Aufwertung der Antidiskriminierungsstelle
Grüne Fraktion beantragt Verstetigung und Ausbau mit Stunden und Budget
Vor knapp zwei Jahren hat die Stadt Ingolstadt eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet. Die Initiative dazu ging auf einen Antrag der Grünen Stadtratsfraktion aus dem Jahr 2020 zurück. Zunächst wurde die Antidiskriminierungsstelle auf zwei Jahre angelegt und mit vier Stunden pro Woche belegt. Zum Ende dieser Pilotphase sollte ihre Arbeit evaluiert werden.
Die Pilotphase ist nun bald vorbei und ein Bericht wurde vorgelegt. „Daraus lässt sich ablesen, dass eine Antidiskriminierungsstelle in Ingolstadt unbedingt notwendig ist“, sagt Stadträtin Agnes Krumwiede. Denn über 110 Bürgerinnen und Bürger haben eine erlebte Diskriminierung gemeldet. „Und die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher ausfallen“, ist sich Krumwiede sicher.
Nach dem Bericht ist die breite Meinung in der politischen Landschaft, dass die Antidiskriminierungsstelle bestehen bleiben muss. Wiederum ist die Grüne Stadtratsfraktion tätig geworden und hat Verstetigung und Erweiterung der Antidiskriminierungsstelle beantragt.
Hier der komplette Antrag an den OB Dr. Christian Scharpf
Verstetigung und Ausbau der Antidiskriminierungsstelle
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
vor kurzem endete die Pilotphase der mit aktuell für vier Stunden pro Woche angelegten Antidiskriminierungsstelle. Die im Bericht vorgestellten Fakten verdeutlichen, dass eine Verstetigung und ein Ausbau der Antidiskriminierungsstelle notwendig sind: In den vergangenen 20 Monaten meldeten 111 Ingolstädterinnen und Ingolstädter eine Diskriminierung. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei lediglich um die „Spitze des Eisbergs“ handelt. 56 % aller eingegangenen Meldungen betrafen rassistische Diskriminierungen. 47 % aller Diskriminierungserfahrungen spielten sich während des Betrachtungszeitraums im Bereich „Ämter und Behörden“ ab – eine alarmierende Zahl, die dringenden Handlungsbedarf anzeigt.
Die zahlreichen und fraktionsübergreifend positiven Reaktionen auf den Bericht zum Abschluss der Pilotphase zeigen, dass eine Fortführung und Ausweitung der Arbeit unserer Antidiskriminierungsstelle von einer breiten Mehrheit gewünscht und für erforderlich gehalten wird. Auch der Migrationsrat gab am 2. Juli 2024 eine Stellungnahme ab mit einem klaren Votum für einen „Ausbau der bisher in personeller und finanzieller Art nicht ausreichend ausgestatteten Antidiskriminierungsstelle“. Das äußerst geringe Zeitkontingent für die Ingolstädter Antidiskriminierungsstelle hat momentan zur Folge, dass Arbeitsfelder insbesondere bei der Präventionsarbeit nicht im erforderlichen Maß bedient werden können.
Wir beantragen daher eine Verstetigung der Antidiskriminierungsstelle mit einem deutlichen Ausbau an Stunden, damit zusätzlich zu den Kernaufgaben u.a. folgende Aufgaben übernommen werden können:
- Vernetzung mit Multiplikator*innen und Kooperationspartner*innen
- Aufbau eines Netzwerks mit freien Trägern und Vereinen
- Vermittlung anwaltlicher Beratung
- Beratung von Dritten bei der Umsetzung von Antidiskriminierungsstrategien
- Präventionsschulung für Behörden und weitere öffentliche Einrichtungen
Zudem beantragen wir, die Antidiskriminierungsstelle mit einem Budget auszustatten, mit welchem beispielsweise Workshops, Materialien und Präventionsveranstaltungen finanziert werden können.
Begründung
In nahezu allen bayerischen Großstädten wie in München, Nürnberg, Regensburg und Augsburg gibt es städtische Antidiskriminierungsstellen. Ingolstadt ist mit vier Stunden pro Woche mit Abstand die Stadt mit dem geringsten Zeitbudget für die Antidiskriminierungsstelle. In Regensburg, das von der Einwohnerzahl am ehesten mit Ingolstadt zu vergleichen ist, wurde vor zwei Jahren eine volle Stelle für die Antidiskriminierungsarbeit geschaffen.
Die Notwendigkeit, auch in Ingolstadt die erforderlichen Kapazitäten zur Durchsetzung des in Artikel 3 unseres Grundgesetzes verankerten Diskriminierungsverbotes zu schaffen, ergibt sich auch mit Blick auf den besorgniserregenden Anstieg bundesweit gemeldeter Diskriminierungen: Die Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes erreichten 2023 ein Rekordhoch, rund 10.800 Menschen haben sich im letzten Jahr an das Beratungsteam der unabhängigen Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewendet. Dies entspricht einem Anstieg um 22 % im Vergleich zum Vorjahr. Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) erfasste 2023 nahezu eine Verdopplung antiziganistischer Vorfälle in Deutschland von 621 (im Jahr 2022) auf 1.233 (im Jahr 2023). Dramatisch ist der Anstieg antisemitischer Vorfälle: Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) dokumentierten 2023 insgesamt 4.782 antisemitische Vorfälle – ein Anstieg um fast 83 % im Vergleich zum Vorjahr.
Prävention vor Rassismus und Ausgrenzung muss in Ingolstadt trotz angespannter Haushaltslage Priorität haben. Diskriminierungssensibilität ist das Fundament für unsere vielfältige Stadtgesellschaft. Der Bericht zur Pilotphase unserer Antidiskriminierungsstelle hat auch gezeigt, welch hervorragende Arbeit trotz des begrenzten Stundenbudgets bisher geleistet werden konnte. Diese Arbeit fortzusetzen und auszubauen, sollte die Konsequenz aus der erfolgreichen Pilotphase sein.
Mit freundlichen Grüßen
Agnes Krumwiede
Barbara Leininger (Fraktionsvorsitzende), Christian Höbusch (Fraktionsvorsitzender), Stephanie Kürten, Maria Segerer, Jochen Semle, Dr. Christoph Spaeth