Mehr Miteinander: Deutsch-Chinesischer Automobilkongress in Ingolstadt
So ist das nun mal mit Fernbeziehungen. Sie funktionieren nur, wenn man sich auch einmal persönlich kennen lernt. Und so nahmen Vertreter von deutschen und chinesischen Unternehmen, Verbänden und Kommunen sowie Politiker die Gelegenheit wahr, beim dritten Deutsch-Chinesischen Automobilkongress, der diesmal in Ingolstadt stattfand und zugleich der fünfte Bayerische China Tag war, Kontakte zu knüpfen und über das zu sprechen, was über den Kontakt hinaus passieren kann.
Zusammenarbeit war das Thema der Redner am Vormittag im Ingolstädter Stadttheater. Und immer wieder wurde die Wichtigkeit des chinesischen Marktes für die deutsche Automobilindustrie und in Ingolstadt insbesondere für die AUDI AG hervor gehoben. „Wir sind aktuell an einem historischen Punkt,“ meinte Norbert Dressler (Senior Partner bei Roland Berger, Automotive Competence Center Stuttgart) angesichts des Wandels in der Automobilindustrie. Momentan sei ein leichter Marktrückgang zu verzeichnen: „Was den europäischen Herstellern zu schaffen macht, ist der Rückgang in China.“ Die Elektrifizierung (die gerade in China massiv angetrieben wird) werde grundsätzlich eine starke Veränderung mit sich bringen und z.B. für geringere Rendite-Aussichten als bei der Produktion von Verbrenner-Autos sorgen. Neue Mitbewerber, ein härter Wettbewerb, neue Technologien – ein Umdenken sei erforderlich und die Unternehmen müssten sich fragen, ob man zum Umdenken bereit sei. „Wir sehen viel Re-Strukturierungsbedarf.“ China und Europa hätten die Megatrends wie Elektromobilität, autonomes Fahren und Car-Sharing bzw. On-demand Lösungen erkannt, nun sollte man voneinander lernen und miteinander arbeiten.
Fast schon eine Liebeserklärung an China
„Jeder zweite Audi wird in China verkauft,“ erklärte Audi China- und Finanzvorstand Alexander Seitz in seinem Vortrag über das China-Geschäft der AUDI AG. Und er machte unmissverständlich klar, dass man zum Erfolg in China verpflichtet sei, um den Wohlstand des Unternehmens in Deutschland aufrecht erhalten zu können. „China ist für Audi zum stärksten Wachstumsmotor geworden und der wichtigste Absatzmarkt.“ Daher wurden auch die extra langen L Modelle für den Markt dort entwickelt, ebenso der e-tron: „China ist die Leitnation für Elektrifizierung.“ Und bei einem deutlich niedrigeren Durchschnittsalter eines Audi-Kunden in China (37 Jahre – im Vergleich: in Europa ist der Audi-Kunde im Schnitt 57) seien „Familienkutschen“ wie siebentürige SUVs sehr beliebt.
Der Premium-Markt wachse dort weiter: „Wir konzentrieren uns noch mehr auf den chinesischen Markt. Und auch die Zahlen der Mitarbeiter werden erhöht.“ 14 Milliarden Euro werde Audi bis 2023 in China investieren, unter anderem auch im Bereich Batterie-Entwicklung: „Unser Forschungsteam in China treibt den Audi Spirit voran.“ Energische Schritte in China würden zu mehr Elektromobilität zwingen, so Seitz. Und dann geriet er beinahe schon ins schwärmen, was die Rahmenbedingungen für die Erprobung und Entwicklung von autonomen Fahrsystemen betrifft: „Das können wir nur entwickeln, wenn man Daten generiert. Und das ist nur in China möglich.“
Silicon Valley war gestern
Der wohl bekannteste deutsche Experte für die Automobilindustrie, Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, erklärte die Ära der USA als Automobil-Großmacht für beendet. „Sie werden keine große Rolle mehr auf dem Automobilmarkt spielen.“ Und Donald Trump sorge mit seinem Handelskrieg dafür, dass China und Europa die Leidtragenden seien. Umso mehr brauche man den Austausch mit China – und weniger Misstrauen. In der Regulierung von Emissionen seien sich China und Europa beispielsweise schon sehr nah. Wenn es um die Technik zur Abgasvermeidung gehe, könne man von China lernen.
Was dabei aber laut Dudenhöffer völlig kontraproduktiv sei, seien milliardenschwere Förderprogramme der Bundesregierung etwa zur Entwicklung von Batterien für die E-Mobilität. Warum verschwendet man Steuergelder für die Entwicklung einer Sache, die längst entwickelt ist, fragte der Wirtschaftswissenschaftler und nannte als Beispiel die Batterie-Fabrik des chinesischen Konzerns CATL, die gerade in der Nähe von Erfurt entsteht. Und das laut Dudenhöffer auch noch CO2 neutral. „Hier hätten wir die Chance zur Zusammenarbeit.“ Stattdessen sei man in Deutschland dabei, das Rad nochmal neu zu erfinden, um nachzubauen, was es schon gibt. Er wünsche sich vielmehr gemeinsame Forschungsprojekte z.B. zur Kathoden-Weiterentwicklung: „Da würden wir alle gewinnen.“ Die führenden technologischen Entwicklungen kämen inzwischen aus Asien („Silicon Valley war gestern“), so Dudenhöffer. „Wir sollten uns überlegen, wie wir uns in Deutschland weiter öffnen.“ Aber er richtete eine Bitte an die chinesischen Gäste im Stadttheater: „Wir brauchen – und das ist eine große Bitte an China – große Offenheit!“. Jedes Unternehmen, das in China investiere, sollte offen Einsicht in die Daten erhalten, die im Rahmen des Social Ranking erhoben werden. Denn: Nur durch ähnliche Werte könne aus einer Geschäftsbeziehung auch eine enge Partnerschaft werden.
Vor den Vorträgen hatten Weidong Wang (Gesandter Botschaftrat der chinesischen Botschaft in Deutschland), Roland Weigert (Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie) und Dianxun Liu,(Director General der Investment Promotion Agency of Ministry of Commerce of P. R. China) die Gäste begrüßt. Außerdem wies Oberbürgermeister Christian Lösel in seiner Ansprache die Gäste im Stadttheater auf eine historische, „automobile“ Verbindung zu China hin. Schließlich sei am Hof des chinesischen Kaisers vor rund 350 Jahren das erste selbstfahrende Vehikel konstruiert worden – und zwar von einem flämischen Jesuiten. Dieses Ur-Auto werde nun in Ingolstadt wieder zum Leben erweckt. Heute sei China der wichtigste Automobilmarkt der Welt und Ingolstadt einer der wichtigsten und erfolgreichsten Automobilstandorte. „Diese Arbeitsplätze lassen sich schnell kaputt machen,“ warnte Lösel. „Nur mit Technologie könne man Arbeitsplätze und Klima retten.“
Der 3. Deutsch-Chinesische Automobilkongress und der 5. Bayerische China Tag wurden vom China Zentrum Bayern in Kooperation mit der China International Investment Promotion Agency (Germany) organisiert. Mehr dazu unter www.china-zentrum-bayern.de