Ingolstädter Hyrox-Duo Scherbel/Von Stelzer: „Wir wollen unsere Siegesserie fortsetzen“
Ingolstädter Duo Scherbel/Von Stelzer kämpfen am 14. Mai bei Hyrox-WM in Las Vegas um den Titel
Herr von Stelzer, eine WM in Las Vegas – das hört sich zuerst einmal nach Poker an.
Christopher von Stelzer: Das ist ein gutes Stichwort: Wir haben bereits unsere große Pokerpartie hinter uns. Kurz vor der Europameisterschaft vor rund vier Wochen in den Niederlanden erkrankte Clemens an Corona. Wir wussten deshalb nicht, was er zum Leisten imstande ist.
Aber Sie beide sind trotzdem gestartet.
Von Stelzer. Ja. Nachdem wir es angetestet haben, sind wir am Start gestanden. Man muss dabei eines sehen: Bei Hyrox ist man eine knappe Stunde am Limit. Unser Puls bewegt sich im Schnitt zwischen 170 und 175 Schlägen pro Minute. Wir wussten nicht, ob sich Clemens das zumuten kann. Aber es hat super gut geklappt. Nun sind wir für Las Vegas optimistischer und müssen nicht so hoch pokern (lacht).
Sie gingen in der Vorbereitung unterschiedliche Wege.
Von Stelzer: Das stimmt. Clemens startete in London bei einem Hyrox-Wettkampf. Ich war beim Ingolstädter Halbmarathon dabei. Clemens hat in London gemerkt, dass er wieder gut dabei ist. Meine Laufform stimmt auch.
Sie belegten nun beim Ingolstädter Halbmarathon den sechsten Rang. Hatten Sie schon immer ein Talent für Ausdauersportarten?
Von Stelzer: In Reichertshofen habe ich beim Skiclub mit Kinderturnen begonnen. Im Teenageralter haben sich meine Stärken herauskristallisiert – das ist einfach die Vielseitigkeit. Mit Freunden haben wir uns dann tatsächlich auch „Die Allrounder“ genannt. Wir haben alles gemacht – von Leichtathletik über Schwimmen bis Turnen. Im Sommer sind wir zu regionalen Laufwettbewerben gefahren. Irgendwann habe ich mit 16 oder 17 Jahren das erste Mal am Halbmarathon in Ingolstadt teilgenommen. Mit 19 Jahren startete ich erstmals bei Hindernisläufen, beispielsweise bei „Tough Mudder“. Auch da bin ich erfolgreich – und dazu geben mir mehr diese Hindernisläufe mehr als „nur“ geradeaus laufen. Man hat bei Hindernisläufen immer irgendwelche zusätzlichen Herausforderungen. Um dort allerdings gut zu sein, muss man auch schnell laufen können. Dementsprechend suche ich mir ein paar Wettkämpfe heraus, an denen ich „nur“ laufe.
Hyrox ist ja quasi wie ein moderner Hindernislauf, mit verschiedenen Workouts. Was macht Hyrox aus?
Von Stelzer: Vor allem die Vielseitigkeit. Um vorne dabei sein zu können, muss man ein guter Allrounder sein, sowohl Kraft haben, als auch schnell und willensstark sein. Dazu muss man sich quälen können. Denn eine knappe Stunde ist man am absoluten körperlichen Limit. Es bringt also nichts, nur ein schneller Läufer zu sein und dann bei den Kraftübungen seinen Tribut zollen zu müssen. Gleichzeitig ist es nicht vorteilhaft, nur Kraft zu haben und auf der Laufstrecke Zeit zu verlieren.
Was fasziniert Sie an Hyrox?
Von Stelzer: Dieser Sport ist für jeden machbar – abhängig von den persönlichen Einschränkungen und Limits. Dazu begeistert mich das Training selbst. Man muss Lauf- und Körpergewichtstraining machen, Maximalkraft und Schnellkraft trainieren, dazu Beweglichkeit, Yoga und Dehnen. Eigentlich ist Hyrox das umfassendste Training, das es gibt. Grundsätzlich sind die Übungen bekannt. Diese sind also trainierbar. Bei den Übungen kommt zudem viel das eigene Körpergewicht und der gesamte Körper zum Einsatz. Viele Einheiten sind also leicht zuhause aus trainierbar – besonders zur Coronazeit ist das natürlich ein Vorteil. Außerdem kommen Cardiogeräte noch hinzu, wie beispielsweise Rudern. Es ist also alles kein Hexenwerk.
Schafft man das Trainingsprogramm noch nebenbei oder geht das schon Richtung Profisport?
Von Stelzer: Clemens und ich sind keine Profis und haben ganz normale Jobs. Clemens arbeitet bei Audi und hat eine 35-Stunden-Woche. Ich bin bei Adidas mit einer 39-Stunden-Woche angestellt. Das Zeitmanagement ist einfach entscheidend, dann natürlich der Wille und die Konsequenz. Ich stehe spätestens um 6 Uhr auf, damit ich vor der Arbeit schon meine erste Einheit absolvieren kann. Dazu habe ich natürlich bei Adidas alles vor Ort. Das spart Wegzeit. Ich kann somit beispielsweise einmal schnell auf den Sportplatz und in den Gym gehen oder laufen und Radfahren. So kommen in der Regel zwei Trainingseinheiten pro Tag zusammen. Dazu ist der Schlaf für die Regeneration extrem wichtig. Wenn man um sechs Uhr aufsteht, heißt das dann, man geht zwischen neun und zehn Uhr ins Bett.
Wie sieht der perfekte Hyrox-Athlet aus?
