Ist beim Datenschutz alles Gold, was glänzt?
In den vergangenen Wochen musste die Politik auf Berichte über massive Betrugsfälle im Zusammenhang mit den im ganzen Land entstandenen Corona-Testzentren reagieren. Die betroffenen Einrichtungen sollten falsche Testzahlen übermittelt haben, um schnell und einfach an die zugesagte Bezahlung zu kommen. In den Augen vieler Beobachter war der Schuldige schnell gefunden – der Datenschutz. Er habe verhindert, dass die genauen Daten der Getesteten übermittelt werden können. Und überhaupt: Ist der Datenschutz nicht auch schuld daran, dass Deutschland keine funktionierenden digitalen Antworten auf die Pandemie gefunden hat? Ist er nicht generell der Mühlstein am Hals einer modernen Verwaltung und einer Bekämpfung von Verbrechen und Terror? Mit kaum einem Argument kann man eine Diskussion so schnell beenden, wie mit dem Verweis auf das vermeintliche Hindernis des Datenschutzes. Doch in Wahrheit ist der Datenschutz oft nur die Entschuldigung für eingefahrene Strukturen und schwerfällige Verwaltungen. Das zeigen zahlreiche Beispiele.
Ist beim Datenschutz alles Gold was glänzt? Leider nicht. Wir haben mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) als EU einen Goldstandard geschaffen, nach dem sich Unternehmen und Staaten weltweit richten. Sogar Kalifornien, der Staat des Silicon Valley, hat sich ein strenges Datenschutzgesetz gegeben. Als Beispiel diente die DSGVO, darauf können wir in der EU wirklich stolz sein. Aber das Datenschutzrecht muss differenzierter werden. Wir behandeln den örtlichen Schützenverein fälschlicherweise wie Facebook oder die Schufa. Wir müssen Datenschutz bereits beim Design von Soft- und Hardware mitdenken und die Technik intelligent nutzen, um selbst über unsere Daten bestimmen zu können. Im Internet etwa sollten wir das Webtracking über den Browser regeln können, statt uns entnervt durch Cookie-Banner klicken zu müssen. Welche in den meisten Fällen keine gültigen Einwilligungen erzeugen.
Und das beste Datenschutzrecht muss auch letztlich durchgesetzt werden. Dazu gehört, sich auf die Brennpunkte des Datenschutzes zu konzentrieren. Das sind die großen IT-Unternehmen. Es darf nicht sein, dass diese in Irland durch die dortige Aufsichtsbehörde mit Samthandschuhen angefasst werden und dem Rest Europas damit die Hände gebunden sind.
Denn der Datenschutz ist wichtig – für unsere Freiheit und unsere Demokratie. Zu wissen, wer was über wen weiß, hat unmittelbar Auswirkungen darauf, wie der Mensch von seiner Freiheit Gebrauch macht. Wer sich das nicht vorstellen kann, braucht nur nach China auf sein „Social Scoring System“ zu schauen. Wer einen Menschen gut genug kennt, weiß, wie er ihn beeinflusst und manipulieren kann. Dass Menschen ohne Angst davor eigene Entscheidungen treffen können, ist wichtig für unsere freiheitliche Demokratie. Das sollten auch diejenigen beherzigen, für die der Datenschutz nur als Entschuldigung für die strukturelle Reformunfähigkeit der deutschen Politik dient.
Bleiben Sie skeptisch und gesund!