten Bypass-Operation verlegt2werden. Kurz vor Eintreffen des Hubschrauberteams wurde er noch im Klinikum Ingolstadt reanimationspflichtig. Nach sofortigem Anschluss an eine sogenannte VA-ECMO, einem Gerät, das vorübergehend die Herz-Lungen-Funktion ersetzt, konnte das mittlerweile verschlossene Blutgefäß im Klinikum wieder eröffnet und noch rechtzeitig mit Stents versorgt werden. Die VA-ECMO kam danach bei dem 67-jährigen Patienten für insgesamt 16 Tage zum Einsatz.
Mit diesem Apparat kann Zeit für die Diagnostik und Therapie gewonnen werden. Aus dem rechten Herz saugt eine Pumpe Blut an, dem über eine Membran Kohlendioxid entzogen und Sauerstoff zugeführt wird, bevor es in die Arterie zurückfließt. In der Folge kann deutlich schonender beatmet werden, Nebenwirkungen durch starke kreislaufstabilisierende Medikamente sind reduziert, und die Sauerstoffversorgung der Organe ist gewährleistet. Das Klinikum in Ingolstadt ist in der gesamten Region das einzige Zentrum, dass solche kreislaufunterstützenden Systeme bereit hält. Eine vorbereitete ECMO steht im Herzkatheterlabor immer für Notfälle bereit.
Trotz Corona rechtzeitig ärztlichen Rat suchen
Den Weltherztag nimmt Seidl zum Anlass für einen Appell in der Pandemie: „Leider haben wir in den verschiedenen Corona-Wellen immer wieder gesehen, dass einzelne Patientinnen und Patienten sich leider viel zu spät bei Verdacht auf Herzinfarkt an ein Krankenhaus wenden. Das ist lebensgefährlich. Deswegen appelliere ich an alle: Wenn Sie oder Ihre Nächsten Symptome wie heftigen Druck oder brennende Schmerzen in der Brust verspüren, die länger als 15 Minuten andauern, suchen Sie ärztlichen Rat und verlieren Sie keine Zeit. Es gibt keinen Grund wegen der Pandemie hier zu zögern.“
Das Klinikum Ingolstadt bietet als eines der größten kommunalen Krankenhäuser in Bayern die Behandlung komplexer Krankheitsbilder in Wohnortnähe. Es gehört zu den Vorreitern der Digitalisierung im Krankenhausbereich und fördert z.B. anwendungsbezogene Forschung in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen. 3.700 Mitarbeiter versorgen jährlich rund 100.000 Patienten in 21 Kliniken und Instituten. Zum Klinikum Ingolstadt gehört eines der größten deutschen Zentren für psychische Gesundheit in einem Allgemeinkrankenhaus.
Bild: Prof. Seidl mit Kolleginnen im Herzkatheter-Labor – Foto: Klinikum Ingolstadt