Von Stelzer: Er ist durchtrainiert und hat Power. Diese Kraft sieht man mir vielleicht nicht so an, weil ich keine großen Muskeln habe. Grundsätzlich muss man etwas leisten – im physikalischen Sinn. Man muss mit seinem Körper also etwas anfangen können. Bei jeder Übung ist eigentlich immer der gesamte Körper im Einsatz.
Trotzdem braucht es manchmal pure Kraft.
Von Stelzer: Das sind dann die Disziplinen, die mir am schwersten fallen. Es handelt sich dabei um die beiden Workouts mit Schlitten. Dieser muss einmal geschoben und dann gezogen werden. Diese wiegen teilweise doppelt so viel wie ich. Da fehlt mir dann das Gewicht im Gesamten. Dafür habe ich weniger Gewicht beim Laufen oder tue mich beim Rudern aufgrund meiner Größe leichter, weil meine Hebelverhältnisse dazu perfekt passen. So haben Clemens und ich alles auf unsere Stärken und körperlichen Voraussetzungen abgestimmt. Manchmal müssen wir – je nach Tagesform – noch ein paar Anpassungen vornehmen. Aber unsere Grundstrategie steht.
Wie sieht ein Hyrox-Wettkampf zu Zweit aus?
Von Stelzer: Die Wettkämpfe finden in der Regel in riesigen Messehallen statt. An der Außenseite ist die Laufstrecke. Nach einem Kilometer biegt man nach innen ab, wo die verschiedenen Workouts stehen. Ein Hyrox-Wettbewerb startet mit einem 1000-Meter-Lauf. Gelaufen wird dabei immer zusammen. Bei den Workouts darf man sich abwechseln. Die ein Kilometer langen Läufe werden durch Workouts unterbrochen. Diese sind beispielsweise Ski-Ergometer, Schlitten ziehen Ausfallschritte mit Sandsack auf dem Rücken, Rudern und Gewichtsball hochwerfen. Generell gilt: Man muss konstant am Limit sein, aber nie darüber hinausgehen. Was bei Hyrox das Anstrengende ist, ist der ständige Wechsel. Man kommt aus einem Workout heraus, hat schwere Beine und Arme, aber muss sofort auf die Laufpace kommen. Bis man sich wohlfühlt, sind 200 Meter bereits vorbei. Dann steht fast schon das nächste Workout an. Dieser Wechsel zwischen Workout und Lauf, insgesamt sind es 16 Stück, ist das Anspruchsvollste.
Wie lange betreiben Sie schon Hyrox?
Von Stelzer: Meinen ersten Wettkampf habe ich im Jahr 2019 in Wien absolviert. Erst im vergangenen Jahr sind Clemens und ich erstmals als Duo am Start gestanden. Im November 2021 in Berlin sind wir erstmals zusammen gestartet und haben die viertschnellste jemals gemessene Zeit aufgestellt. Da feierten wir auch gleich unseren ersten Sieg. Daraufhin haben wir Blut geleckt. Im März sind wir in München gestartet und haben unsere Zeit nochmals verbessert. Bei der Europameisterschaft in Maastricht hatten wir uns deshalb bereits gute Chancen ausgerechnet. Dort war die Konkurrenz allerdings deutlich stärker – aber wir haben trotzdem mit über einer Minute Vorsprung in rund 52 Minuten gewonnen. Inzwischen sind wir perfekt eingespielt. Nun hoffen wir natürlich, dass wir die Siegesserie in Las Vegas fortsetzen.
Das heißt: Sie hoffen auf den WM-Titel.
Von Stelzer: Um ehrlich zu sein, rechnen wir uns mindestens einen Podiumsplatz aus, wenn nicht sogar den Titel. Wir sind die amtierenden Europameister und aktuell sehen wir kein Doppel, das an unsere Zeiten herankommt. Wenn wir unsere Leistung abrufen, dann müsste schon ein extrem starkes Doppel kommen, um uns zu schlagen. Aber das sehen wir aktuell nicht. Deshalb wäre es für uns schon enttäuschend, wenn wir nur auf Platz fünf oder sechs landen.
Das Gespräch führte Timo Schoch.
Zur Person
Christopher von Stelzer (27) wurde in Ingolstadt geboren und wuchs in Reichertshofen auf. Er studierte in Wien Sportgerätetechnik und arbeitet seit 2020 bei Adidas in Herzogenaurach in der Schuhentwicklung.
Was ist Hyrox?
Hyrox ist ein modernes Zirkeltraining, mit insgesamt acht Kilometern Laufen und acht verschiedenen Übungen, sogenannten Workouts. Kraft und Ausdauer ist gleichermaßen gefragt. Die Wettkämpfe finden in Messehallen statt. In vier nordamerikanischen Städter und 16 europäischen Metropolen finden die Wettkämpfe statt. Der erste offizielle Hyrox-Wettkampf fand im April 2018 statt. Die diesjährige Weltmeisterschaft wird am 14. Mai in Las Vegas veranstaltet.
Welche Disziplinen gibt es?
Ausdauerlauf: 1.000 Meter, der nach jedem der folgenden Workouts wiederholt wird.
Die Workouts: 1.000 Meter Ski-Ergometer, Schlitten mit Gewicht über 2×25 Meter schieben, Schlitten mit Gewicht über 2×25 Meter ziehen, Burpees (Liegestütz-Sprung) und Weitsprung über eine Distanz von 80 Metern, Sandbag Lunges: Mit einem Sandsack auf den Schultern Ausfallschritte über eine Distanz von 100 Metern, zwei Kettlebells über 200 Meter tragen, 1.000 Meter auf dem Ergometer rudern, einen Gewichtsball 100 Mal über eine bestimmte Höhe an eine Wand werfen.