Boulevard Harderstraße?
Ein Gastbeitrag von Ehrenbürger Hermann Regensburger zur Historie der Harderstraße:
Die Straße, benannt nach dem 1879 abgebrochenen Hardertor, das in etwa in Höhe des jetzigen Omnibusbahnhofes stand, ist die längste und breiteste Altstadtstraße.
Sie war immer schon Hauptverkehrsstraße und beherbergte im Spätmittelalter den Kornmakt. Noch bis in die 60er Jahre wurde sie wegen ihrer Breite auch gerne für Militärparaden genutzt.
Viele, der oft stattlichen Gebäude, welche die Straße säumen, haben eine reiche und wechselvolle Geschichte; wurden immer wieder umgebaut und aktuellen Bedürfnissen angepasst. Das Wort Denkmalschutz gab es damals wohl noch nicht. Es wurde ohne Rücksicht auf historische Bausubstanz abgerissen, wieder aufgebaut und umgebaut.
Drei Brauereien hatten sich dort angesiedelt. Die letzte, ursprünglich Schäffbräu und später Ingobräu, gab erst vor wenigen Jahren Ihren Betrieb auf.
Den Straßenraum prägen vor allem die beiden Klosteranlagen. Im Osten das etwa um 1275 gegründete Minoritenkloster, das heutige Franziskanerkloster mit der wuchtigen Franziskanerbasilika, die zeitweise als Garnisonskirche genutzt wurde. Nachdem die Franziskaner das Kloster wegen „Personalmangel“ aufgeben mussten, wird es heute von 3 Kapuzinermönchen betreut. Der heute offene Franziskanervorplatz war ursprünglich abgemauert und wurde als Friedhof genutzt, wovon eine große Anzahl kostbarer Grabgedenksteine im Inneren der Kirche heute noch Zeugnis geben.
Gegenüber liegt das 1276 gegründete Kloster St. Johann im Gnadenthal, die Ordensniederlassung der Franziskanerinnen. Es teilte 1802 das Schicksal des Franziskanerklosters, als ihr gesamter Besitz enteignet und das Haus zum „Aussterbekloster“ bestimmt wurde. Doch schon bald genehmigte König Ludwig I. 1829 die Wiederbelebung des Klosters, mit der Auflage, die weibliche Jugend der Stadt zu unterrichten. In Grundschule, Realschule, Gymnasium und zeitweise sogar in einer Lehrerinnenbildungsanstalt fanden Generationen von Ingolstädterinnen ihre solide Schulbildung. Erst vor wenigen Jahren mussten die Franziskanerinnen ebenfalls wegen Personalmangel die Schulen aufgeben. Sie werden jetzt von der Diözese Eichstätt weiterbetrieben.
Hartnäckig hält sich das Gerücht, es habe einen unterirdischen Verbindungsgang zwischen dem Frauen- und dem Männerkloster gegeben. Wenn es stimme sollte, war der Gang wohl als Fluchtweg gedacht.
Neben dem Franziskanerkloster sticht ein imposanter Bau, das Kaisheimer Haus, ins Auge, das ab 1834 die Festungsbaudirektion beherbergte und jetzt für Teile des Amtsgerichtes genutzt wird.
Schräg gegenüber steht das sog. Fausthaus, in dem 1528 Dr. Jörg Faustus aus Heidelberg und Graf Reinhard Solms, der Baumeister der Festung (1538 bis 1545) gewohnt hatten. Den älteren Ingolstädtern ist sicher noch das beliebte Cafe Westermeyer im 1. Stock in guter Erinnerung.
Gegenüber dem Omnibusbahnhof fällt noch ein villenartiges Gebäude mit einem imposanten Erkerturm ins Auge. Es wurde 1885 als Knabenpensionat errichtet.
Den nördlichen Abschluss der Harderstraße bildete früher Kavalier Spreti. Der imposante Kavaliersbau wurde 1964 aufgrund der damaligen Planungen einer „verkehrsgerechten Stadt“ gesprengt. Daran erinnert nur noch das ehemalige Wachhaus, am Rande der Glacisanlage.
Zwei steinerne Löwen vor dem Kavalier führten vor einigen Jahren zu einer kommunalpolitischen Kontroverse, als eine Bürgerinitiative forderte, dass die inzwischen in das Kriegerdenkmal im Luitpoldpark integrierten Löwen wieder an alter Stelle platziert werden sollten.
Heute gibt es in der Harderstraße eine Vielzahl kleinerer Geschäfte, Dienstleistungsbetriebe und Gaststätten, häufig auch von ausländischen Mitbürgern, betrieben.
In Stadtrat und Verwaltung kommt immer wieder der Wunsch nach einer baulichen Aufwertung der Harderstraße. In den Schubladen liegen Pläne zu einer boulevardartigen Umgestaltung mit breiten Gehsteigen und verengten Fahrbahnen. Proteste der Anlieger, die um ihre Parkplätze fürchten und vordringlichere Straßenausbauprioritäten haben dies bisher verhindert. Es darf also weiter vom Boulevard Harderstraße geträumt werden.
(Die historischen Daten wurden z.T. dem Band „Denkmäler in Bayern – Stadt Ingolstadt“ 2002 entnommen.)