Vorsitzender Christian De Lapuente über das Jubiläum des TSV Ingolstadt-Nord: „Wir leben die Gemeinschaft“
Herr De Lapuente, Sie sind Gewerkschaftssekretär, SPD-Fraktionsvorsitzender im Ingolstädter Stadtrat und Vorsitzender des TSV Ingolstadt-Nord. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?
Christian De Lapuente: Es sind schon einige Stunden am Tag, die das alles in Anspruch nimmt. So arbeite ich rund acht Stunden täglich als Gewerkschaftssekretär, vier Stunden für die SPD und rund zwei Stunden am Tag für den Verein. So ist mein Tag mit 14 bis 16 Stunden Arbeit gut gefüllt.
Sie sind seit 15 Jahren Mitglied im Verein und seit zwölf Jahren Vorsitzender. Was bewegt Sie, sich trotz dieses vollen Terminkalenders zu engagieren?
Ich liebe den Verein. Mir macht die Arbeit Spaß, mir geht das Herz auf, wenn man nicht nur im Stadtrat über die Tätigkeit der Vereine redet, sondern das tagtäglich mitbekommt. Dazu bin ich keiner, der sich vor der Wahl im Verein engagiert und wenn ich gewählt werde, dann sage ich: „Nach mir die Sintflut.“ Ganz im Gegenteil: Man muss auch nach der Wahl an den Verein denken.
Warum haben Sie sich vor zwölf Jahren entschieden, Vorsitzender zu werden?
Damals habe ich mich für den Stadtrat beworben. Und dazu gehört eine Anbindung an einen Sportverein. Ich wollte ein Zeichen setzen. Denn wenn Politiker kandidieren, dann sollen sie nicht nur reden, wie Vereine sich schwer tun, sondern sie sollen sich auch einmal selbst engagieren und Erfahrungen sammeln. 2010 habe ich dann den Vorsitz übernommen. Politisch und gewerkschaftlich bin ich tagsüber mit vielen Problemen beschäftigt und viel mit ähnlich denkenden Menschen zusammen. Ein Verein dagegen erdet. Er ist ein Querschnitt der Bevölkerung. Im Verein sind die Menschen unglaublich dankbar für das Engagement. Da gibt es kein Konkurrenzdenken.
Was sind Ihre ersten Erinnerungen an den TSV Ingolstadt-Nord?
Es herrschte damals eine schwierige Situation für den TSV Ingolstadt-Nord – sowohl in finanzieller als auch in struktureller Hinsicht. Der Verein wurde zwar mit viel Liebe geführt, allerdings musste ein Generationenwechsel vollzogen werden. Die bisherige Spitze hatte sich dann aus Altersgründen zurückgezogen. Mit dem Vorsitz ging es auch darum, den Verein neu aufzustellen. Denn die Vereinsarbeit hat sich im Laufe der Jahre verändert. Da geht es nun viel mehr um soziale Medien, Internet und Service. Davor war der Kontakt zu den Mitgliedern vielleicht intensiver. Da kam es schon einmal vor, dass man den Mitgliedsbeitrag an der Haustüre persönlich abholte (lacht).
Der Verein wird in diesem Jahr 125 Jahre alt. Wie hat alles begonnen?
Der TSV Ingolstadt-Nord ist aus der Fusion zweier Vereine heraus im Jahr 1984 entstanden. Den Ursprung hat der Verein vom 1897 gegründeten ESV 1897 Ingolstadt – dessen Jubiläum wir nun feiern – und dem 1913 entstandenen FrTSV 1913 Ingolstadt.
Was waren Meilensteine des Vereins?
Ein riesiger Meilenstein war sicherlich die Fusion der beiden Vereine. Diese zwei Vereine waren eigentlich grundverschieden und hegten eine gewisse Rivalität. Die Stadt Ingolstadt hat aber gesagt, wenn ihr fusioniert, dann bauen wir die Bezirkssportanlage Nordost. Vielleicht dachte die Stadt, dass sich die beiden Vereine sowieso nicht einig werden. Aber die Vereine einigten sich und somit entstand diese traumhafte Anlage, mit zwei Rasenplätzen, einem Kunstrasenplatz und mit Dreifach-Turnhalle. Die Fusion war sicherlich auch eine Entscheidung mit Weitblick: Denn bereits damals war ersichtlich, dass die Mitgliederzahlen sinken und die Vereine nur gemeinsam eine starke Zukunft haben werden.
