Zum Abschluss nochmal extrem frohlocken
Die Zahnfleisch GmbH gibt nach 40 Jahren (höchstwahrscheinlich) ihre Abschiedsvorstellung.
Sie haben schon Comedy gemacht, als es dieses Wort hierzulande noch gar nicht gab. Und als es schließlich in aller Munde war, wandten sie sich dem Kabarett zu: 40 Jahre lang hat die Zahnfleisch GmbH ihr unsinniges Unwesen auf den Ingolstädter Bühnen (und nicht nur da) getrieben. Nun soll endgültig Schluss sein – mit einer weihnachtlichen Abschiedsvorstellung.
Wie es sich für eine GmbH gehört, begann alles ganz klein und entwickelte sich über die Jahre zu einem beachtlichen Unternehmen mit wechselnden Akteuren, Produktweiterentwicklungen und der Gründung von „Tochterunternehmen“. Historisch belegt ist eine erste gemeinsame Musikprobe von Erich Milchreiter, Klaus „PJ“ Picker und Lazi Lazarus am 9. Februar 1979 in einem Keller in Ingolstadt. Dieses von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte Ereignis kann als der offizielle Startschuss für das Projekt „Zahnfleisch GmbH“ gesehen werden. Ende 1979 war man dann schon zu fünft nachdem Charlie Huber und Adrian Marton dazu gestoßen waren. Schlagzeuger „Lazi“ zählt bis heute zum Zahnfleisch-Ensemble und darf daher ohne Übertreibung als Urgestein der munteren Truppe bezeichnet werden. Rund 40 Musiker sind in den 40 Jahren gekommen, um zu bleiben – oder wieder zu gehen.
Die Zahnfleisch GmbH im Jahr 1981 von links nach rechts: Adrian Marton , Lazi Lazarus , Erich Milchreiter, Erwin Schmidl und Klaus "PJ" Picker
Der ursprüngliche Gedanke, einfach eine Bluesrock-Band zu sein, „scheiterte“ an der Mitteilungsfreude der Protagonisten. Als Schlüsselerlebnis stellte sich im Nachhinein ein Auftritt in Neustadt/Do. heraus, bei dem die Zahnfleischer zusammen mit Sundance (später Luis Trinkes Höhenrausch) auftraten. „Unsere Ansagen sind so ausgeufert, dass die Nettospielzeit kürzer war als die Ansagen,“ erinnert sich Lazi Lazarus. Dass das „bled daher reden“ beim Publikum bestens ankam, stellte sich von Auftritt zu Auftritt immer mehr heraus. Und als dann auch noch die Anarchoband Schroeder Roadshow in Ingolstadt zu Gast war, fand die Zahnfleisch GmbH ihre Bestimmung, nämlich Musik mit Witz (und Wahnsinn) zu verbinden. Einer, der seine Bestimmung wiederum bei der Zahnfleisch GmbH gefunden hat, ist Oliver Scholtyssek, der aktuelle künstlerische Leiter und kreative Kopf der Gruppe. 1989 stieß er dazu, nachdem er die Auftritte der Gruppe schon länger beobachtet hatte: „Ich dachte damals nur: die lassen es krachen. Und ich hätte mir nie träumen lassen, auch einmal dazu zu gehören.“ Da neigten sich gerade die wilden 80er Jahren dem Ende zu, in denen die Zahlfleischer ebenfalls recht wild unterwegs waren. Jeder Auftritt der Gruppe war ein echtes Ereignis – Pyrotechnik inklusive. Selbst wenn der „Pyromane“ der Band, Charlie Huber, den eigenen Pullover bei der Show abfackelte, wurde weiter gespielt. In 40 Jahren Bandgeschichte wurde kein Auftritt abgesagt. Und als das Publikum im Bayerischen Wald mit Bierkrügen nach der Band schmiss, stellte sich das sogar als Kompliment heraus.
Video: Die Hommage der Zahnfleisch GmbH an Jean Pütz aus dem Programm "Das letzte Mal an diesem Abend" 1998 mit Markus Knoll.
Pubertär und anarchisch war der Humor, der dem damaligen Zeitgeist entsprach („Es ist verboten den Toten die Hoden zu knoten“). Etliches, was damals noch möglich war, würde heute vermutlich einen Shitstorm entrüsteter Bildungsbürger auslösen. Das Publikum verlangte nach immer mehr verrückten Ideen, die auf der Bühne leicht und locker daher kamen. Aber zu jedem Programm, das zwei bis drei Jahre Vorbereitungszeit brauchte, wurden klare Abläufe erarbeitetet und einstudiert – vom Kostümwechsel bis zur richtigen Position jedes Protagonisten auf der Bühne. „Manchmal konnten wir die Lieder beim Auftritt schon nicht mehr hören, weil wir so viel geprobt haben,“ sagt Lazi Lazarus. Bis 1999 standen zahllose große Konzerte auf dem Programm, die einen immer größeren Aufwand erforderten, bis man sich schließlich zunehmend Unplugged-Formaten zuwandte.
Die Extremfrohlocker der Zahnfleisch GmbH mit ihren Gästen bei der Weihnachtsshow 2018
Mit der Zeit änderten sich Besetzung, Humor, Outfits (die Zahnfleisch GmbH hatte auch mal eine Straps-Lack-und-Leder-Phase) und Musik (wurde funkig) und zuletzt entwickelte sich auch ein gewisses Eigenleben: Aus der Show „Ritter der Schwafelrunde“ entstand etwa die Gruppe Zackenflanke, die seit 2006 auf vielen Mittelalterfesten im Einsatz ist. Seit zehn Jahren ist die Zahnfleisch GmbH außerdem „dicke“ im Weihachtgeschäft als Comedy-Hirten und Extremfrohlocker. „Man hat immer den Anspruch, etwas neues zu bieten. Aber irgendwann ist es genug,“ erklärt Oliver Scholtyssek. Und so wird die Weihnachtsshow im Ingolstädter Altstadttheater am 6., 7. und 8. Dezember höchstwahrscheinlich die Abschiedsvorstellung der Zahnfleischer sein. Hier erlebt man sie in der aktuellen Besetzung, die aus Lazi Lazarus, Oliver Scholtyssek, Caro und Bernhard Lindner, Matthias „Wauxl“ Pfaller, Norbert Müller und Rudi Gascho von Kapff besteht. Bleibt eine Frage zum Schluss: Warum der Name Zahnfleisch GmbH? Lazi Lazarus muss schmunzeln: „Weil wir in aller Munde sein wollten.“ (ma)
Die Extremfrohlocker
Weihnachts-Comedy mit der Zahnfleisch GmbH und Gästen
06.12., 07.12., jeweils 20:30 Uhr & 08.12., 18:30 Uhr im Altstadttheater Ingolstadt
Infos und Tickets: www.altstadttheater.de