Corona-Stillstand sorgt für deutlich weniger Verkehrsunfälle
Die Gesamtunfälle des Jahres 2020 im Präsidialbereich sind vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie um 19,1 % zurückgegangen. In diesem Zusammenhang reduzierten sich auch die Zahl der Unfälle mit Personenschäden und der verletzten Personen sowie der bei den im Straßenverkehr getöteten Verkehrsteilnehmern.
Verkehrsunfallentwicklung 2020 im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord (in Klammern Vergleichszahlen aus 2019)
1. Unfallentwicklung
Das Jahr 2020 ist Anwärter für das Jahr mit den wenigsten Verkehrstoten seit Einführung der bundesdeutschen Unfallstatistik 1953. Seit März 2020 beeinflusst die Corona-Pandemie das Leben in Deutschland. Die grundlegende Angst vor Infektionen, mehrere angeordnete Lockdowns sowie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen haben die Mobilität im vergangenen Jahr verändert. Darüber hinaus arbeiteten die Menschen vermehrt von zu Hause aus und führten auch deutlich weniger Geschäftsreisen durch. Das motorisierte Verkehrsaufkommen auf den Straßen ist aus all diesen Gründen merklich zurückgegangen. Schon deshalb ist über nahezu alle Verkehrsarten, Zielgruppen und Straßenklassen ein Rückgang bei den Verkehrsunfallzahlen zu beobachten. Das Jahr 2020 kann deshalb statistisch mit den übrigen Jahren kaum verglichen werden. Diese Verkehrsbilanz muss daher die aktuelle pandemische Lage bei den Aussagen und Prognosen zu den einzelnen Zielgruppen bzw. Verkehrsarten insoweit ignorieren und zu Vergleichszwecken vor allem die regulären Jahre betrachten.
Auch im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord zeigt die Verkehrsunfallentwicklung des Jahres 2020 eine fallende Tendenz bei den Gesamtunfallzahlen. Es wurden 41.004 Verkehrsunfälle (50.668) – Vorjahreswerte in Klammern – aufgenommen. Dieser Bereich umfasst die zehn Landkreise Erding, Freising, Ebersberg, Dachau, Starnberg, Landsberg a. Lech, Fürstenfeldbruck, Eichstätt, Pfaffenhofen a. d. Ilm, Neuburg-Schrobenhausen und die Stadt Ingolstadt.
Es ereigneten sich 5.591 (6.317) Verkehrsunfälle mit Personenschaden, bei denen 7.003 (8.253) Personen verletzt wurden.
Im Jahr 2020 verloren 64 Menschen auf den Straßen in den Landkreisen des Präsidialbereichs Oberbayern Nord ihr Leben, 6 Personen weniger als im Vorjahr.
1.1 Räumliche Aufteilung der Unfälle
Innerhalb geschlossener Ortschaften wurden bei 24.238 Verkehrsunfällen 11 Menschen getötet.
Außerhalb geschlossener Ortschaften kamen bei 16.766 Verkehrsunfällen 53 Personen ums Leben.
1.2 Verkehrsunfalltote
Im Jahr 2020 verloren 64 Menschen auf den Straßen des Präsidialbereichs Oberbayern Nord ihr Leben, 6 Personen weniger als im Vorjahr. Ein Rückgang war in allen Zielgruppen außer der Zielgruppe der Pkw-Fahrer festzustellen. (ohne Verkehrsunfälle im Übertragungsbereich der BAB im Bereich des Polizeipräsidiums München)
2. Alkohol und Drogen
2020 wurden 602 (653) Verkehrsunfälle im Wesentlichen durch vorangegangenen Alkoholkonsum verursacht. Dies stellt einen Rückgang um 7,8 Prozent dar. Bei diesen Unfällen wurden 364 (415) Personen verletzt. 1 (5) Mensch fand dabei den Tod.
Die Unfälle unter Einfluss von Drogen oder Medikamenten blieben mit 71 (69) Fällen nahezu konstant, wobei teils erhebliche regionale Unterschiede festzustellen waren. Bei diesen Unfällen wurden 47 (58) Personen verletzt, keine (3) Person wurde getötet.
3. Geschwindigkeit
Bei 1.412 Geschwindigkeitsunfällen kamen im Jahr 2020 insgesamt 12 Menschen ums Leben. Im Vergleich zum Vorjahr konnte damit eine Reduktion dieser Unfälle um 20 % erreicht werden. Bei den Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang konnten 4 Personen oder 25 % weniger als Opfer registriert werden. Der Anteil der Geschwindigkeitsunfälle im Kontext des Gesamtunfallgeschehens bleibt weiterhin hoch.