Welches waren die größten Hürden?
Neben der finanziellen Seite vor rund 13 Jahren, kämpfen wir natürlich auch mit dem Mitgliederschwund. Diese Entwicklung hat auch die Corona-Krise verschärft. Wir hatten zwar nicht viele Austritte durch Corona. Wir konnten allerdings durch die Pandemie keinen Sportbetrieb anbieten. Dadurch fielen die Neuaufnahmen weg. Wir haben beispielsweise jährlich zwischen 100 und 150 Kündigungen. Dazu zählen Umzüge, Sterbefälle und reguläre Kündigungen. Diese gleichen wir mit 150 bis 200 Neuaufnahmen aus. Wenn aber der Sportbetrieb eineinhalb Jahre ausfällt, gibt es auch keine neuen Mitgliedschaften.
Warum wird es immer schwieriger, die Menschen dazu zu bewegen, im Verein Mitglied zu sein?
Wir haben zwei Abteilungen mit Fußball und Turnen, die immer stabil geblieben sind. Da hat sich in den vergangenen 20 Jahren nicht viel verändert. Dann gibt es sterbende Abteilungen, wie Ski und Tennis. Wir haben auf der anderen Seite aber Randsportarten, wie Lacrosse und Capoeira geschaffen, die zwar keine Hunderte von Mitgliedern haben, aber uns guttun, weil es die einzige Anlaufstelle dieser Art in Ingolstadt ist.
Was ist das Positive am Verein?
Die Menschen erkennen nach der Corona-Krise wieder, wie schön es ist, im Verein zusammen Sport zu treiben. Dazu ist unser Zugpferd unser Vereinsheim, mit unserer tollen Sportgaststätte. Das ist das Schöne, nach dem Sport zusammenzusitzen, etwas zu trinken und miteinander zu reden. Das ist der Unterschied zum Fitnessstudio, wo es nur ein Kommen und Gehen ist. Wir leben dagegen die Gemeinschaft.
Blicken wir voraus: Wie sieht die Zukunft des Vereins aus?
Wir sind ziemlich stabil in dem momentanen Niveau, weil die bestehenden Abteilungen gut aufgestellt sind. Wir sind aber immer offen für Anregungen, neue Abteilungen, um weitere Randsportarten abzudecken. Wir wollen also weiter Chancen zulassen. Man muss mit der Zeit gehen und ausprobieren, wenn es jemand etwas in die Hand nehmen will.
Und wie geht es dem Verein in 125 Jahren?
Da die Stadt wächst, hoffe ich, dass wir bei 1500 bis 2000 Mitglieder stehen. Das wäre ein Ziel – vielleicht schon innerhalb der nächsten 100 Jahre. (tis)
Zur Person
Christian De Lapuente (39) ist Gewerkschaftssekretär und Fraktionsvorsitzender im Stadtrat für die SPD. Er wohnt in Ingolstadt.
Der Verein
Der TSV Ingolstadt-Nord entstand im Jahr 1984 aus der Fusion von ESV 1897 Ingolstadt und FrTSV 1913 Ingolstadt. Der Verein hat 17 Abteilungen und rund 1.100 Mitglieder. Die Jubiläumsfeier zu 125 Jahre TSV Ingolstadt-Nord beginnen am Sonntag, 19. Juni, ab 10 Uhr auf der Bezirkssportanlage Nordost mit einem ökumenischen Gottesdienst. Um 11.15 Uhr folgen die Festansprachen. Nach den Ehrungen und dem Mittagessen stellen sich gegen 13.30 Uhr die Abteilungen des Vereins vor. Ab 17 Uhr klingt der Festabend bei Musik und einem Grillabend aus. Jeder Interessierte ist willkommen.