Kleinstadt im Hirn
Fastenprediger Johannes Langer rechnete beim Herrnbräu Starkbieranstich mit der Stadtspitze ab
Gekommen, um derbleckt zu werden. Nach diesem Motto war nicht nur die Ingolstädter Stadtspitze („Der digitale Oberbürgermeister Christian Lösel, der heimliche Anführer des Deppenhaufens Albert Wittmann und der analoge Bürgermeister Sepp Mißlbeck“ O.Ton Johannes Langer) in der Schanzer Rutschn angetreten, um den Starkbieranstich von Herrnbräu zu zelebrieren. Auch städtische Führungskräfte, Audi-Verantwortliche, Vereinsvorstände, Fraktionsvorsitzende, Geschäftsleute und besondere Gäste aus Pfaffenhofen (der sechsmalige Starkbierredner Florian Erdle und der 1. Bürgermeister Thomas Herker mit Ehefrau und espresso Chefredakteurin Steffi Herker) hatten sich eingefunden, um dem alljährlichen Ritual aus Genießen und Derblecken beizuwohnen.
Drei Schläge benötigte OB Christian Lösel, dann floss das Starkbier. Nach der Brotzeit-Vorspeise, wurden den geladenen Gästen Rouladen oder Risotto als Hauptgericht aufgetischt (im Nachgang gabs ein süßes Büffet mit Kaiserschmarrn, Mousse und Co.). Bei dieser Verköstigung von einer Fastenpredigt zu sprechen, macht eigentlich gar keinen Sinn. Zu verdauen gab es an diesem Abend aber für manch einen derbleckten Politiker noch viel mehr als die Roulade vom Angus Rind.
Fastenprediger (nenne wir ihn der Tradition halber trotzen so) Johannes Langer war enttäuscht, dass der OB an diesem Abend keinen roten Buzzer dabei hatte, wie er ihn doch so gerne mit sich führe und bedankte sich bei Christian Lösel für den Tipp, beim städtischen Neujahrsempfang das erfahren zu können, was die Ingolstädter bewege. Im Endeffekt hätten sich an diesem Abend 0,0016 Prozent der Gäste mit der Neujahrsansprache des OB befasst -genau: zwei Leute, nämlich Christian Lange („Der fand alle Scheiße“) und Maurizio Grandesso („Der fand alles toll“). Die nächste Neujahrsansprache solle Lösel daher nach 22 Uhr in seinem Amtszimmer abhalten. Außerdem schlug er eine Textänderung im „ach so hippen“ Imagefilm der Stadt (wegen der Schafe, die drin vorkamen das „Schweigen der Lämmer“ genannt) vor. Es solle nicht heißen „Kleinstadt im Herzen,“ sondern „Kleinstadt im Hirn“.
Warum, dafür zählte Langer einige Beispiel auf, etwa die Abschaltung des Rathaus-Livestreams, die Deckelung des MKKD-Baus auf 30,6 Millionen Euro („Obergrenze – Seehofer lässt grüßen“) und die mit 25 Jahren sehr zügige Umsetzung der Theater-Ersatzspielstätte. In diesem Zusammenhang meinte er, dem Maler Mißlbeck sei mit seinem Kunstwerk ein großer Wurf gelungen. Auch die Gemäldesammlung in Leipzig wollte das Werk haben: „Aber die haben gehört, dass nicht das Bild alt ist, sondern der Maler.“
Die „intelligente Spitze der Stadt“ sei am Samstag Vormittag auf dem Viktualienmarkt zu finden, der vom gleichen Architekturbüro umgebaut wurde wie der Rathausplatz. Das alte musste weg, der Mut zu etwas ganz neuem fehle – und heraus komme wie immer „Mutloser Kleinbürgerkack“.
Johannes Langer nahm sich die möglichen OB Kandidaten der Opposition vor und bescheinigte dem Grünen Politiker Christian Hoebusch „Gesundheitsprobleme“ nach seiner Forderung eines Stadionverbots für einen Eishockeyprofi. Den nicht wieder antretenden Peter Springl fragte er: „Sie haben im Interview gesagt, der Wähler ist schlauer als man denkt. Hören sie deswegen auf?“ und den mögliche SPD Kandidaten Scharpf lobte er als intelligent, eloquent, sarkastisch, ergo in Ingolstadt chancenlos. Seit drei Wochen sei jener auch bei facebook, dem virtuellen Sitzungssaal frustrierter Stadträte, aktiv an Ingolstädter Diskussionen beteiligt.
Audi wurde schon im Eingangs-Gstanzl von Johannes Langer besungen: „Wer hätte das gedacht, dass der Premiumautobauer so einen Scheissdreck macht“. Inzwischen leite ein Holländer den Laden (Wollen die jetzt Wohnwagen bauen), den den Mitarbeitern erklärt hat, sie sollten 80 Prozent arbeiten und 20 Prozent träumen: „Also genaus andersrum wie der Manfred Schuhmann.“
Schließlich sprach er das Thema Flugtaxi an: „Bis vor eineinhalb Wochen wollte ich es aus dem Spiel lassen, aber dann kam der 11 März.“ Und wieder habe Christian Lösel auf den roten Buzzer gedrückt („Frau Lösel, macht er da zuhause auch?“). Doch da habe sich die mangelnde Theatererfahrung gezeigt: „Einen feuchten Pups können sie nicht zum Höhepunkt einer Inszenierung machen“ sprachs und stimmte zum Schluss das „Flugtaxi Lied“ auf die Fliegerlied-Melodie an. Mei is des a bleeder Tag.
Albumfotos: Kajt Kastl