Präventionsprojekt gegen weibliche Genitalbeschneidung in Ingolstadt
Sprach- und Kulturmittlerinnen werden ausgebildet
Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation/Cutting – FGM/C) ist ein gewaltsamer Eingriff, bei dem die äußeren Genitalien eines Mädchens oder einer Frau teilweise oder ganz verändert, entfernt oder verletzt werden, ohne dass es dafür einen medizinischen Grund oder Nutzen gibt. Von den betroffenen Frauen wird die Bescheidung auch als Sunnah, mknshab, khatna, niaka, tahur, megrez, khatnauracion oder khitan bezeichnet.
Genitalverstümmelung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung und stellt damit einen Verstoß gegen das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit dar. Zudem verstößt sie gegen die Kinderrechte gemäß der Kinderrechtskonvention und gilt somit als Kindesmisshandlung.
Aktuellen Angaben von UNICEF zufolge sind weltweit mehr als 200 Millionen Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Tatsächlich dürften es eher doppelt so viele sein, denn bisher gibt es nur für den Subsahararaum, Ägypten und Irak umfassende Studien. Dabei weiß man heute, dass auch im Nahen Osten, in Südostasien und in Mädchen und Frauen genitalverstümmelt werden.
Auch in Deutschland sind Mädchen dem Risiko ausgesetzt, illegal hierzulande oder im Ausland an ihren Genitalien verstümmelt zu werden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen. In ganz Europa sind die weibliche Beschneidung und die Beihilfe dazu eine Straftat. Hierzu zählt auch das Verbringen eines Mädchens ins Ausland um es dort beschneiden zu lassen.
Frauen aus den Prävalenzländern leben auch in Ingolstadt – teilweise sind sie geflohen, weil sie nicht wollten, dass ihre Kinder beschnitten werden. Teilweise fehlt jedoch auch das Bewusstsein, dass dies ein gefährlicher Eingriff in das Leben und die Gesundheit der Kinder. Oftmals wird die Tradition so hoch bewertet, dass die Frauen auch in Deutschland ihre Mädchen beschneiden lassen möchten – und sei es nur, damit sie sicher einen Mann bekommen. Obwohl es zum Glück mittlerweile Männer gibt, die gerne unbeschnittene Frauen heiraten würden.
Präventionsprojekt in Ingolstadt
Im Februar 2021 startete – gefördert durch das Bayerische Sozialministerium (STMAS), mit Unterstützung der Gleichstellungsbeauftragten Anja Assenbaum und durchgeführt durch pro familia Ingolstadt – ein Präventionsprojekt zur Verhinderung von weiblicher Beschneidung von Mädchen, die in unserer Region leben. Es ist Teil eines Netzwerks mit Akteuren in München, Neu-Ulm und Regensburg und wird durch die Katholische Stiftungsfachhochschule München wissenschaftlich begleitet.
Entsprechend einer Erhebung der Katholischen Stiftungsfachhochschule leben aktuell in der Region 1520 Mädchen und Frauen aus Prävalenzländern, die von weiblicher Beschneidung betroffen oder bedroht sind, 645 davon im Stadtgebiet Ingolstadt.
Im Rahmen des Projektes fanden bisher u. a. Informationsveranstaltungen für die Bevölkerung und speziell für Fachkräfte statt und es wurden Sprach- und Kulturmittlerinnen ausgebildet.
Elf Frauen schließen diese Ausbildung jetzt ab. Darunter befinden sich Frauen aus Eritrea, Nigeria, Sierra Leone, Somalia, Togo und Irak. Diese können Beratung in den Sprachen Amharisch, Arabisch, Assanti, Bahdinie, Edo, Englisch, Französisch, Igbo, Kotokoli, Krio, Somali, Sorani, Temne, Trigrinha und Yuruba durchführen. Anlässlich des Internationalen Tages gegen Beschneidung am Montag, 6. Februar sollte die Zertifikatsübergabe an die diesjährigen Absolventinnen erfolgen. Leider ist dies aktuell nicht als öffentliche Veranstaltung möglich.
Anja Assenbaum ist es wichtig, dass insbesondere hier in der Region lebende betroffene Frauen Hilfe und Unterstützung erhalten und die Mädchen davor bewahrt werden beschnitten zu werden.
Nachdem das STMAS die Förderung des Projekts verlängert und ausgeweitet hat, ist ein weiterer Kurs zur Qualifizierung von Sprach- und Kulturmittlerinnen bereits geplant. Interessierte können sich bei pro familia Ingolstadt melden. Die Teilnahme ist kostenlos, den Teilnehmerinnen wird eine Aufwandsentschädigung gezahlt.