Schulen sanieren statt Kammerspiele bauen
Zum Thema „Kammerspiele“ erreichte uns ein Leserbrief von Reinhard und Eva-Maria Roth:
Schulen sanieren statt Kammerspiele bauen
Derzeit laufen die Vorplanungen für das geplante Kammerspielgebäude in Ingolstadt. Doch während alternative Standorte zum Platz über der Theatertiefgarage diskutiert werden, um ähnliche Kostensteigerungen wie beim Bau des MKKD zu vermeiden, wird die grundlegende Notwendigkeit der Kammerspiele insbesondere auch nach der Corona-Pandemie leider nicht in Frage gestellt.
Ein guter Haushälter weiß von jeher, dass ein Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Daher ist jedes große Bauprojekt immer eine Frage der Priorisierung; dies insbesondere nach der Corona-Pandemie, welche zerrüttete öffentliche Kassen hinterlassen wird. Die Situation stellt sich dabei heute deutlich anders da, als zum Zeitpunkt des Stadtratsbeschlusses zum Bau der Kammerspiele in 2019. In der Zeit knapper Kassen müssen gezielt verfügbare Ressourcen auf zukunftsgerichtete Investitionen fokussiert werden.
Die Kammerspiele sind dabei primär ein Elitenthema ohne sozialen Ausgleichsanspruch. Studien in anderen deutschen Städten haben gezeigt, dass Theaterbesucher im Mittel um die 58 Jahre alt sind und ganz überwiegend eine hohe soziale Stellung haben. Hier stellt sich ganz deutlich die Frage, inwiefern eine solche Investition zukunftsgerichtet wäre bzw. ob hier in die richtige hilfsbedürftige Zielgruppe investiert wird.
Eine Alternative wäre die Investition in Bildung. Die Corona-Pandemie hat sehr deutlich gezeigt, dass Ingolstadt wie auch der Rest Deutschlands große Schwächen hatte, für unsere Kinder den Schulunterricht aufrechtzuerhalten. Die dadurch entstandenen Lücken in der Bildung unserer Kinder werden wir in Form niedrigerer Einkommen/ Steuerzahlungen und noch weniger Fachkräften noch in vielen Jahren spüren. Dabei haben wissenschaftliche Untersuchungen während der Pandemie schon früh gezeigt, dass Schulschließungen vermeidbar gewesen wären, hätten alle Klassenzimmer Lüftungsanlagen. Neben dem positiven Effekt für die nächste Pandemie besser gerüstet zu sein würde eine verbesserte Frischluftzufuhr im Übrigen insbesondere im Sommer die Leistungsfähigkeit der Kinder verbessern. Eine sehr gute Lüftungsanlage kostet pro Zimmer um die 8.000 €. Für alle knapp 1.000 Klassenzimmer in Ingolstadt bei ~23.000 Schülern währen somit etwa 8 Millionen Euro fällig. Dies liegt noch deutlich unter dem Stadtbeitrag für die Kammerspielkosten von 40 Millionen Euro (selbst ohne zu erwartende Kostensteigerungen).
Bei der Entscheidung über die richtige Verwendung der knappen Mittel sollte man gerade in der Erfahrung der Pandemie auch berücksichtigen, wer besondere Hilfe braucht. Während die Schüler mit am stärksten unter der Pandemie gelitten haben, haben ältere Theaterbesucher ganz überwiegend von der gewaltigen Solidarität profitiert. Die Entscheidung für Investitionen in Schulen statt in Kammerspiele wäre ein deutliches Zeichen, dass man sich auf die wirklich wichtigen Themen fokussiert. Und wer Schulen heute nicht fördert, braucht sich später nicht wundern, dass Theaterbesucher ausbleiben – dann werden wir auch keine Kammerspiele mehr brauchen.