„Wir haben das volle Angebot geplant, das man aus einem normalen Jahr kennt“
Interview mit dem Kulturamtsleiter Tobias Klein über die Ingolstädter Veranstaltungssaison
Herr Klein, wie war die Corona-Zeit für das Kulturamt?
Tobias Klein: Die Pandemie hat uns zu Beginn des Jahres 2020 natürlich – wie alle anderen auch – sehr spontan erwischt. Ein Großteil unserer Aufgaben drehte sich anschließend um Absagen und Verschieben von Veranstaltungen.
Welche Strategie hatten Sie?
Klein: Von Anfang an hatten wir die Haltung, dass wir agieren wollen. Denn viele andere Menschen hängen finanziell an uns. Wir vom Kulturamt haben zwar die Luxussituation, eine Festanstellung, mit einem monatlichen Gehalt, bei der Stadt Ingolstadt zu haben. Aber bei anderen Menschen ist die Lage eben nicht so komfortabel. Durch unsere Veranstaltungen beschäftigen wir freischaffende Künstlerinnen und Künstler und viele andere aus der Veranstaltungsbranche, wie Techniker oder Spezialisten aus dem Marketing. Deshalb haben wir versucht, immer etwas zu bieten. So haben wir im Mai 2020 das digitale Festival „#trotzdemjetzt“ auf den Weg gebracht. Bei diesem Festival beteiligten sich viele Ingolstädter Künstlerinnen und Künstler aus allen erdenklichen Genres.
Trotzdem war Vieles deutlich schwerer planbar.
Klein: Natürlich. Wir haben aber versucht, möglichst lange, möglichst viel offen zu halten, wie beispielsweise die Jazz- und Literaturtage. Leider gehörte dann auch sehr oft dazu, dass wir Veranstaltungen absagen oder verschieben mussten. Für das Jahr 2021 konnten wir dann wieder mehr realisieren – obwohl der Lockdown relativ lang war. Im Frühjahr haben wir in der Ingolstädter Fußgängerzone eine „#trotzdemjetzt“-Expo veranstaltet. Aus dem Bereich der Bildenden Kunst haben uns Künstlerinnen und Künstler Fotos von ihren Kunstwerken und Bildern geschickt, die wir dann ausgedruckt und an den Seilen in der Fußgängerzone aufgehängt haben. Diese war damit eine einzige Kunstausstellung. Mit einem QR-Code am Boden gab es zudem Informationen zu jedem Kunstwerk.
Der Kultursommer war ebenfalls außergewöhnlich im vergangenen Jahr.
Klein: Genau. Aus einem Fördertopf des Bundes akquirierten wir im vergangenen Jahr rund 500.000 Euro. Damit konnten wir den Kultursommer in relativ kurzer Zeit planen und viele Aktionen umsetzen. Für über 300 Künstlerinnen und Künstler haben wir etwas gemacht, mit über 130 Aktionen. Zum Kultursommer gibt es seit vergangener Woche ein Video auf unserer Homepage (https://www.kulturamt-ingolstadt.de/).
Mussten Sie Ihre Arbeitsweise verändern in der Pandemie?
Klein: Ja, wir mussten unsere normale Herangehensweise verändern. Üblicherweise planten wir die Veranstaltungen immer mehrere Monate im Voraus. Aber wir wollten Kultur ermöglichen und den Kulturschaffenden eine Möglichkeit geben, auszustellen oder aufzutreten. Deshalb mussten auch wir flexibel und variabel reagieren. Das hieß dann: kurze Vorlaufzeiten, möglichst lange die Termine aufrechthalten und diese nicht absagen oder verschieben, dafür aber dann schnelle Umplanung, wenn wieder neue Corona-Bestimmungen bekannt waren.
Ging das auch bei den Großveranstaltungen?
Klein: So sind wir auch dabei vorgegangen. Wir haben lange an Volksfesten und dem Christkindlmarkt festgehalten. Natürlich mussten wir einige Veranstaltungen wieder absagen oder verschieben. Aber trotzdem haben wir beispielsweise das Herbstfest Light umgesetzt. Es wurde dann ein Volksfest mit Zugangskontrolle in kleinerer Art und Weise, aber dennoch mit Riesenrad, Fahrgeschäften und einigen Attraktionen. Das klappte vor allem, weil alle Beteiligten kräftig mitgezogen haben. Beim Christkindlmarkt wäre es ähnlich gelaufen, aber dieser musste schließlich doch abgesagt werden.