Insgesamt 12 Verkehrsteilnehmer und damit fast jeder Fünfte (18,8%) getötete Verkehrsteilnehmer im Bereich des PP Oberbayern Nord kam bei einem Geschwindigkeitsunfall ums Leben.
Insgesamt wurden im Jahr 2020 im Rahmen der Verkehrsüberwachung mit technischem Gerät 152.136 Verkehrsteilnehmer beanstandet. Davon lagen 74.559 im Anzeigenbereich und 77.577 wurden verwarnt.
4. Junge Fahrer (18-24 Jahre)
Die Risikogruppe der jungen Fahrer war 2020 an 3.387 Verkehrsunfällen (4.144) beteiligt. Dies stellt einen Anteil von 8,3 % an der Summe aller Unfälle dar. 16 der hierbei getöteten 29 Personen und 927 der verletzten 1.926 Personen waren selbst junge Verkehrsteilnehmer. Etwas mehr als die Hälfte, nämlich 1.963 (2.385) Unfälle wurden durch die jungen Fahrer verursacht. 24 (15) Menschen fanden bei diesen Unfällen den Tod (37,5% aller Getöteten). 1.344 (1.697) Personen wurden dabei verletzt (19,2% aller Verletzten). Die Risikobereitschaft der jungen Leute und ihre noch nicht hinreichend ausgereifte Fahrpraxis führen immer wieder zu Geschwindigkeits-, Vorfahrts- und Abbiegeunfällen, gerade bei nächtlichen Fahrten. Dies belegt auch die Tatsache, dass diese Zielgruppe zu 29,4% an den Geschwindigkeitsunfällen und zu 21,3% an den Alkoholunfällen beteiligt ist.
5. Seniorenunfälle (ab 65 Jahren)
Im Jahr 2020 waren ältere Menschen an 3.347 Verkehrsunfällen beteiligt, dies entspricht einem Anteil von 8,2 % an den Gesamtunfällen. Insgesamt ist ein stetiger Anstieg (+ 5,6%) bei den Unfällen mit Beteiligung von Senioren seit 2011 festzustellen. Diese Entwicklung ist auch bei den von Senioren verursachten Verkehrsunfällen (+ 12,6%) zu beobachten. Die Zahl der getöteten Senioren ist mit 14 (19) im vergangenen Jahr um 26,3 % und seit Beginn des Verkehrssicherheitsprogrammes 2020 im Jahr 2011 von 24 bis zu dessen Auslauf auf 14 Personen (entspricht 41,7%) zurückgegangen.
6. Gurt- und Helmpflicht
Neun der insgesamt 39 Todesopfer in PKW, LKW, Reisebus und Wohnmobil waren im vergangenen Jahr bei Verkehrsunfällen nachweislich nicht angegurtet. Dies entspricht wieder einem Anteil von jährlich rund einem Viertel (23,1 %). Alle getöteten Kradfahrer trugen hingegen den vorgeschriebenen Schutzhelm.
7. Motorradunfälle
Im Jahr 2020 waren 656 (829) Kradfahrer an 632 (806) Verkehrsunfällen beteiligt, 14 Kradfahrer wurden hierbei tödlich verletzt, während 2019 noch 17 Kradfahrer ihr Leben ließen. Die Zahl der verletzten Kradfahrer fiel bei diesen Unfällen von 714 auf 548 Personen (- 23,2%). Damit konnte seit Start des Verkehrssicherheitsprogramms im Jahr 2011 bis zu dessen Auslauf 2020 ein Rückgang von 22 auf 14 um 36,4 Prozent bei den tödlich verletzten Bikern festgestellt werden, wobei im Jahr 2017 mit 7 Personen die wenigsten Todesopfer registriert wurden.
Die häufigsten Unfallursachen bei Motorradunfällen waren erneut zu hohe Geschwindigkeit (28 %), fehlender Sicherheitsabstand (12 %), Fehler beim Überholen (10 %). Mit 343 (456) Verkehrsunfällen wurde gut die Hälfte durch die Motorradfahrer selbst verursacht. Motorradfahrende ab 45 Jahren waren in diesem Zusammenhang deutlich höher (ca. 43 %) als andere Altersgruppen an Motorradunfällen beteiligt.
