„Ein sehr bedrückendes Gefühl“ – Patrick Amos im Interview
„Ein sehr bedrückendes Gefühl“
Lifestyle-Fotograf Patrick Amos über Hilfsaktionen und -lieferungen von seinen Freunden und ihm für die Opfer des Ukraine-Kriegs
Herr Amos, haben Sie aktuell noch einen Kopf für Kreativität?
Patrick Amos: Nein, überhaupt nicht. Aktuell ruht meine Arbeit. Ich kann nicht kreativ sein, wenn die Kriegsgefahr so akut ist und Menschen in unserer Nähe fliehen und sterben. Deshalb habe ich etliche Shootings abgesagt und verschoben. Dazu hätte ich noch viele Fotos auf der Festplatte, die gepostet gehören. Aber das fühlt sich gerade nicht gut an. Natürlich weiß ich, dass ich meine Arbeit weitermachen müsste – wie wir alle. Aber trotzdem sollten wir aktuell doch unsere Kraft dort hineinstecken, um anderen Leuten zu helfen und Friedensdemos zu organisieren.
Sie haben bereits nach Kriegsbeginn sehr schnell geholfen.
Amos: Ich hatte zuerst überlegt, wie ich helfen kann. Dann wurde mir bewusst, dass ich über Instagram eine gewisse Reichweite habe, die ich nutzen kann. Mein erster Hilfeaufruf auf Instagram ging am ersten Kriegswochenende raus. Mein Kumpel Tobias Schwachhofer war auch sofort dabei und weitere Unterstützer. Am Sonntagabend habe ich gepostet, dass die Hilfsaktion am Montagvormittag bei mir im Studio losgeht. Wir erlebten einen Ansturm und sind anschließend direkt losgefahren. Unser 3,5-Tonnen-Transporter haben wir mit 800 Kilogramm überladen.
Sie haben also keine Beziehungen in die Ukraine?
Amos: Nein, keine Angehörigen und Verwandte. Aber die Situation nimmt mich sehr mit. Über Beziehungen erhielten wir Kontakt zu Leuten direkt an der ukrainisch-ungarischen Grenze. Wir haben die Hilfsspenden dort abgeladen. Also direkt, ohne über drei Ecken.
Was wurde alles gespendet?
Amos: Hauptsächlich Lebensmittel, Medizin und Babysachen. Wir hatten die Infos, dass Kleidung weniger gebraucht wird, höchstens Schlafsäcke, Isomatten und Mützen.
Was war besonders prägend bei der Fahrt?
Amos: Zum einen natürlich die Nähe. Der Krieg ist direkt neben uns. Das wurde mir erst so richtig bewusst, als wir Vormittags noch an der Kriegsgrenze standen und ich dann am Abend in meinem Bett lag. Zwölf Stunden Fahrt lagen zwischen uns. Das ist nichts. Und dann war da noch die Situation kurz vor der Grenze.
Welche?
Amos: Ich bin zusammen mit meinem Kumpel Tobi gefahren. Als wir auf dem Weg zu unserem Kontakt an der ukrainischen Grenze waren, sahen wir 20 bis 30 Kilometer davor eine Panzerflotte, die zur Grenze fuhr. Militärflugzeuge patrouillierten über uns. Es war höchste Alarmbereitschaft. Das war ein sehr bedrückendes Gefühl für uns, weil wir in diesem Moment so richtig merkten, wie präsent der Krieg ist. Wir haben uns nur noch angeschaut und konnten aber nicht mehr miteinander sprechen.
Sie helfen jetzt weiter.
Amos: Natürlich. Ich will weiter meine Reichweite nutzen – auch meine Kontakte zu verschiedenen öffentlichen Personen, die eine noch viel größere Reichweite haben. Es geht schließlich um unser aller Leben. Die aktuelle Situation bereitet so viel Angst. Da ist die permanente Gefahr vor einer Ausweitung des Krieges oder sogar vor einem Atomkrieg. Das geht nicht nur mir so, sondern vielen anderen auch. Das zeigt sich bereits daran, dass die Corona-Krise quasi nicht mehr existent ist. (TS)
Zur Person
Der Ingolstädter Patrick Amos (32) ist ein gefragter Lifestyle-Fotograf. Viele Künstler und Prominente, wie Cathy Hummels und Musiker, wie Glasperlenspiel, buchen Amos regelmäßig. Er hat sein Studio in der Donaustraße, baut sich aktuell ein zweites Standbein auf Mallorca aus. Dieses Projekt ruht nun allerdings wegen des Ukraine-Krieges.
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