Obwohl wenige Veranstaltungen abgehalten werden konnten, waren sie trotzdem nicht untätig.
Klein: Was viele nicht sehen: Der Arbeitsaufwand wurde nicht weniger, obwohl die bekannten Veranstaltungen nicht stattgefunden haben. Vieles musste im Hintergrund trotzdem erledigt werden. Teilweise wurden Veranstaltungen geplant, abgesagt, von Neuem geplant und vorbereitet. Dadurch war der Planungs- und damit der Arbeitsaufwand deutlich höher als sonst. Aber am Ende konnten wir trotz der Corona-Zeit Vieles gut umsetzen.
Nun wurden endlich die Einschränkungen aufgehoben.
Klein: Endlich, ja. Durch die Erfahrungen der vergangenen Jahre sind wir jetzt gut vorbereitet und kommen zudem langsam wieder in ein nahezu gewohntes Arbeiten. Auch was die Großveranstaltungen angeht, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir diese in diesem Jahr erleben werden.
Wie sieht das Veranstaltungsjahr nun aus?
Klein: Vom 22. bis 24. April findet als erste Großveranstaltung in diesem Jahr das „Fest zum Reinen Bier“ statt. Aufgrund der aktuellen Regelungen ist dies auch nahezu uneingeschränkt möglich. Anfang Juni planen wir das Pfingstvolksfest (3. bis 12. Juni) und im Sommer das Stadtfest (8. bis 10. Juli). Dazu kommen das Afrikafest (24./25. Juni), das Herbstvolksfest (23. September bis 3. Oktober) und hoffentlich zum Jahresende auch der klassische Christkindlmarkt. Im Kulturbereich werden im Sommer die Literaturtage (18. Juni bis 6. Juli) stattfinden. Die Idee, diese in den Sommer zu verlegen, entstand während der Corona-Phase, da damals Outdoor-Veranstaltungen leichter umzusetzen waren und im Frühjahr noch der Lockdown herrschte. Ein schöner Nebeneffekt ist nun, dass die Lesungen in Gärten, auf dem Dachgarten des „Kap94“ und an verschiedenen Outdoor-Orten im Freien stattfinden können. Geplant haben wir im Herbst auch wieder die Jazztage in gewohnter Größenordnung mit einigen Höhepunkten. Dazu können wir unsere Spielstätten wieder voll auslasten. Das heißt: Auftritte und Ausstellungen in der „Neuen Welt“, im „Kulturzentrum Neun“ und in dem „Exerzierhaus“ planen wir mit unseren Veranstaltungen. In der „Neuen Welt“ wollen wir Neues ausprobieren und auch ein Angebot für Jüngere schaffen. Dazu beginnen die Kabaretttage bald wieder. Im Grunde haben wir das volle Angebot geplant, das man aus einem „Vor-Corona- Jahr“ kennt.
Ist das Stadtfest ein umbenanntes Bürgerfest?
Klein: Nein. Beim Stadtfest vom 8. bis 10. Juli handelt es sich nicht um ein klassisches Bürgerfest. Es ist etwas abgewandelt und erinnert an das diesjährige 550-jährige Jubiläum der Landesuniversität. Wir haben dazu viele Elemente aus dem Bürgerfest entnommen und mit historischen Elementen ergänzt, die man zum Teil aus anderen Festen, wie beispielsweise dem „Fest des Reinen Bier“ oder dem „Herzogsfest“ kennt. In den Abendstunden wird es sicherlich ähnlich voll wie beim Bürgerfest und vergleichbar ablaufen. Es gibt Bühnen am Abend, mit Musikprogramm und DJ-Area. Es wird also wieder in der Innenstadt gefeiert. Auf der anderen Seite wird es beispielsweise einen historischen Handwerkermarkt geben, der bei einem Bürgerfest nicht zu finden ist, aber gut zum Jubiläum passt. Das Stadtfest wird also eine gute Kombination aus historischen Elementen und klassischem Feiern sein. Voraussetzung ist dabei natürlich, dass es gar keine Corona-Einschränkungen mehr gibt. Da bin ich mittlerweile allerdings sehr zuversichtlich, dass das Stadtfest wie geplant ablaufen kann. Wir können uns also auf ein großes Fest in der Innenstadt freuen.
Wann erleben wir dann das heißersehnte Bürgerfest wieder?
