Die Ingolstädter Maskentonne im Deutschen Medizinhistorischen Museum
Da steht sie nun. Mitten im Sonderausstellungsraum des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt. Die Tonne. Einst eine ganz normale Papiertonne, später ein Sammelbehälter für Masken, jetzt ein offiziell registriertes Museumssstück. Und sie ist der Mittelpunkt einer Ausstellung, die Vergangenheit, Gegenwart und sogar den Blick in die Zukunft in sich vereint – eher ungewöhnlich für ein historisches Museum. Aber was war 2020 schon gewöhnlich…
Das beginnt beim Ausstellungsthema „Die Ingolstädter Maskentonne“ und endet bei der Ausstellungseröffnung, die ja noch gar keine ist, weil Besucher überhaupt nicht ins Museum dürfen. Und eigentlich hätte sie auch schon am 14. November stattfinden sollen. Aber genau diese Unwägbarkeiten kennzeichnen diesen Ausnahmezustand, den das Auftreten des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht hat. „Die Idee zur Ausstellung entstand währen des ersten Lockdowns,“ erklärt Kulturwissenschaftlerin Johanna Lessing (Universität Göttingen), die zusammen mit der Historikerin Greta Butuci (wissenschaftliche Volontärin am DMMI) die Ausstellung kuratiert hat. Als Museum mit einer Sammlung von Objekten zur Seuchengeschichte die Historie der aktuellen Lage gegenüber zu stellen – das ist ein Aspekt dieser Schau. Es geht aber vor allem auch um Ingolstadt und wie die Stadt und ihre Einwohner mit dem Lockdown im wahrsten Sinne beschäftigt waren, etwa der „Corona-Fahrer“, der im Auftrag der Führungsgruppe Katastrophenschutz Masken, Materialien und mehr unablässig von A nach B transportiert hat. Sein „Logbuch“ ist nun im Museum ausgestellt. Es geht um den anfänglichen Mangel an Schutzausrüstung, Ideen zur Maskenherstellung etwa in der Theaterschneiderei oder an den Ingolstädter Mittelschulen und um selbst hergestellte „Community-Masken“, die das Museum gesammelt hat. „Das soll hier keine Corona Ausstellung zum Virus sein,“ betonte Greta Butuci beim Pressetermin im geschlossenen Museum.
Die Maskentonne bildet dabei das Kernstück (den Namen hat sie erst im Museum bekommen) von der sternförmig farbige Bodenmarkierungen zu den jeweiligen Vitrinen und Ausstellungsobjekten führen (immer mit Abstand bitte). Das Objekt war einst eine normale Papiertonne, die von den Ingolstädter Kommunalbetrieben in eine Sammeltonne für Masken umfunktioniert wurde und im Frühjahr auf dem Rathausplatz stand. Alle IngolstädterInnen waren aufgerufen, selbst genähte Masken in die Tonne zu werfen, die dann an das BRK und andere Einrichtungen verteilt wurden.
Ende Mai wurde sie abgebaut und wanderte ins Museum, denn der Sammlungsleiter des DMMI, Dr. Alois Unterkircher, hatte die Tonne auf dem Rathausplatz gesehen und wollte sie unbedingt als Objekt der Zeitgeschichte aufbewahren. Im Kontrast dazu findet der Besucher z.B. eine Elfenbeinstatuette eines Pestarztes aus dem Jahr 1700, historische Pocken-Impfausweise oder eine Karikatur einer „Cholera-Präservativfau“. Letzteres Objekt beweist, dass man auch in der Vergangenheit einer Seuche bzw. dem menschlichen Verhalten angesichts derselbigen mit Humor begegnet ist. Karikaturen zur Corona-Pandemie gibt es auch heute und die sind ebenso wie witzige Fotomontage oder sogar eine Schneekugel mit Toilettenpapierinhalt in der Ausstellung zu sehen. Historisches wechselt sich ab mit modernen „Lockdown“-Objekten, dazu gibt es an mehreren Medienstationen u.a. Filme und Maskengeschichten zu sehen und in einer Hörstation kommen Mitglieder der Führungsgruppe Katastrophenschutz, Mitarbeiter des Klinikums und Maskenproduzenten zu Wort, die für die Recherche zur Ausstellung befragt wurden. Corona ist nicht vorbei. Und so lebt auch die Ausstellung weiter. Zeitungsberichte werden gesammelt, ausgestellt und geschreddert. Schließlich bringt jeder Tag auch neue Meldungen.
Für die Zeit nach dem Teil-Lockdown ist zur Ausstellung ein Veranstaltungsprogramm geplant, das analog und mit Sicherheitsabstand mitten in der Ausstellung stattfinden soll. Das Hygienekonzept wird so Teil der Raumgestaltung. Bei Abendveranstaltungen kommen AkteurInnen der P andemie miteinander und den Gästen ins Gespräch. Podcasts dieser Events und andere virtuelle Angebote werden die Ausstellung kontinuierlich erweitern. Und wenn das Museum wieder öffnen darf, wird der Eintritt zur Maskentonnen-Ausstellung frei bleiben.
Mehr: www.dmm-ingolstadt.de