Titelthema: Einführung Bürgergeld 2023
Ab Januar 2023 tritt in Deutschland das neue Bürgergeld in Kraft. Es ersetzt das bislang gültige und durchaus umstrittene Arbeitslosengeld II, meist eher bekannt als Hartz IV. Das Bürgergeld ist ein zentrales Projekt der Ampelkoalition, die aber lange um die Durchsetzung streiten musste. Vor allem CDU und CSU lehnten das Bürgergeld lange Zeit ab, AfD und Linke votierten auch bei der letzten Abstimmung noch dagegen. Im November konnte dann trotzdem sowohl eine Mehrheit im Bundestag als auch im Bundesrat für das Bürgergeld erzielt werden – allerdings mit Abstrichen, wie beispielsweise die weitgehend sanktionslose Zeit für Arbeitssuchende während der ersten sechs Monate. Die rund 5,4 Millionen Menschen, die bisher Hartz IV bekamen, haben ab Januar nun auch einen Anspruch auf das neue Bürgergeld und müssen lediglich wie gehabt einen Weiterbewilligungsantrag stellen.
Das Bürgergeld soll, wie auch schon der Vorgänger, der Grundsicherung für Arbeitssuchende dienen und ist nach wie vor an bestimmte Bedingungen geknüpft. Die Wichtigste davon ist die Bedürftigkeit. Die liegt vor, wenn der Lebensunterhalt nicht durch Einkommen und Vermögen gedeckt werden kann. Zudem muss eine prinzipielle Erwerbsfähigkeit gegeben sein, das heißt, das Alter von 15 Jahren nicht unterschritten und das Renteneintrittsalter noch nicht erreicht sein. Die Höhe des Bürgergeldes hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Je nach Familienstand und der Anzahl an Kindern sind unterschiedliche Regelsätze vorgesehen. Für alleinstehende Personen ist er mit 502 Euro am höchsten. Der Regelsatz soll die Sicherung des Lebensunterhalts gewährleisten, also zum Beispiel für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Freizeit. Darüber hinaus werden die Kosten für eine Unterkunft sowie die Heizung getragen.
Hartz IV wurde insbesondere dafür kritisiert, dass sich mit dem zur Verfügung gestellten Geld kein würdiges Leben führen lasse. Wer Bürgergeld erhält, darf nun mit etwas mehr Geld rechnen. Neben dem um knapp zwölf Prozent angehobenen Regelbedarf zählen die Ampel-Parteien den Wegfall des sogenannten Vermittlungsvorrangs als größten Unterschied zu Hartz IV. Das bedeutet, dass eine Arbeitsaufnahme jetzt nicht mehr automatisch Vorrang vor Aus- und Weiterbildung hat.
Der Regelbedarf orientiert sich laut Bundeskanzler Olaf Scholz an der bevorstehenden Inflationsrate. Stehen Preiserhöhungen bevor, wird der Betrag somit rechtzeitig angepasst und nicht erst rückblickend. Bei Hartz IV wurde die Höhe des Bedarfs zum Teil noch an die zurückliegende Lohnentwicklung im Land angepasst.
Neben dem gestiegenen Regelbedarf gibt es, zumindest im ersten Jahr der Bezüge und im Gegensatz zur Regelung bei Hartz IV, keine Höchstgrenze bei den Mietkosten. Sie werden in voller Höhe getragen, damit sich neben der Jobsuche nicht auch noch mit der Wohnungssuche befasst werden muss. Auch das etwaig vorhandene Privatvermögen wird nicht mehr so schnell angetastet wie zuvor. Bis zu 40.000 Euro dürfen Empfängerinnen und Empfänger des Bürgergeldes im ersten Bezugsjahr besitzen. Danach sinkt die Grenze auf 15.000 Euro, ist damit aber immer noch höher als bei Hartz IV (höchstens 10.050 Euro).
Kommen Empfängerinnen und Empfänger des Bürgergeldes ihren sogenannten Mitwirkungspflichten nicht nach, erscheinen also zum Beispiel nicht zu Terminen oder lehnen zumutbare Jobs ab, werden Sanktionen verhängt. Bis zu 30 Prozent des Regelbedarfs können dadurch gekürzt werden, unter Hartz IV hingegen war sogar eine komplette Streichung der Leistungen möglich.
Generell gilt der Grundsatz, dass Empfängerinnen und Empfänger des Bürgergeldes auch bei der Qualifizierung besser unterstützt werden sollen als zuvor, es gilt die Devise: „Fördern und Fordern“.
Die Bundesregierung bewirbt das Bürgergeld mit dem Slogan „Mehr Chancen und mehr Respekt“, Kritikerinnen und Kritiker sehen genau an dieser Stelle aber immer noch ein Manko: Von den nach wie vor zu niedrigen Regelbedarfen könne kein Mensch ein würdiges Leben führen. Während die Linken das Bürgergeld ablehnen und sich für eine deutlich höhere, sanktionsfreie Mindestsicherung einsetzen, ist die CDU der Meinung, mit dem Bürgergeld würden Anreize geschafft, nicht in den Arbeitsmarkt einzutreten.
Foto: BeritK/Freepik
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Kommentar
Wegfall von Sanktionen?
Die Umsetzung des Bürgergeldes wurde von Beginn an von einer politischen Debatte begleitet, die an Populismus kaum zu überbieten war. Während die AfD sich darüber echauffiert, dass Menschen, die das künftige Bürgergeld beziehen, nur faul auf der Couch herumliegen, bringen die Linken einen gegenteiligen Standpunkt in die Diskussion: Das Bürgergeld gehe noch lange nicht weit genug. Stattdessen fordern die Linken eine bedingungslose Grundsicherung – ohne Sanktionen und ohne die Gefahr, in die Armut abzurutschen. Wirft man einen Blick nach Finnland, wo ein bedingungsloses Grundeinkommen im Rahmen einer Studie über zwei Jahre an 2.000 Arbeitssuchende ausgezahlt wurde, wird ein wichtiger Vorteil direkt klar: Die mentale Gesundheit der Versuchspersonen war besser als die derer, die eine traditionelle Form der Unterstützung erhielten und das sollte definitiv auch Teil der Debatte sein.