Saubere Fahrzeuge für die städtische Flotte
OB lässt Alternativen und Einsatzmöglichkeiten prüfen
Mit der sogenannte „Clean-Vehicle-Richtlinie“ hat das Europäische Parlament im Frühjahr 2019 verbindliche Ziele für die Beschaffung von emissionsarmen Fahrzeugen durch Behörden und öffentliche Unternehmen erlassen. Bis 2025 müssen demnach mindestens 45 Prozent der neu beschafften Busse einen alternativen Antrieb (Wasserstoff, batterieelektrisch, Gas-Busse) besitzen, bis 2030 gilt eine Quote von 65 Prozent. Auch Müllfahrzeuge und andere schwere Nutzfahrzeuge (bis 2025: 6-10 Prozent, bis 2030: 7-15 Prozent), sowie Autos und Transporter sind von der Neuregelung betroffen.
Zwar haben die Staaten für die Umsetzung der EU-Richtlinie in Landesrecht 24 Monate Zeit – Oberbürgermeister Dr. Christian Lösel hat aber schon jetzt die städtischen Tochtergesellschaften gebeten zu prüfen, welche Auswirkungen diese Richtlinie im Wirkungsbereich der Stadt Ingolstadt haben könnte.
Hierbei soll vor allem geklärt werden, welche „sauberen Fahrzeuge“ auf dem Markt verfügbar sind, welche Kosten für die neuen Technologien für den Bürger zu erwarten sind und wie mögliche Zeitpläne zur Umstellung aussehen könnten.
„Umweltschutz durch neue Technologien ist grundsätzlich der richtige Ansatz, der unser Klima und unsere Arbeitsplätze rettet! Alle Aktivitäten, die zur Schonung von natürlichen Ressourcen und zur Reduzierung von Schadstoffen in unserer Umgebung führen, sind zu begrüßen. Es ist richtig, dass die öffentliche Hand mit gutem Vorbild vorangeht und auf saubere Fahrzeuge setzt. Allerdings dürfen die Kosten hierfür nicht allein zu Lasten der Kommunen gehen, sondern müssen anteilig gefördert werden“, so Oberbürgermeister Dr. Christian Lösel. Entsprechende Forderungen seien durch die kommunalen Spitzenverbände an die Bundesregierung zu richten.
Als emissionsarm gelten Fahrzeuge nach der EU-Richtlinie, wenn sie einen innovativen Antrieb besitzen. Hierzu zählen z.B. Elektro- und Wasserstoffantriebe, sowie mit klimaneutralen Kraftstoffen betriebene Fahrzeuge (wie nachhaltige Biokraftstoffe oder synthetische und paraffinhaltige Kohlenstoffe).
Für die Clean Vehicle-Richtlinie sind laut Oberbürgermeister u.a. folgende Dinge zu klären:
1. Sind die nötigen Wagen-Umlaufzeiten der Buslinien mit batteriebetriebenen Bussen überhaupt zu schaffen? Testflotten in anderen Städten haben hier zu ernüchternden Ergebnissen geführt. Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?
2. Wie können gegebenenfalls Batterien der Busse gewechselt werden, um ausreichende Umlaufzeiten zu schaffen? Ist ein Wechsel von Batterien überhaupt möglich oder sinnvoll? Kann dies durch Mitarbeiter der INVG/Stadtbus erledigt werden? Brauchen wir ggf. Werkstätten? Ist die Batterietechnik überhaupt die richtige Antriebsart für Busse?
3. Gibt es nationale Bushersteller, die Wasserstoff-Busse in der Kürze der Zeit in entsprechend hoher Zahl bis 2025 oder 2030 herstellen können? Was kosten diese Busse den Bürger?
4. Kann man Lieferketten, Versorgungsstruktur (Tankstellen) und Versorgungsqualität bei Wasserstoff-Bussen aufbauen und aufrechterhalten? Wo bekommt die Stadt und ihre Töchter ggf. ausreichend Wasserstoff zu einem vertretbaren Preis und entsprechender Qualität her? Was kostet das den Bürger?
5. Wie gestaltet sich der Wiederverkaufswert der ausgemusterten Busse und Flottenfahrzeuge, wenn es ab 2025 ggf. eine Unternachfrage an gebrauchten Bussen und Nutzfahrzeugen am Markt gibt? Haben wir ein bilanzielles Problem eines Wertverlustes dieser „alten“ Busse zu erwarten?
6. Ist im ÖPNV ein Ausgleich zwischen großen und kleinen Konzessionären nötig und möglich? Nach den Erfahrungen schaffen kleine Konzessionäre die vorgegeben Umstellungsquoten nicht.
7. Ist die Stadt mit ihren Töchtern als einheitliches Unternehmen zu sehen? Können also Über-Quoten in einem Bereich, Unter-Quoten in einem anderen Bereich kompensieren?
8. Wie sind kommende Infrastrukturkosten möglichst vertretbar zu gestalten? Muss die Stadt Ladestationen für Batteriebusse aufbauen? Welche Leistung müssen diese haben, wenn mehrere Busse und Nutzfahrzeuge zur gleichen Zeit oder gleichzeitig nachts geladen werden müssen? Oder muss eine Wasserstoff-Tankstelle für Busse und Nutzfahrzeuge aufgebaut werden? Wo muss dies geschehen? Wie ist die Wasserstoff-Lagerung für die Bevölkerung sicher zu gestalten?
9. Der Stadtrat muss ab 2020 eine Grundsatzentscheidung treffen, welche der möglichen Technologien man bevorzugen sollte. Wasserstoff, batterieelektrisch oder neue Kraftstoffe? Diese haben unterschiedliche Anlaufkosten und Folgekosten. Man muss sich mit dem Bayerischen und Deutschen Städtetag abstimmen, damit man in Ingolstadt keine Insellösung entwickelt.
Nach bisheriger Lesart ist die neue EU-Richtlinie für Kommunen herausfordernd. Glücklicherweise hat Ingolstadt bereits vor einem knappen Jahr damit begonnen, ein Wasserstoff-Netzwerk in der Region zu gründen, an dem neben Herstellern auch weitere Akteure in diesem Bereich teilnehmen.