Klein: Im kommenden Jahr haben wir ein klassisches Bürgerfest geplant. Dazu muss man eines bedenken: Die Vorbereitungszeit für ein Bürgerfest beträgt rund ein Jahr, nicht nur für uns, sondern auch für viele der anderen Beteiligten. An dem Stadtfest arbeiten wir rund sechs Monate. Wir brauchten aufgrund der Corona-Pandemie eine gewisse Planbarkeit. Trotzdem bin ich sicher: Für Bürgerfestfreunde ist das Stadtfest auf jeden Fall ein Höhepunkt in diesem Jahr. Für diejenigen, die das Jubiläum feiern und historische Elemente erleben wollen auch. Das Stadtfest gab es in dieser Konzeption noch nie zuvor. Deshalb lohnt es auch tagsüber sich auf das Fest einzulassen und zu schauen, was dort erlebbar ist. Das wird ein sehr schönes Wochenende. So folgt im nächsten Jahr on top zum Stadtfest das Bürgerfest. Das ist ein schöner Ablauf.
Wie sehen die Planungen für die Volksfeste aus?
Klein: Die Volksfeste werden nahezu genauso stattfinden wie vor Corona. Von der Größenordnung werden sie also ganz normale Volksfeste sein. Allerdings war beim Pfingstvolksfest die Vorlaufzeit recht kurz. Es war also ungewiss, unter welchen Regelungen das Volksfest stattfinden kann. Wir werden deshalb den Gastronomiebereich noch als große, schön ausgeprägte Biergärten betreiben, inklusive Musikprogramm. Die klassischen beiden Festzelte in der üblichen Form wird es also nicht geben. Es wird dadurch vielleicht etwas anders sein als ein gewohntes Volksfest. Aber ich glaube, wenn das Wetter mitspielt, werden wir eine ähnliche Stimmung wie in einem Biergarten erleben. Es wird mit Sicherheit ein tolles Erlebnis. Alles andere wird so sein, wie bei einem Volksfest: Riesenrad, Anzahl der Fahrgeschäfte, Auto-Skooter und auch der Warenmarkt ist präsent.
Bei den Jazztagen gibt es bereits Tickets.
Klein: Auch für die Jazztage bin ich guter Dinge, dass wir diese wie vor Corona erleben dürfen. Zwei Höhepunkte im Festsaal des Stadttheaters stehen ja bereits fest. Melody Gardot tritt am 3. November auf, Jamie Cullum kommt am 4. November. Beide Veranstaltungen wurden von 2021 verschoben. Der Verkauf für die Auftritte beider Künstler hat bereits begonnen.
Viele denken an den Herbst noch mit ein paar Fragezeichen, was die Pandemie betrifft.
Klein: Ich hoffe nicht, dass wir in diesem Jahr wieder einen ähnlichen Herbst und Winter erleben, wie die vergangenen beiden Jahre. Falls nicht, erleben wir endlich wieder eine ganz normale Festsaison. Vielleicht müssen wir ein paar Veranstaltungen dem aktuellen Pandemiegeschehen anpassen und deshalb abwandeln. Trotzdem können wir uns auf eine schöne Zeit in den kommenden Monaten freuen.
Auf was freuen Sie sich persönlich am meisten?
Klein: Es gibt nicht dieses eine Highlight für mich. Ich freue mich, dass wir wieder in eine planbarere Phase kommen. Dadurch wird auch die Kommunikation in Richtung der Bürgerinnen und Bürgerin einfacher werden. Ich freue mich dazu wieder auf das Gefühl, welches bei Kulturveranstaltungen und großen Festen herrscht. Auf familiäre, ungezwungene Kulturerlebnisse, ohne Ängste. Darauf, dass endlich wieder gemeinsam ausgelassen gefeiert werden darf, ohne Distanz. Denn dann wird jede Veranstaltung für sich ein noch intensiveres Erlebnis sein wie vor Corona.
Das Gespräch führte Timo Schoch, Foto: Weinretter.
Zur Person
Tobias Klein ist seit dem 1. Mai 2021 Kulturamtsleiter. Davor war er Geschäftsführer der Veranstaltungs-GmbH, die von der Stadt Ingolstadt eingegliedert wurde. An normalen Jahren plant das Kulturamt etwa acht Großveranstaltungen (unter anderem den Christkindlmarkt), 160 bis 180 Kulturveranstaltungen und betreibt die drei Spielstätten „Kulturzentrum Neun“, „Neue Welt“ und „Exerzierhaus“. Seit der Eingliederung des Kulturamts zur Stadt Ingolstadt fällt in den Verantwortungsbereich Kleins noch die Jugendherberge und seit Anfang diesen Jahres der Wochenmarkt und die Koordination des Viktualienmarkts.