8. Schulwegunfälle
Im abgelaufenen Schuljahr 2019/2020 war mit 51 Schulwegunfällen ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2018/2019 um 28,2 % (- 20) zu verzeichnen. Die Zahl der verletzten Schüler sank von 83 auf 52. Glücklicherweise wurde im vergangenen Schuljahr zum fünften Mal in Folge wieder kein Schüler tödlich verletzt. Wo eine Verkehrsregelung durch Polizei oder Schulweghelfer stattfand, war überhaupt kein Unfall zu verzeichnen (2018/2019: kein Unfall). Letzteres zeigt einmal mehr, wie wichtig der Einsatz von Schulwegdiensten ist.
9. Fußgängerunfälle:
Im Jahr 2020 ereigneten sich im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord insgesamt 432 (499) Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Fußgängern. Dabei kamen 3 (6) Fußgänger ums Leben und 306 (381) wurden verletzt.
10. Radfahrunfälle
Gab es im Jahr 2019 noch 2.045 Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Radfahrern, waren dies im Jahr 2020 mit 2.093 etwa zwei Prozent mehr. Dabei wurden 5 (10) Radfahrer getötet, 1.947 (1.870) Radfahrer wurden bei diesen Unfällen verletzt. Die deutliche Mehrheit, nämlich 70,4 % der Unfälle wurden von den Radfahrern selbst verursacht.
Um Unfallfolgen zu minimieren, tragen die Fahrradfahrer auch selbst eine Verantwortung. Fahrradunfälle ohne Helm führen meistens zu gravierenden Kopfverletzungen – vor allem bei einem Zusammenstoß mit einem Kfz. So ist es besonders auffällig, dass 80 Prozent der getöteten Radfahrer keinen Helm trugen. Auch bei den schwerverletzten Radfahrern ist festzustellen, dass 199 von 378 (52,6%) der Radler keinen Helm trugen, bei den Leichtverletzten waren es 875 von 1.569 (55,8%).
10.1 Verkehrsunfälle mit Pedelecs
Noch beträgt der Anteil der Unfälle mit Pedelecs bisher nur rund 13% an den Gesamtunfällen aller Rad Fahrenden. In den letzten Jahren zeigt sich aber eine stetig und deutlich ansteigende Tendenz. So wurden im Jahr 2020 insgesamt 313 (242) Unfälle (+29,3% im Vergleich zum Vorjahr) mit Pedelecs aufgenommen. Hierbei wurden insgesamt 306 (234) Pedelecfahrer verletzt und zwei (1) getötet. Einer der zwei getöteten sowie 43 der 82 (52,4%) schwerverletzten und 110 der 224 (49,1%) leichtverletzten Pedelecfahrer trugen keinen Fahrradhelm.
11. Elektrokleinstfahrzeuge
Elektro-Tretroller, oft auch als E-Scooter bezeichnet, sind im öffentlichen Straßenverkehr seit dem 15. Juni 2019 nach der sog. Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) erlaubt. Sie betrifft E-Scooter und Segways, nicht aber andere sog. Personal Light Electric Vehicles (PLEV) wie Airwheels, Hoverboards oder E-Skateboards, weil diese keine Lenk-/Haltestange haben.
Bisher liegen beim PP Oberbayern Nord diesbezüglich noch wenig Erfahrungen im Unfallgeschehen vor: Im Jahr 2020 ereigneten sich 47 (10) Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Elektrokleinstfahrzeugen. Dabei wurden 37 Führer und ein Mitfahrer von Elektrokleinstfahrzeugen verletzt. Getötete Personen gab es bei diesen Unfällen bisher nicht. Fast alle, nämlich 39 (entspricht 83%) Verkehrsunfälle, wurden durch die Fahrer der Elektrokleinstfahrzeuge selbst verursacht. Hauptunfallursachen waren Alkohol und Drogen (40,6%), falsche Straßenbenutzung (9,4%), Überholen (6,3%) und sonstige Ursachen (z.B. Gleichgewichts- und Handhabungsprobleme).
12. Schwerverkehr (*)
Im Jahr 2020 ereigneten sich 1.909 (2.553) Verkehrsunfälle, bei denen Schwerverkehrsfahrzeuge beteiligt waren. Bei 1.387 (1.709) Unfällen, also bei 72,7 % aller Unfälle mit Schwerverkehrsbeteiligung, war der Schwerverkehr selbst der Unfallverursacher. 5 (6) Menschen wurden bei diesen Unfällen getötet und 344 (428) wurden verletzt.
