Wenn Respekt zerbricht – wie viel Vandalismus hält eine Stadt aus ?
Es hätte ein Zeichen für Verantwortung und Erhalt sein können: Das denkmalgeschützte Alte Wächterhäusl im Hindenburgpark – ein kleines historisches Gebäude, eingebettet in eine grüne Achse mitten in Ingolstadt – wurde bereits in der Vergangenheit mutwillig beschädigt. Als Reaktion ließ der Freistaat Bayern das Gebäude über seine Wohnbaugesellschaft, die Stadibau GmbH, umfassend sanieren. Mit viel Aufwand und Respekt vor der ursprünglichen Bausubstanz sollte es wiederhergestellt werden.


Doch noch bevor die Arbeiten vollständig abgeschlossen waren, schlug der Vandalismus erneut zu: Unbekannte warfen Steine durch die Fenster und rissen Fensterstöcke heraus. Maßgefertigte Elemente wurden beschädigt, der Schaden liegt bei über 20.000 Euro. Was hier zerstört wurde, ist mehr als Material. Es ist ein weiterer Stein im bröckelnden Fundament des öffentlichen Respekts.
Das Alte Wächterhäusl ist nicht öffentlich zugänglich und nicht zum Verweilen gedacht – und doch trifft es offenbar genau deshalb den Nerv eines Problems, das größer ist als dieser einzelne Tatort: den achtlosen Umgang mit historischem Kulturgut.
Piuspark, Spiegelrondell – Orte unter Druck
Auch an anderen Stellen zeigt sich dasselbe Muster. Im Piuspark, einst als Ort der Naherholung und Begegnung gedacht, häufen sich mutwillige Zerstörungen. Bänke werden angezündet, oft während dort gegrillt wird. Die Schäden: verkohltes Holz, zerstörte Sitzflächen. Immer wieder wird repariert – und immer wieder neu zerstört.


Dazu kommen Schmierereien an Wänden und Pavillons, etwa am Moskau-Pavillon. Politische Parolen, Symbole, Farbattacken – Spuren von Zerstörung, die nichts mit Meinungsäußerung zu tun haben, sondern einfach Zeichen von Desinteresse und Respektlosigkeit sind.


Und das nächste Problem ließ nicht lange auf sich warten: Im kleinen Park hinter dem Museum für Konkrete Kunst und Design (MKKD) wurde das dort installierte Spiegelrondell schwer beschädigt. Mehrere Spiegelflächen wurden zerschlagen – die Trümmer und scharfen Kanten stellen mittlerweile eine echte Verletzungsgefahr dar. Die Stadt hat das Areal inzwischen mit einem rot-weißen Band abgesperrt und mit einem Warnschild versehen: „Verletzungsgefahr.“
Auch hier wird sichtbar: Gestaltete öffentliche Räume – ob historisch oder modern – werden zunehmend zum Ziel respektloser Angriffe.
Fronte Rechberg, Heydeckplatz: Orte mit Geschichte
Dass öffentlicher Raum in Ingolstadt zunehmend unter Druck steht, zeigt sich auch an anderen Stellen: An der Fronte Rechberg, Teil der historischen Landesfestung, kam es erst wieder zu Beschädigungen. Und am Heydeckplatz bei den Freimaurern werden die dortigen Durchgänge immer wieder als Schlafplätze genutzt – aus Mangel an Alternativen, aus Not, oder eben auch als Zeichen: Hier greift niemand mehr ein.
Diese Orte erzählen nicht nur Geschichte – sie erzählen von einem Zustand. Ein Zustand der Gleichgültigkeit.
Was tut die Stadt? Und wann ist es zu spät?
Reinigung, Reparatur, Anzeige gegen Unbekannt – das Muster ist bekannt. Doch Reaktion ersetzt keine Haltung. Und wenn niemand deutlich macht, dass der öffentliche Raum eben nicht sich selbst überlassen bleibt, dann wird dieser Eindruck schnell zur Realität.
Was jetzt nötig wäre:
- Soziale Präsenz statt technischer Überwachung: Streetworker, Ansprechpartner, echte Prävention.
- Klar erkennbare Verantwortung: Wer kümmert sich – und wer wird sichtbar, bevor etwas passiert?
- Respekt durch Gestaltung: Öffentliche Orte, die gepflegt wirken, einladen – aber auch geschützt sind.
- Ein politisches Bekenntnis: Eine Stadt, die sich für ihr Kulturerbe einsetzt, braucht mehr als Formulierungen in Beschlüssen.
Ein Fazit, das bleibt
Es erschreckt immer wieder aufs Neue, wie achtlos mit historischem Kulturgut umgegangen wird. Ob am Alten Wächterhäusl oder an der Fronte Rechberg – gezielte Beschädigungen und mutwillige Zerstörungen machen deutlich, wie wenig Respekt vielerorts gegenüber der Geschichte dieser Stadt übrig ist. Was hier beschädigt wird, lässt sich nicht einfach ersetzen. Es geht um Substanz – und um Identität.
Auch an anderen Orten wie dem Piuspark zeigt sich ein besorgniserregender Trend: ein sorgloser, oft gleichgültiger Umgang mit dem öffentlichen Raum insgesamt. Ob historisch bedeutsam oder nicht – was nicht geschützt wird, wird angegriffen.
Mich persönlich trifft das besonders, denn ich bin ein Festungskind – aufgewachsen in einem Teil der alten Landesfestung und Mitglied im Förderverein Bayerische Landesfestung. Für mich ist das keine bloße Vergangenheit, sondern gelebte Gegenwart. Umso mehr schmerzt es, zu sehen, wie sorglos mit diesen Orten umgegangen wird.
Was hier zerbricht, ist nicht nur Stein – es ist auch ein Stück Identität.
Hinweise zu den Vorfällen am Alten Wächterhäusl nimmt die Polizeiinspektion Ingolstadt unter 0841 / 9343-2222 entgegen. Doch Hinweise allein werden nicht genügen.
Es braucht Haltung. Und einen öffentlichen Raum, der diesen Namen auch verdient.