Grünes Blut – Anke Schmitz im Interview
In ihren Adern fließt grünes Blut, Transfusion erwünscht.
Immer wieder zeigt sich, dass das Thema „Garten“ unendlich viele Facetten besitzt und auch nicht auf die rein pflanzlichen Aspekte reduziert werden kann. IN-direkt unterhält sich deshalb heute mit Anke Schmitz (41 Jahre), die sich in ihrem Garten Blog mit außergewöhnlichen Gartenthemen befasst mit Fachleuten spricht, sich aber auch mit Historikern, Philosophen und Schriftstellern dem Garten in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen nähert.
IN-direkt: Frau Schmitz, im Netz sind wir auf Ihren Garten-Blog gestoßen und haben dort etliche interessante Themen und Interviews entdeckt. Gibt es neue Trends, die Sie aus den letzten Gesprächen und Interviews z.B. für den Privatgarten herausfiltern konnten?
Anke Schmitz: Zunächst einmal lieben Dank für das Lob! Manchmal greife ich einen Trend auf, wenn ich Bienenfutterautomaten vorstelle oder Wiederentdeckungen von alten Kulturmaßnahmen, wie das „auf Stock setzen“ von Gehölzen im Zusammenhang mit zeitgenössischen Staudenpflanzungen. Tatsächlich lasse ich aber Trends weitgehend außen vor. Vielmehr möchte ich mit dem Blick einer Kunsthistorikerin, die ich von Haus aus neben meiner gärtnerischen Ausbildung bin, eine Lücke schließen. In welcher Tradition stehen verschiedene Gartenstile, wie verhalten sie sich zueinander?
Sind da grundsätzliche Änderungen zu spüren oder doch eher nur Moden, die in ein paar Jahren wieder verschwunden sind?
Gute Frage! Ich denke, so individualisiert wir als Gesellschaft mittlerweile sind, so vielfältig sind eben auch die Trends bzw. der Anspruch, den mein Garten für mich erfüllen soll. Und das ist aus meiner Sicht der springende Punkt, damit ihn sein neuer Garten auch langfristig erfüllt. Möchte ich in erster Linie repräsentieren? Will ich Familie und Freunde einladen? Ist es mir super wichtig, einen Lebensraum für Insekten zu schaffen? Erfreut mich bei der Gemüseanzucht die körperliche Ertüchtigung, dann werde ich mit dem Mähroboter natürlich nicht glücklich. Wer in diese Überlegungen Zeit investiert und sich mit den natürlichen Grundlagen wie Boden und Kleinklima auseinandersetzt, der wird eine eigene Betonung im Garten finden.
Ingolstadt hat mittlerweile 2 Landesgartenschauen erlebt und wird in den nächsten Jahren sehr stark von den Wohlfahrtswirkungen dieser Anlagen profitieren. V.a. wegen Corona war letztes Jahr aber ein doch recht überschaubarer Publikumsandrang. Im Nachhinein stellen sich nun auch Fragen nach anderen Gründen: Ist eine „Gartenschau“ vom Begriff und von den Inhalten noch zeitgemäß? Manche Leute scheinen mit einer Gartenschau ja wenig bis gar nichts anfangen zu können. Andererseits waren gerade in den ersten Monaten der Pandemie die Grünanlagen so voll wie nie.
Tatsächlich war ich noch nicht auf sehr vielen Gartenschauen, weil sie mich vom Konzept her erstmal nicht ansprechen. Es wirkt auf mich oft sehr durchprofessionalisiert und eklektisch. Letztes Jahr war ich aber in Erfurt zu einem Medientag auf der BUGA und dank eines Interviews mit dem Leiter der ältesten Kakteen-Gärtnerei der Welt (schon Humboldt und Goethe waren dort zu Besuch) war mir die lange Gartenschau-Tradition dieser Blumenstadt bekannt. So habe ich diese Gartenschau ganz anders erlebt, weil ich erkannte, was für Anklänge an die Geschichte der Stadt sich wiederfinden und weil ich die Bepflanzung, u.a. auch Gemüse, dazu folgerichtig fand. Vielleicht sind Gartenschauen ja ein Gradmesser dafür, welches Interesse ganz generell am Thema Garten besteht und das war in der Breite vielleicht schon mal größer als gegenwärtig.
Zurück zum Privatgarten: Gibt es neben neuen Trends auch „unumstößliche Gesetzmäßigkeiten“? Einerseits ist scheinbar das ökologische Bewusstsein so groß wie nie, andererseits erleben wir gerade eine fast schon epidemische Ausbreitung von Schottergärten. Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Gibt es eine neue „Pflegeleichtigkeit“?
Jedem Menschen sei das Recht auf Irrtum erlaubt. Erst recht, wenn man mit Garten nicht viel anfangen kann, so wie ich mit der Steuererklärung. Ich stimme jedenfalls nicht in den Chor derjenigen mit ein, die sich über Schottergärten echauffieren. Auch Satire verhärtet aus meiner Sicht hier nur die Fronten, was ich noch weitaus übler finde als 6m² Kies. Und ja, ich weiß, es geht um die Summe aller Vorgärten, aber auch da muss man den Gedankengang nicht enden lassen. Manche Leute werden feststellen, dass Kies auf Dauer keine pflegeleichte Methode ist und dass im Sommer all diese Steingärten dem Kleinklima nicht dienlich sind und still wirken. Umarmen statt mit dem Finger drauf zu zeigen, wäre mein Vorschlag.
Wer könnte hier denn Aufklärungsarbeit leisten? Gehören die vielen Aspekte eines Gartens nicht bereits im Schulunterricht behandelt? Außer Fotosynthese und ein paar weiteren biologischen Grundkenntnissen lernt man aktuell ja nichts darüber.
Als Gartentherapeutin und Mutter möchte ich bei der Frage ganz laut schreien: „Leute, lasst eure Kinder raus in die Natur!“ Für diejenigen, die in der Stadt wohnen, bedeutet es vielleicht die Komfortzone zu verlassen, aber mit einem fetten Mehrwert: Natur wirkt! Gegen eine gewisse Angst kann man zunächst gemeinsam mit den Kindern ablaufen, wie weit sie sich entfernen dürfen, so dass sich alle wohl dabei fühlen. Es ist toll auf einen Baum zu klettern, sich mit der Wange an die Borke zu lehnen, in die Ferne zu schauen, im Wind leicht geschaukelt zu werden, auf diesem starken Freund. Ein Vogel der plötzlich auf dem Ast direkt neben mir landet. Wie fühlen sich Kälte und Nässe an? Vielleicht muss ich zwischendurch auch mal Hunger und Durst tolerieren? Ich denke, das alles ist eine gute Basis, um sich für Natur und eben auch für den Garten und seine natürlichen Zusammenhänge zu begeistern … und eben auch um sich Selbstgefühl und Sozialkompetenzen anzueignen – ganz kostenlos. Eigentlich ist alles schon lange da.
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