(*) Diese Unfallstatistik umfasst auch Verkehrsunfälle im Übertragungsbereich der BAB im Bereich des Polizeipräsidiums München
13. Bundesautobahnen (*)
Im vergangenen Jahr ereigneten sich 4.927 (7.261) Verkehrsunfälle auf den Autobahnen im gesamten Zuständigkeitsbereich des PP Oberbayern Nord (inkl. dem Übertragungsgebiet, das zur Landeshauptstadt und dem Landkreis München gehört), wobei die Streckenanteile der besonders verkehrsstarken A 9 und A 99 am meisten unfallbelastet waren. Hierbei verloren 14 (14) Menschen ihr Leben und 1.115 (1.416) wurden verletzt. Die Reduktion der Gesamtunfälle um rund 32,1 % ist wohl nahezu ausschließlich durch die Pandemie bedingt, die den Urlaubs- und Ausflugsverkehr stark einschränkte. Der Schwerverkehr war mit 852 zu 3.993 Beteiligten mit rund 21 % am Unfallgeschehen beteiligt. Nicht angepasste Geschwindigkeit, Abstandsunterschreitungen und Fehler beim Fahrstreifenwechseln sind mit zusammen 57 % die häufigsten autobahntypischen Unfallursachen.
Die Beamten der Verkehrspolizeiinspektionen betreuen im hiesigen Bereich die Autobahnen A 8, A 9, A 92, A 93, A 94, A 96 und die A 99.
(*) Diese Unfallstatistik umfasst auch Verkehrsunfälle im Übertragungsbereich der BAB im Bereich des Polizeipräsidiums München
14. Landstraßen außerorts
Im vergangenen Jahr nahmen zwar die Gesamtunfälle auf den außerörtlichen Landstraßen um 2.344 VU (- 14,8%) ab, die Unfallfolgen jedoch stiegen bei den Toten um 2, bei den verletzten Personen konnten sie um 672 (- 21,8%) gesenkt werden. Auch Kleinunfälle, die von der Polizei im Kurzaufnahmeverfahren bearbeitet werden, nahmen um 1.550 (- 13,2%) ab. Einen erheblichen Anteil daran bilden die Wildunfälle, über die nachfolgend gesondert berichtet wird.
15. Wildunfälle
Die Anzahl der Wildunfälle bildet mit rund 24 % einen erheblichen Anteil am gesamten Unfallgeschehen im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord. Bei den Wildunfällen gab es einen Rückgang um knapp 11 Prozent von 11.212 auf 10.007.
47 (45) dieser Unfälle waren Unfälle mit Personenschaden, dabei wurden keine (1) Person getötet und 56 (51) Personen verletzt, schwere Verletzungen erlitten 10 (20) Personen. 13 (17) dieser Unfälle waren schwerwiegende Unfälle mit Sachschaden und bei 99,4 % (9.947) aller Wildunfälle handelte es sich um sog. Verkehrsunfälle im Kurzaufnahmeverfahren (früher „Kleinunfälle“ genannt).
16. Unfallursachen
Hauptunfallursache Nummer 1 bei den registrierten Verkehrsunfällen im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord bleibt nach wie vor Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren und beim Ein- und Anfahren (19,4%), gefolgt vom ungenügenden Sicherheitsabstand (17,3%). Als dritthäufigste Unfallursache wurde die Nichtbeachtung der Vorfahrt bzw. des Vorranges (11,7%) festgestellt.
Die Unfallursache „Ablenkung“, die seit der Massenverbreitung von Smartphones und umfangreicher Entertainment-Technik in den Fahrzeugen auf breiter Ebene auch im Rahmen polizeilicher Verkehrsüberwachung bekämpft wird, ist zudem maßgeblich.
Die Unfallursache Geschwindigkeit ist ein Dauerbrenner. Weitaus bedeutender als die tatsächliche Überschreitung einer bestimmten Höchstgeschwindigkeit ist ein nicht angepasstes Fahrverhalten im Hinblick auf Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse sowie den eigenen Fahrfertigkeiten. Das Tempo ist meistens auch indirekt mitbestimmend dafür, ob ein Verkehrsunfall überhaupt passiert und welche Folgen dieser hat. Daher muss die Unfallursache Geschwindigkeit im Rang grundsätzlich deutlich weiter oben gesehen werden.
Symbolbild: Bayerische Polizei