Sonderermittler Stadtrat
BGI-Stadtratsfraktion reichte für den Stadtrat am 11. April einen Fragenkatalog zu verschwundenen Unterlagen im Prozess gegen Alfred Lehmann ein
Dass im Fall Lehmann Unterlagen verschwunden sind (die der Staatsanwaltschaft jedoch mittlerweile vorliegen, da sie rekonstruiert werden konnten) ist aus den Medien hinreichend bekannt. Christian Lange (BGI-Fraktionsvorsitzender und OB-Kandidat) schreibt in seinem Antrag: „Mit großer Besorgnis habe ich im Rahmen des Prozesses gegen den ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt, Dr. Alfred Lehmann, den Medien entnehmen müssen, dass mehrfach Unterlagen und Akten in Papierform wie auch in digitaler Form verschwunden sind und daher den Strafermittlungsbehörden nicht mehr zur Verfügung gestellt werden können“. Diese Formulierung sorgte unter seinen Stadtratskollegen für Furore.
Zunächst einmal ist anzumerken, dass die Unterlagen in einem Büro des Klinikums im Hollis-Center und im Archiv der Stadttochter IFG verschwunden sind. Nicht in der Stadtverwaltung selbst. „Es ist aus keinem Stadtarchiv etwas verschwunden, auch im Klinikum ist nichts verschwunden. Aus einem Büro wurde eine Akte entwendet. Gegen kriminelle Energie ist man nie gefeit. Vermutlich hat ein Zugangsberechtigter die Akte genommen. Im Fall der IFG ist es richtig, dass der Vorfall im Archiv stattgefunden hat. Auch hier konnte alles rekonstruiert werden. Diese öffentliche Fragenstellung ist ein Versuch den Oberbürgermeister vorzuführen, der nicht für die kriminelle Energie anderer zuständig ist“, betont Hans Süßbauer (CSU), seines Zeichens Kriminalhauptkommissar im Ruhestand.
Das brachte dann auch Patricia Klein (CSU-Fraktionsvorsitzende) auf den Plan: „Das Wort ‚verschwinden‘ klingt, als wäre es an der Tagesordnung, dass Unterlagen verschwinden. Es gibt zwei konkrete Fälle in Tochterunternehmen, denen nachgegangen werden muss. Die Verantwortung eines Stadtrats ist es, nicht nur Kontrolle auszuüben, sondern auch Schaden abzuwenden. Durch Ihre Fragen fügen Sie der Stadt eher Schaden zu. Ihnen als Rechtsanwalt sollte klar sein, dass Sie Dinge, die nicht sicher sind, nicht als Tatsachen deklarieren dürfen. Das wirft ein Bild auf die Stadt, das nicht richtig ist. Die Unterlagen fehlen im Prozess auch nicht als Beweismittel. Sie konnten rekonstruiert werden. Sie betreiben Wahlkampf auf dem Rücken der Stadtverwaltung, des OBs und der Tochtergesellschaften. In schweren Zeiten täten wir gut daran, nicht ohne jegliche Substanz auf Unschuldige einzuhauen“.
„Dass den Kolleginnen und Kollegen der CSU mein Politikstil nicht gefällt, ist mir klar“, meinte Lange. Auch die Formulierung „wäre ich OB gewesen…“, fiel in seinem Konter.
Dennoch wurden die gestellten Fragen abwechselnd von Monika Röther, Geschäftsführerin des Klinikums, Norbert Forster, IFG-Geschäftsführer, Andrea Steinherr, Beteiligungsmanagerin der Stadt und Gabriel Engert, Kulturreferent mit Engelsgeduld beantwortet.
Im Klinikum geht ein Ordner (Inhalt: Angebote von zwei Bauträgern zum Ankauf der drei Baufelder im Altstadtzentrum) sowie ein elektronischer Ordner („Verkauf altes Krankenhausareal“) ab. Die Daten konnten von der IT-Abteilung rekonstruiert werden. Die Angebotsunterlagen wurden jedoch nicht, wie in den Medien dargestellt, im Archiv des Klinikums entwendet. Vielmehr befanden sie sich in einem normalen Büroraum im so genannten „Holliscenter“. Der Zugang zu den Büroräumen im Erdgeschoss des Hollis-Centers sind stets verschlossen – der Raum, in dem sich der Ordner befand, war nicht zusätzlich verschlossen. Zugang zu den Räumlichkeiten hätten nur die dortigen Mitarbeiter sowie die Geschäftsführung des Klinikums gehabt. Sowohl die Kriminalpolizei, als auch die Anwesenden einer Verbandsversammlung am 12. Januar 2017 (Christian Lange war hier auch zugegen) waren über das Abhandenkommen des Ordners informiert worden.
Ein Mitarbeiter der IFG legte im Rahmen seiner Zeugenaussage vor Gericht (13. März 2019) erstmals offen, dass auch bei der IFG ein Aktenordner mit ausgedrucktem Mail-Verkehr nicht mehr vorzufinden war. Auch diese Akten konnten rekonstruiert und den Ermittlungsbehörden vorgelegt werden. Der Ordner hatte sich zunächst im Büro des Angestellten befunden und wurde dann im Laufe des Jahres 2014 in ein verschlossenes Kellerabteil in der Wagnerwirtsgasse 2, das von mehreren Organisationseinheiten der IFG genutzt wird, verbracht.
