Queerer Film, buntes und diverses Programm
Gleichstellung, Akzeptanz und Respekt für alle Menschen
Anlässlich des Internationalen Tags gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT) lädt die Gleichstellungsstelle der Stadt in Kooperation mit dem Queer e. V. Ingolstadt und der Beratungsstelle Pro Familia Ingolstadt e. V. am Freitag, 17. Mai ein: Bereits morgens um 8 Uhr wird zusammen mit Bürgermeisterin Petra Kleine die Regenbogenfahne am Rathaus gehisst. Um 17 Uhr wird in das Kino der Volkshochschule eingeladen. Der Film „Landrauschen“ zeigt humorvoll und mit viel Bildwitz ein vielschichtiges Porträt über die Suche nach dem Platz im Leben. Toni will ihr kosmopolitisches Leben in Berlin hinter sich lassen und flieht in ihr Heimatdorf zurück.
Der Film entstand 2018, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. „Landrauschen“ wird als „der erste queere Heimatfilm für die ganze Familie“ bezeichnet (Altersfreigabe ab 12 Jahren). Nach dem Film besteht noch bei einem kleinen Imbiss im „Backstage“ (Restaurant beim Stadttheater) die Gelegenheit zum Austausch. Die Teilnahme ist kostenfrei und ohne Anmeldung möglich. Das Kino der Volkshochschule ist rollstuhlgerecht erreichbar.
Der Verein Queer e. V. Ingolstadt, queer@audi und der Trans Treff Ingolstadt bieten nach dem Imbiss und dem Austausch noch weitere Programmpunkte an. Es wird Redebeiträge, queere Lyrik, Musik und einen Auftritt von Drag-Quing John Gentlethem im Restaurant Backstage geben. Hierfür ist eine kostenlose Anmeldung unter hierundqueer@gmail.com erwünscht.
Bürgermeisterin Petra Kleine unterstützt seit vielen Jahren die Gleichstellung von queeren Menschen. Sie erklärt: „Zum Internationalen Solidaritätstag können wir feststellen, dass die Stadt in den letzten Jahren sichtbar vielfältiger geworden ist. Wir sprechen offen darüber, was queere Menschen im Beruf, in der Ausbildung oder an Beratung brauchen, um selbstbestimmt und diskriminierungsfrei leben zu können. Es ist allerdings auch so, dass die Anfeindungen und Proteste gegen queere Menschen, selbst gegen Kulturveranstaltungen mit Dragpersonen, lauter geworden sind – auch in Ingolstadt. Darum ist es wichtig, sich am IDAHOBIT solidarisch zu zeigen und für ein queerfreundliches Ingolstadt einzustehen.“
Barbara Deimel, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Ingolstadt, freut sich über die gute Zusammenarbeit mit Queer e. V. Ingolstadt und Pro Familia e. V.: „Wir laden alle ein am 17. Mai zu kommen. Alle Menschen, unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung, verdienen Respekt und Wertschätzung. Wünschenswert wäre, dass sich alle für mehr menschliche Gerechtigkeit einsetzen“, findet Barbara Deimel.
Magdalena Brück und Steven Cloos von Queer e. V. Ingolstadt teilen mit: „Auch wenn sich in den letzten Jahren in Sachen queerer Rechte viel getan hat, begegnet uns Queerfeindlichkeit weiterhin im Alltag, in der Familie, in den Medien, in der Politik oder auf der Arbeit. Queerfeindlichkeit kann ganz unterschiedlich aussehen. Laut einer Studie mussten allein in Bayern schon 94 Prozent der jungen queeren Menschen Diskriminierung erleben. Der Kampf gegen Queerfeindlichkeit ist wichtig und geht uns alle etwas an. Denn Vielfalt ist eine Stärke und das ist Solidarität auch.“
Christian Zäch, Pro Familia Ingolstadt e. V., erklärt: „Die Gewalt gegen die queere Community nimmt leider weiter zu. An den Schulen scheint die Spanne zwischen Unterstützern/-innen und Hatern/-innen größer zu werden. Es fehlt eine queere Fachstelle vor Ort, die Anlaufstation für alle Beteiligten ist.“
Alle zusammen freuen sich auf das bunte und diverse Programm und viele Teilnehmende.
Am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT) wird auf die Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, inter- und queer-geschlechtlichen Menschen (LGBTIQ* – das Sternchen steht stellvertretend für weitere Identitäten) aufmerksam gemacht. Der Regenbogen steht dabei mit seinen vielen Farben für die Vielfalt und Diversität unserer Gesellschaft.
Hintergrundinformationen:
Die Erfolge in der rechtlichen Gleichstellung der LGBTIQ*-Menschen sind historisch betrachtet noch sehr jung. Selbst mit dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes 1945 endete die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen in Deutschland nicht. Mit dem von den Nationalsozialisten verschärften Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches, nach dem die Blickdiagnose „Homosexuell“ galt, wurden Homosexuelle weiterverfolgt. Die in der NS-Zeit begonnen Kastrationen und Eingriffe in das Gehirn wurden fortgeführt. Vor diesem Hintergrund war es schwierig, wenn nicht unmöglich, eine Identität als betroffener Mensch aufzubauen. Im öffentlichen Dienst, an Schulen und in der Bundeswehr wurden Homosexuelle entlassen. Erst mit den Emanzipationsbewegungen Ende der 1960er Jahre und ausgehend von den Stonewall-Unruhen in der New Yorker „Christopher-Street“ wurden Bewegungen und Szenen geschaffen, die an der strafrechtlichen Stigmatisierung rüttelten. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde Homosexualität endgültig aus den psychologischen und psychiatrischen Diagnosekatalogen gestrichen. Im Zuge der Rechtsangleichungen nach der Wiedervereinigung wurde erst 1994 der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches gestrichen.
Noch 1998 wurde ein Gesetzentwurf, der eine Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zum Ziel hatte, abgelehnt. 2001 wurde dann die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ eingeführt und erst 2017 die „Ehe für alle“ geschaffen. Mit der „Dritten Option“ steht seit 2018 Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, eine positive Geschlechtsbezeichnung zu. So kann heute neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ im Geburten- und Personenstandsregister nun „divers“ oder „ohne Geschlechtseintrag“ eingetragen werden.
Ebenfalls 2017 ist das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen (kurz StrRehaHomG) und zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Kraft getreten. Erst damit wurden ergangene Urteile wegen homosexueller Handlungen und die daraus resultierende Strafverfolgung aufgehoben und die Verurteilten rehabilitiert. Damit deklariert der Staat die Strafverfolgung wegen Homosexualität als grundrechts- und menschenrechtswidrig.
Ganz aktuell hat der Bundestag am 12. April 2024 das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag beschlossen. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) soll der Kerngedanke des Grundgesetzes, der Schutz der geschlechtlichen Identität, umgesetzt werden, indem Menschen künftig die Möglichkeit haben, ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen diskriminierungsfrei ändern zu können.
Pressestelle/Stadt Ingolstadt