Perspektivwechsel: Fred Over sitzt seit Mai für die ÖDP im Stadtrat
Diese Meldung machte ihm sichtlich Freude: Der Deutsche Städtetag verabschiedete sich jüngst von der „autofreundlichen“ Stadt und fordert einen neuen Verkehrsmix mit mehr Platz für Mensch und Natur in den Innenstädten. „Wir brauchen auch in Ingolstadt nicht noch mehr Parkplätze, Tunnels und Parkhäuser,“ erklärt Fred Over, der bei der Kommunalwahl für die ÖDP in den Ingolstädter Stadtrat eingezogen ist. Er sei nicht grundsätzlich gegen Autos, aber: „Städte sind für die Menschen da.“ Von 2003 bis 2019 war der Polizeibeamte als Kontaktbeamter in Ingolstadt im Einsatz und auch da begegnete ihm das Thema immer wieder. Beispiel: Parkplätze. Geschäftsleute verlangten sogar von ihm, bei Parksündern ein Auge zu zu drücken, wenn diese im jeweiligen Laden eingekauft hätten. Die anderen dürfe er ruhig aufschreiben. „Und dieses Jammern, was die Parkplätze kosten, ist mir zuwider,“ betont Fred Over.
Kleine Partei – große Efolge
Seit 23 Jahren ist er Mitglied der kleinen Partei, die in Bayern mit den beiden Volksbegehren zum Nichtraucherschutz und „Rettet die Bienen“ Erfolge erzielte. Und in Ingolstadt war es nicht zuletzt die ÖDP, auf deren Initiative die Landesgartenschau 2020 (bzw. 2021) zustande kam. Trotzdem ist sich Fred Over bewusst, dass seine Partei weiterhin ein Minderheitendasein fristen wird. „Mein großes Vorbild ist ÖDP-Urgestein Franz Hofmeier, aber mir fehlt seine Gelassenheit,“ meint Over. Um gemeinsam mehr zu bewegen hat man sich in Ingolstadt mit den Linken zu einer Ausschussgemeinschaft zusammen geschlossen: „Christian Pauling ist ein toller Kollege und die Eva kenne ich schon aus ‚Ingolstadt ist bunt Zeiten‘. Die Diskussionen mit ihr zum Thema Polizei waren immer sehr erfrischend.“ Ergänzt wird die Gemeinschaft mittlerweile durch UDI und BGI.
„Ich bin gewählt worden, weil die Leute mich kennen,“ ist sich der pensionierte Polizeibeamte bewusst. Er selbst hätte nie gedacht, was ihn als Stadtrat erwartet. Und er gibt offen zu: „Ich hatte von Anfang an Angst, eine Sitzung zu verpassen.“ Mit Raimund Köstler und Franz Hofmeier stünden ihm aber erfahrene Kommunalpolitiker zu Seite: „Ich bin froh, dass sie mich unterstützen.“ Mit der Wahl zum Stadtrat hat sich für ihn eine neue Perspektive auf vieles ergeben, was aber nichts an seinen Prinzipien ändert. Die Schwerpunkte seiner politischen Arbeit liegen in den Bereichen innere Sicherheit, Asyl und Kunst und Kultur. So ist es ihm ein wichtiges Anliegen, den kommunalen Ordnungsdienst beim Ordnungsamt anzusiedeln. Ab dem Frühjahr 2022 kann das soweit sein, dafür sieht er positive Signale: „Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist Aufgabe von Stadt und Polizei,“ so Over. Die Stadt müsse ihren Anteil daran leisten, aber diese Unterstützung habe er in der Vergangenheit vermisst: „Man kann nicht bei jeder Gelegenheit nach der Polizei rufen. Dabei geht es nicht darum, die Polizei zu entlasten, sondern dass die Stadt ihren Beitrag leistet.“ Auf diesem Feld mit den Berufskollegen im Stadtrat Alfred Grob und Robert Schidlmeier (beide CSU) zusammenzuarbeiten, ist für den ÖDPler selbstverständlich. „Ich würde mir wünschen, dass alle Kollegen eine Haltung frei von Ideologien in den Stadtrat tragen.“
Integration und falsche Behauptungen
Als Erfolg verbuchen kann der ÖDP-Stadtrat, dass sein Antrag auf Abbildung des Stadtrats im Migrationsrat Erfolg hatte. Dort sind nun neun Stadträte, also auch Vertreter der kleinen Gruppierungen vertreten, unter anderem eben Fred Over, dem das Thema Integration am Herzen liegt („In einer Gemeinschaftsunterkunft kann man sich nicht in die Stadtgesellschaft integrieren“).
Als Polizeibeamter und ausgebildeter Mediator hat er in diesem Bereich bereits mit der Ingolstädter Integrationsbeauftragen Ingrid Gumplinger („eine tolle Frau“) z.B. beim Thema Ankerzentrum zusammen gearbeitet. Die Wiederaufnahmes des Runden Tisches „Asyl“ begrüßt er ausdrücklich und freit sich darüber, am 14. September darain teilnehmen zu dürfen. Was ihn allerdings so richtig auf die Palme bringen kann, sind falsche Behauptungen. Etwa, als es hieß, das Ankerzentrum werde von der Polizei bewacht. „Das stimmt einfach nicht!“, so Over. Und ihn ärgert die Polarisierung, die gerade dieses Thema oft mit sich bringt: Setzt man sich für ein menschenwürdiges Leben von Geflüchteten ein, sei man sofort extrem links. Befürworte man die Abschiebung von Menschen ohne Bleiberecht, gelte man gleich als Nazi.
Dass es bei den ÖDPlern keinen Fraktionszwang gibt, kommt Fred Over durchaus zugute. Denn seine Meinung muss nicht immer mit der „Parteilinie“ übereinstimmen. Etwa bei der 5G Technologie, die von der ÖDP abgelehnt wird. „Hier fehlt es vor allem an Information. Das hat die Bürgerbeteiligung gezeigt,“ meint er. „Ich sehe als als unsere Pflicht, die Leute zu informieren.“ Und wenn es um eine Discgolfanlage im Glacis geht, spricht sich Fred Over dafür aus. Man solle Kindern, die womöglich von früh bis spät vor dem Smartphone sitzen, die Möglichkeit zur Bewegung zu bieten. „Ich bereite mich schon auf die Watschn vom Michael Würflein vor,“ schmunzelt Over.