Da es sich bei der Aktenführung in den Tochterunternehmen und Zweckverbänden um organisatorische Belange handelt, ist allein die jeweilige Geschäftsführung des jeweiligen Unternehmens verantwortlich. Die Geschäftsführungen sind vom jeweiligen Aufsichtsgremium, das der Stadtrat eingesetzt hat, zu überwachen. Weder (Ober)Bürgermeister, noch berufsmäßige Stadträte besitzen Schlüssel zu den jeweiligen Räumlichkeiten.
Letztendlich sprach auch Albert Wittmann (CSU) ein Machtwort: „Die Diskussion war wichtig. Es ist nirgendwo geschlampt worden. Es wurde vom Fragesteller der Eindruck erweckt, es wäre nicht ordentlich gearbeitet worden. Jedoch ist gegen kriminelle Energie kein Kraut gewachsen. Es ist auch kein Thema etwas zu hinterfragen, es kommt darauf an, wie hinterfragt wird. Der OB ist für alles in der Stadtverwaltung verantwortlich, für die Töchter sind die entsprechenden Gremien zuständig, wo sämtliche Mitglieder dem OB gleichgestellt sind. Es ist also fragwürdig so zu tun, als wäre der OB für alles verantwortlich. Man hätte erwartet, dass der Fragensteller den Vorstand anschreibt, fragt was dahintersteckt und das Thema dann im Verwaltungsrat behandelt wird. Sie nehmen sich ein bisschen viel raus und sollten lieber selbst Ihrer Verantwortung gerecht werden und nicht hier in der Öffentlichkeit Sonderermittler spielen“.
Lufttaxis sollen für die Arbeitsplätze der Zukunft sorgen
Neun Monate ist es jetzt her, dass die Urban Air Mobility (UAM)-Initiative in Ingolstadt an den Start ging. Erst am 11. März war der Prototyp „CityAirbus“ am Rathausplatz vor rund 3.000 Zuschauern vorgestellt worden. In einigen Wochen wird er dann in Manching das erste Mal für Testflüge vom Boden abheben.
Nicht umsonst ist Ingolstadt ein Mobilitätsstandort. Die UAM-Initiative hat mittlerweile über 40 Mitglieder. Darunter sind hoch angesehene Firmen wie Audi, Airbus und Lilium, aber auch THI und KU. Bei Airbus in Manching wird es künftig ein Zentrum für unbemannte Flugsysteme geben. Zahlreiche Förderungsanträge wurden eingereicht – bis dato kommt die Stadt auf 10 Millionen Euro Fördersumme. Das ist das 166-fache der bisher angefallenen Kosten. Das heißt der weiteren Erforschung der Mobilität der Zukunft steht nichts mehr im Weg.
„Der ÖPNV soll nicht ersetzt werden. Es geht um Forschung und Entwicklung für die Arbeitsplätze der Zukunft. Wenn man einen Standort weiter entwickeln will, darf man nicht nur auf bestehende Technologien setzen“, stellt Oberbürgermeister Christian Lösel klar. „Wir sind nach neun Monaten schon viel weiter, als wir anfangs gedacht hätten“, ergänzt er.
Der Prototyp „CityAirbus“ ist batteriebetrieben. „Damit sind die Flugtaxis in der Stadt schädlicher als Autos“, so Christian Höbusch (Die Grünen). „Genau deshalb hat die CSU-Stadtratsfraktion den Antrag gestellt, Wasserstoff-Antriebe zu untersuchen. Es soll in Richtung grüne Technologien gehen“, so Lösel.
Dem Oberbürgermeister ist auch klar, dass viele Menschen das Projekt belächeln (unter anderem auch Lutz van der Horst von der „heute show“). „Es ist immer leicht, etwas zu belächeln, aber es ist nicht leicht Zukunftsindustrie voranzubringen“, so Lösel. Schließlich geht es ihm nicht primär darum, dass in einigen Jahren Flugtaxis über Ingolstadt fliegen, es geht vor allem darum Arbeitsplätze für die Zukunft zu schaffen und Innovationen eine Chance zu geben. Ob es klappt wird sich dann im Verlauf der Forschung herausstellen.
„Das ist ein echtes Leuchtturmprojekt“, so Jörg Schlagbauer (SPD). „Ich bewundere Sie, wie unbeirrbar und visionär Sie an die Sache herangehen. Ich habe das Gefühl das könnte echt was werden, auch wenn ich selbst nicht überzeugt davon bin“, meinte Karl Ettinger. Auch Peter Springl steht dem Ganzen positiv gegenüber: „Wir können uns glücklich schätzen das zu probieren und dass unsere Vorgänger auch schon so gedacht haben. Wenn wir nie Vorreiter gehabt hätten, würden wir heute noch mit der Hacke Erz abbauen. Oder schlimmer noch: Mit der Hacke für andere Erz abbauen“. „Auch, wenn wir manchmal lächeln, wir unterstützen Sie voll und ganz bei Ihrer Standort-Strategie“, ergänzt Kleine.
Bei diesem Rückhalt im Stadtrat, wird sich in den nächsten Jahren wohl einiges tun in der Region. Und wer weiß… Vielleicht fliegen sie in Ingolstadt ja doch früher als man denkt – diese Flugtaxis. Die in Frage kommenden Einsatzmöglichkeiten sind ja bekanntlich vielseitig und nicht nur auf den Personentransport ausgelegt. Auch Rettungsdienst und Krankenhäuser (Transport von Organen oder Blutkonserven) sowie die öffentliche Sicherheit könnten einmal davon profitieren.