Auf der (Stadt)Flucht
Raus will er. Der hippe, gut verdienende Großstädter. Raus aufs Land. Jetzt, wo er das Homeoffice für sich entdeckt hat, ist die Wohnung ohne Garten in der stinkenden, überhitzten und lauten Großstadt auf einmal nicht mehr trendy. Deshalb wird sie für eine Schweinegeld verkauft und auf dem Land dafür ein hübsches Häuschen erstanden (für einen Preis, den der Ureinwohner des betroffenen Dorfes nie aufbringen könnte). Natürlich ohne Steingarten, dafür mit Blühwiese. Man will ja nicht unangenehm auffallen. Nun lässt er sich dort häuslich nieder und freut sich über die Ruhe, die Idylle, den freien Blick zum Himmel und die herrliche Umgebung. Das Leben kann so schön sein. Oder es könnte schön sein. Wenn die Straßenbahn alle 20 Minuten um die Ecke halten würde. Aber das tut sie natürlich nicht. Und der Bus kommt auch nur zweimal am Tag. Werktags, wohlgemerkt.
Na schön, dann muss der neue Ortsbewohner eben mit dem schicken Lastenfahrrad zum Einkaufen radeln. 30 Kilometer zum nächsten Bio-Markt und zur Apotheke sollten doch ein Klacks sein. Im Notfall könnte man sich die Sachen ja auch liefern lassen – nach Vorbestellung im Internet. Aber hoppla. Internet. Das funktioniert ja nur Dienstag und Donnerstag von 6.30 Uhr bis 7.17 Uhr und abends wieder um 22.35 Uhr. Oder wenn die Nachbarn dem kleinen Justin-Jaques und seiner Schwester Sheila die Tablets weg genommen haben. Anrufen ist auch keine Option, als Städter ist einem der Festnetzanschluss nicht geläufig, aber leider steht das neue Eigenheim in einem – zugegeben malerischen – Funkloch. Das Smartphone ist auf einmal ganz und gar nicht mehr smart. Jetzt könnte man in der Wirtschaft nebenan das Thema Nahrungsaufnahme auf die traditionelle Art lösen – aber die Dorfwirtschaft hat seit 5 Jahren geschlossen. Genauso wie die Post, der Bäcker und die Sparkasse. Ja, hier lässt es sich in Ruhe leben. Aber diese unvergleichliche Idylle muss man auch wirklich aushalten können.